Die Gewöhnungseffekte sind enorm.
2005 wurde Angela Merkel nur mit großem Glück Kanzlerin einer Groko, obwohl es lange Zeit so ausgesehen hatte, als ob die CDU/CSU die absolute Mehrheit holen würde. 2009, 2013 und 2017 war es viel leichter für sie, weil die Deutschen sich gar keinen anderen Kanzler vorstellen konnten.
Ich erinnere mich noch sehr genau an 1982, weil ich politisch extrem aufmerksam war, in der Nachrüstungsdebatte aktiv auf vielen Friedensdemonstrationen marschierte. Und dann wurde Helmut Kohl Kanzler. Das war einfach unvorstellbar. Gewählt worden wäre er damals gegen Schmidt aber eben nicht. In den 1990ern hingegen war es schwer sich vorzustellen, Kohl könnte nicht Kanzler sein.
Besonders extrem empfand ich die Zäsur von 2005, als nach 127 Jahren Amtszeit der polnische Kinderfic**rfreund Woytila verstarb. An sein endloses öffentliches Leiden und Kranksein war man derartig gewöhnt, daß man sich nicht vorstellen konnte, einen anderen alten Mann auf dem Posten zu sehen.
Und dann auch noch ausgerechnet Ratzinger, der bei den
seit Jahren stattfindenden Papabilitäts-Spekulationen nie in Frage kam:
Als Deutscher, der in der Hitlerjugend war, die Weltkirche leiten? Außerdem
galt er als zu alt, zu konservativ und war durch die zwei Jahrzehnte an der
Spitze der Glaubenskongregation extrem unbeliebt. Zudem gab es das Vorurteil,
Ratzinger zöge lieber im Hintergrund die Fäden und hasse Massenmessen, wie sie
JP-II auf Weltjugendtagen veranstaltet hatte.Und noch etwas;
Ratzinger war als Kardinalbischof und Präfekt der ranghöchste Kardinal
überhaupt, leitete die JP-II-Trauerfeierlichkeiten. Üblicherweise sortierten
sich im Konklave die Machtverhältnisse neu.
Ich hatte vor 2005 fleißig mitspekuliert, wer der nächste Papst wird und war vollkommen überrascht, als es auf einmal hieß „habemus Papam….. cardinalem Ratzinger…“
A posteriori ist man immer schlauer. Offensichtlich hatte Ratzinger sorgsam sein Image als frommer Bücherwurm gepflegt, aber in Wahrheit immer voller Ehrgeiz gesteckt, systematisch in seiner Zeit als Chef der Inquisition Abhängigkeiten geschaffen, sich Stimmen im Konklave zusichern lassen und nur darauf gewartet, die in seinen Augen schreckliche Schlichtheit des Woytila-Pontifikats zu beenden.
Kaum auf dem Thron, war Schluß mit bescheidener Barhäuptigkeit und einfachen weißen Gewändern. Ratzi gab ein Vermögen für juwelenbestickte bunte Kleider aus, die er jeweils nur einmal trug, reaktivierte längst vergessen geglaubte, dem Papst vorbehaltene Statussymbole, wie Hermelin verbrämte Samtmozetti, Purpur-Camauri, mit Perlen bestickte breite Gürtel («Zingulum»), Scheitelkäppi («Pileolus»), breitkrempige rote Saturni, edle purpurrote Prada-Slipper und natürlich den «Mantello» in der roten Winter-Version mit teuerstem Hermelinpelz gefüttert. Luxus-Insignien, die seit Johannes XXIII. (1958-1963) nicht mehr im Vatikan gesehen wurden.
Ratzinger hatte richtig Lust, aus dem Vollen zu schöpfen, reaktivierte ebenfalls die von seinem Vorgänger verbannten Holocaust-Leugner der Piusbrüder, ließ wieder die verbotene tridentinische Messe lesen, brach die Ökumene mit den verhassten Protestanten ab und wollte sich wieder allmächtig wie in der Renaissance fühlen.
Ich gerade immer noch ins Schwärmen, wenn ich an Ratzi denke. Wir Atheisten sind ihm zu ewigen Dank verpflichtet! Es war ein kaum vorstellbarer Erfolg, wie dieser kleine Bayer im Alleingang Millionen Gläubige aus der Kirche trieb und es schaffte mit billigen Klopfern wie „Kondome verschlimmern das AIDS-Problem“ oder seinen juristischen Streisand-Effekt-Krieg gegen die „Titanic“ auch die überzeugtesten Katholiken vergraulte.
Für alle Konfessionsfreien war es eine Riesenenttäuschung, als Ratzinger 2013 plötzlich verkündete, keinen Bock mehr zu haben und mit seinem heißen Gänsi ins Castel Gandolfo abflog. Seine Lieblingspalast-Anlage, die Papst Clemens VIII 1596 geraubt hatte und deren drei Teilschlösser Villa del Moro, Villa Cybo und Villa Barberini Anfang des 17. Jahrhunderts mit jedem nur denkbaren päpstlichen Luxus ausgestattet wurden. Auf einer Fläche von 55 Hektar konnten Ratzi und Gänsi so herrlich chillen.
Es ist sehr beruhigend zu sehen, wie Protzi auch noch neun Jahre, nachdem er die Tiara weiterreichte, intensiv für den Säkularismus arbeitet und mit garstigen Lügen zu den übergriffigen Vergewaltigungspriestern, die unter seiner Aufsicht in Bayern immer wieder auf kleine Kinder losgelassen wurden, auch im Jahr 2022 noch intensiv darum bemüht ist, möglichst viele Katholiken zum Austritt zu bewegen. So schwer es zunächst war, sich an Ratzinger auf dem Papstthron zu gewöhnen, so wertvoll ist er bis heute für die atheistische Sache.
Nachdem man sich so viele Jahre niemand anders im Kanzleramt vorstellen konnte, als Angela Merkel, wundere ich mich nach zwei Monaten Scholz-Regierung, wie vollständig ihre Unionsminister, die schließlich als skandalaffine unfähige Unsympathen maßgeblich zur CDU/CSU-Wahlpleite beitrugen, in der Vergessenheit verschwunden sind.
Schon sinkt der Ampel-Stern, weil das Volk auf den eigenartigen Gedanken verfiel, die Minister wären für das Regieren zuständig.
Die Totalausfälle Karliczek, Klöckner, Seehofer oder Spahn hatte der Urnenpöbel hingegen achselzuckend hingenommen, ohne damit auch nur im Entferntesten die Bundeskanzlerin in Zusammenhang zu bringen.
Dabei sind die gegenwärtigen Hauptprobleme – verschlafene Energiewende, Corona-Chaos an den Schulen, Internet-Steinzeit, leere Gasspeicher, völlig marode Bundeswehr – ganz eindeutig den zuvor ewig amtierenden Unions-Ministern anzulasten.
Aber selbst eben noch omnipräsente Unions-Zampanos wie Altmaier, Spahn, AKK oder Laschet, sind wie vom Erdboden verschluckt und vergessen.
Einfach weg.
Selbstverständlich hatten sie nie etwas Positives für Deutschland geleistet, an das man sich gern erinnerte, aber es wäre doch schön, sie wenigstens als Negativ-Beispiele, gewissermaßen als Abgleich im Bewusstsein zu behalten. Es fällt schon deutlich schwerer Nancy Faeser zu kritisieren, wenn man im Bundestag den ewig schwänzenden AfD/Maaßen-affinen Horst Seehofer als Kontrast erlebt.
Wer waren die allerschlechtesten Minister, die Deutschland seit 1945 hatte?
Ganz vorn sehe ich Guttenberg, Niebel, Strauß, Möllemann, Spahn, Scheuer, Oberländer, Schäuble, Krause, Kanther, de Maizière, Glos, Friedrich, Westerwelle, Rösler, Dobrindt. Einige der Genannten sind noch so jung und aktiv, daß sie durchaus als Negativbeispiele zum Wohle der SPD dienen könnten. Diejenigen, die sich jetzt eine goldene Nase als Lobbyisten verdienen, sind leider alle schon vergessen. Man weiß gar nicht mehr wie schlimm KTG, Niebel oder Rösler waren.
Eine kleine Hoffnung stellt da immerhin Jens Spahn dar. Er könnte seine Funktion als Urnengift noch etwas länger ausfüllen, weil seine größten Mauscheleien erst jetzt, nach seinem Ausscheiden aus dem Amt, richtig beleuchtet werden.
Seine krummen Maskendeals mit Emix sind sehr viel übler als bisher bekannt.
[….] Im Zentrum der Affäre steht auch knapp zwei Jahre später die Frage, warum Emix vor allem im Haus des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) eine VIP-Behandlung genoss. Schließlich ergatterte die Firma, im Maskengeschäft bis dato unbekannt, dort Aufträge für knapp eine Milliarde Euro. Davon wickelte sie die meisten auch ab, für rund 700 Millionen. Warum so viel, warum Emix? Der Blick in vertrauliche Papiere zeigt nicht nur, dass Emix offenbar Masken beim Bund loswurde, die anderswo durchgefallen waren. [….]
Auch die von Spahns reaktionären Freunden stets vorgebrachte Beteuerung, der Minister haben sich immerhin nicht selbst bereichert, ist längst nicht mehr zu halten.
[….] Der frühere Gesundheitsminister hat kurz vor der Bundestagswahl eine seiner wertvollen Immobilien verkauft. Unklar ist allerdings: Wie kann er sich nun als Abgeordneter eine Millionenvilla in Berlin leisten? Minister mit Millionenvilla, solche Berichte hat Jens Spahn nur ungern gelesen. Und er ist sogar, während seiner Zeit als Bundesgesundheitsminister, juristisch gegen Veröffentlichungen über seine Immobiliengeschäfte in Berlin vorgegangen. Dort hatte sich der CDU-Politiker seit 2015, teils zusammen mit seinem Ehemann, nach und nach zwei Wohnungen und dann auch noch eine Villa gekauft. Was Fragen aufwarf: Wie konnten sich Spahn und sein Gatte das alles leisten, und warum bekamen sie dafür Kredite in Höhe von insgesamt mehr als sechs Millionen Euro. Fragen, denen Zeitungen zu Recht nachgingen, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg im vergangenen Jahr entschied. Das OLG befand, Spahn und sein Ehemann müssten es hinnehmen, dass über ihre Vermögensverhältnisse in einem "deutlich weiteren Umfang" berichtet werde, als dies für reine Privatpersonen gelte. Spahn sei schließlich einer der "profiliertesten deutschen Politiker". [….] Kann sich Spahn als Bundestagsabgeordneter, ohne Ministeramt, langfristig eine bislang nicht abbezahlte Millionenvilla leisten? Wie kann er mit geringeren Bezügen Zins und Tilgung für Villa sowie die Wohnung in Berlin aufbringen, die ihm noch gehört? [….] Spahn ist seit Ende 2021 nicht mehr Minister. Als Bundestagsabgeordneter bekommt er 10 012,89 Euro brutto im Monat. Einnahmen aus Nebentätigkeiten hat er nach Angaben seines Bundestagsbüros nicht. Vorher, als Bundesgesundheitsminister und Parlamentarier, waren es mehr als 20 000 Euro. [….] Spahn hat seit 2015 zwei Wohnungen und eine Villa in Berlin gekauft; eine Wohnung und die Villa zusammen mit seinem Ehemann Daniel Funke. Allein die Villa hat mehr als vier Millionen Euro gekostet. Die Villa gehört laut Eintrag im Grundbuch zu zwei Dritteln Spahn. Für die Immobilien hatte der CDU-Politiker, teils zusammen mit seinem Ehemann, ursprünglich Kredite in Höhe von insgesamt mehr als sechs Millionen Euro aufgenommen. Eine Wohnung haben die beiden Anfang September 2021, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, für 1,37 Millionen Euro wieder verkauft. Wollte Spahn damals Vorsorge treffen für den möglichen Verlust seines Ministeramtes? [….]
Es mag ja holpern oder zu langsam gehen unter Olaf Scholz, aber solche faulen Äpfel, wie die CDUCSU-Minister gibt es nicht mehr im Kabinett.