Sonntag, 30. September 2018

Imagekorrektur unmöglich


Für Jens Spahn sind der Kauder-Abgang und das destruktive Rumrumpeln des Innenministers blöd.
Inhaltlich ist das zwar seine Linie – auch er möchte die Merkel-CDU ganz weit nach rechts rücken – aber der Aufstand gegen die Kanzlerin kommt für ihn einfach zu früh.
Für den selbstverliebten Gesundheitsminister aus dem Münsterland ist es keineswegs ausreichend das politisch umzusetzen, was er richtig findet, sondern er will Regierungschef und Parteichef werden, er will Macht und Bewunderung. Er will zusammen mit seinen stramm rechten Kumpanen Lindner und Dobrindt wie ein Rollkommando durch den bundesrepublikanischen Betrieb gehen.
Spahn konkretisiert seine Zukunftspläne bereits als 38-Jähriger sehr stark. Er wanzt sich an Neo-Konservative und Neo-Nationale der ganzen Welt heran.
Demonstrativ umwirbt er Sebastian Kurz und Richard Grenell, bemüht sich stets der Rechteste unter den gerade noch Mainstreamigen zu sein. Kein anderer Bundesminister fand lobende Worte für Trump; Spahn schon.

[…..] Immer die eigene Außenwirkung im Blick
[…..] Spahn ist 38 Jahre alt, mit 15 trat er in die Junge Union ein, seit seinem 22. Lebensjahr ist er im Bundestag. Spahn saß in nahezu jeder Talkshow der Republik, er gab unzählige Interviews. Er provozierte gern mit konservativen Thesen. Spahn erfand den Begriff "burkaphob", wollte Flüchtlingen die Sozialleistungen kürzen, beschwerte sich über englischsprachige Kellner und oft auch über den Kurs der Kanzlerin. Als Angela Merkel ihn im Februar als Gesundheitsminister in ihr Kabinett holte, begriffen das viele Beobachter als Zugeständnis an ihre Kritiker. Doch nach zwei Monaten im Amt wirkt Spahn so, als sei ihm sein altes Image manchmal nicht mehr ganz recht.
[…..] Jens Spahn ist versessen auf seine Außenwirkung. Aufmerksam verfolgt er die Presseberichte über sich selbst. Er merkt sich genau, wie einzelne Journalisten zu ihm und seinen Themen stehen. Seinen früheren Pressesprecher, der ihn als Abgeordneten begleitete, setzte er an die Spitze des neuen Leitungsstabs seines Ministeriums. Einen weiteren Sprecher holte er sich von der Bild-Zeitung. Einen intimen Kenner des kleinen Mannes, sozusagen.
[…..] So viel Mühe sich Jens Spahn auch mit seiner Selbstdarstellung macht, so kompliziert ist es für ihn im Moment, sich nicht selbst ein Bein zu stellen. […..]

Die ersten Teile seiner Karrierestrategie konnte Herr Spahn schon mustergültig abarbeiten.

Sich einen Namen unter Rechtskonservativen machen.
Den unbedingten Willen zur Macht demonstrieren.
Furchtlos erscheinen.
Keinen Tag vergehen lassen, ohne sich mindestens einmal effektiv in die Medien geschoben zu haben. Es gibt keine schlechte Presse.
Omnipräsenz, um so bekannt zu werden, daß die politische Zukunft nicht ohne ihn gedacht werden kann.

[….] "Bekannt bin ich jetzt, beliebt muss ich noch werden"[…..] Dass an diesem Vormittag die halbe Hauptstadtpresse über die aktuellen Karrierepläne des Jens Spahn rätselt, liegt an einer Biografie, die der Chefredakteur der Rheinischen Post, Michael Bröcker, geschrieben hat und mit ihm gemeinsam vorstellt.
Auf dem Einband loben der CSU-Altvordere Edmund Stoiber und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz den jungen Konservativen, und Bröcker orakelt, dass Spahn "die Bundesrepublik maßgeblich prägen wird".
[…..] Als Gesundheitsminister sei er nun einmal der einzige Sozialpolitiker der CDU, sagt Spahn. "Bekannt bin ich jetzt, beliebt muss ich noch werden", zitiert ihn Bröcker. Politiker mit Herz, das sei Jens Spahns nächstes Karriereziel. [….]

Jetzt kommt in der Tat der schwierige Teil. Die konservativen Zeitungen rufen Spahn brav zum neuen Kanzler aus. Das hat schon mal geklappt.
Warum sollten sie auch nicht einen Pharmalobbyisten, der konsequent an der Seite der Reichen und Industriellen steht an die Spitze der Regierung wünschen?

Springer und Funke reichen aber nicht als alleinige Kanzlermacher.
Ein paar Wählerstimmen braucht es auch noch und dazu muss der Kanzlerkandidat zumindest etwas beliebter sein,  als das Niveau von Fußpilz und Mundfäule, auf dem Spahn derzeit noch einzuordnen ist.


Möglich, daß man sich in einigen Jahrzehnten nicht mehr an den fiesen Spahn von 2018 erinnern wird.

Das über 80-Jährige attac-Mitglied Heiner Geißler, der sozial tickende CDU-Querdenker war richtig beliebt bei Sozialdemokraten.
Keiner dachte mehr daran was für ein wahrlich bösartiger rechter Hetzer Geißler in den 1980ern war.

Ob Spahn jedoch das Ruder so rechtzeitig herumreißen kann, um als direkter Kanzlernachfolger Merkels in Frage zu kommen, bezweifele ich stark.

Seine xenophoben und islamophoben Attacken, seine nationalistischen Wallungen, seine Nähe zu Rechtsextremen in aller Welt dürften kein großes Problem beim Werben um Wählerstimmen sein.
Spahns verächtliche Betrachtung von Geringverdienern, einfachen Menschen, Angestellten, Arbeitern, seine fortwährenden herablassenden Bemerkungen gegenüber finanziell klammen Menschen wirken da schon störender.

Pflegekrise? Macht doch nichts. Soll man doch ein paar Kräfte aus dem Ausland holen und außerdem können die faulen Säcke in den Pflegeheimen ja auch mal etwas mehr arbeiten.

[….] "Wenn von einer Million Pflegekräften 100.000 nur drei, vier Stunden mehr pro Woche arbeiten würden, wäre schon viel gewonnen", sagte der CDU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". [….]

Damit noch nicht genug der Demütigung.
Inzwischen unterstellte der Gesundheitsminister den Pflegern und Krankenschwestern gar, sie übten überhaupt keinen richtigen Beruf aus.
Das wären eher mindere Hiwi-Tätigkeiten, die auch in der Familie erledigt werden könnten.


Ja, das freut sicher jede examinierte Krankenschwester im Schichtdienst unter Dauerstress.

Spahn wird neben Ehrgeiz fast immer auch Intelligenz attestiert.
Ich wage das zu bezweifeln. Wer fortwährend derartig frei von Empathie große Teile der Bevölkerung vor den Kopf stößt, kann nicht schlau sein, wenn er das immer wieder tut.
Auch wenn er es nicht empfindet, würde ein intelligenter Gesundheitsminister nicht Pfleger und Kranken so laut geringschätzen, sondern wenigstens so tun, als ob er deren Leistung anerkenne.

Es ist auch nicht klug als demonstrativ Kinderloser, der bereits verkündete seine eigenen Eltern sicher nicht zu pflegen, Familien offiziell als eine Art primitiven Mechanismus für niedere Arbeiten anzusehen.

"In einer deutschen Familie hat man fürs Gröbste die Oma, und ich bin die Oma der Bundesrepublik."
(Helmut Kohl, Bundeskanzler, 1989)

Die groben, dreckigen, mies bezahlten Jobs für die Großeltern, sagt also Karriere-Bubi Spahn, der bereits mit 22 Jahren in den Bundestag einzog, als Lobbyist Millionär und Immobilienbesitzer wurde, sowie nun als Minister 14.000,- Euro im Monat verdient. Plus Zulagen.