Dienstag, 16. Februar 2021

Nervöse Grüne und Schwarze

Ist das immer noch demoskopische Stagnation oder doch schon eine ganz leichte Aufwärtsbewegung?

Emnid, GMS und INSA messen derzeit 17% für die Scholz-SPD in der Bundestagswahl-Sonntagsfrage.

Als Sozialdemokrat ist man Kummer gewöhnt, aber es frustriert natürlich, daß die Sozis im Wahljahr mal wieder drastisch hinten liegen, obwohl sie diesmal doch alles richtig gemacht haben. Frühzeitige Festlegung auf einen Kanzlerkandidaten. Ohne Chaos. Der Kandidat ist Partei-intern unumstritten, hat die besten demoskopischen Werte aller Sozis in der Gesamtbevölkerung, seine Kompetenz ist unumstritten. Die S-Bundesminister leisten fast durchweg ausgezeichnete Arbeit, die C-Minister versagen fast ausschließlich.

Aber 17%, da gibt es keine zwei Meinungen, sind noch ein Stückchen von Gerhard Schröder 1998er 41%-Regierungsauftrag entfernt.

Dabei lassen sich 1998 und 2021 durchaus vergleichen; denn in beiden Fällen neigt(e) sich eine 16-Jährige lähmend-bräsige CDU-Kanzlerschaft ihrem Ende zu.

Glücklicherweise lassen sich Umfragedaten immer auch mit einem anderen Spin versehen. Mit einigen virtuosen Relationen erscheinen 17% durchaus positiv.

Immerhin ist der Abwärtstrend gestoppt.

Im gesamten zweiten Halbjahr 2019 lagen die Grünen stabil über 25%, kroch die SPD bei 13%. Die Grünen waren doppelt so stark wie die Sozis, träumten davon in einer grünschwarzen Habeck-Söder-Koalition als Seniorpartner den Kanzler zu stellen.

Der grüne Vorsprung ist im Februar 21 fast vollständig dahin. Rote und Grüne liegen gleichauf; er von beiden stärker durchs Ziel gehen wird, läßt sich noch nicht abschätzen.

Zwei Jahre vor den Bundestagswahlen schwebten die Grünen im inhaltslosen Raum, während sich die SPD mit praktischer Politik für die Bürger mühte.

Im  Wahljahr dämmert Teilen des Urnenpöbels aber offensichtlich die Notwendigkeit von konkreten Ideen und Plänen.

Schon haben die Sozis sich Umwelt- und Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben; weil die Grünen ihre ursprüngliche Kernthematik a priori ihren geliebten CDU/CSU-Koalitionen opfern.

Hinzu kommen schwere parteitaktische Fehler aus der 2020 großzügig erweiterten Grünen-Zentrale.

Annalena Baerbock wetterte in der jüngsten Anne-Will-Sendung populistisch für Schulöffnungen – „wir verlieren unsere Kinder“ – an die Adresse des anwesenden Olaf Scholz.

Ein klassisches Eigentor der Obergrünen. Der Bund hat keine Zuständigkeit für Schulen. Bildungspolitik ist Ländersache. In zehn von 16 Bundesländern regieren aber die Grünen.

Noch schädlicher dürfte die von den Hamburger Grünen angefachte Debatte um Baugenehmigungen für Eigenheime sein. Die Grünen wollen keine Baugenehmigungen mehr für Einfamilienhäuser erteilen. Der Bundestagsfraktionsvorsitzende Hofreiter unterstrich diese Ansicht im SPIEGEL-Gespräch – unterstützt vom Linkenchef Riexinger.

Es ist die klassische „5 DM für den Liter Sprit“-Falle. Es ist sachlich und ökologisch richtig auf Mehrfamilienhäuser zu setzen.

Aber es ist politisch unklug so etwas ausgerechnet im Wahljahr heraus zu posaunen. Der Traum vom Eigenheim ist der klassische deutsche Fetisch; womöglich sogar noch wichtiger als das Recht auf sinnloses Autobahn-Rasen. Zudem sind die Grünen-Wähler inzwischen so wohlhabend, daß sich unter ihnen der höchste Prozentsatz von Immobilienbesitzern befindet.

Außerdem haben die Grünen einen weiteren Effekt nicht bedacht – wenn ihrem Wunsch gemäß keine Baugenehmigungen mehr für Einfamilienhäusern erteilt werden, bedeutet das automatisch einen gewaltigen Wertzuwachs für die bestehenden Einzelhäuser. So werden Reiche schlagartig noch reicher und der Immobilienmarkt wird sich noch dramatischer von den finanziellen Möglichkeiten der Wohnungssuchenden entfernen.

Begeistert stürzen sich die Schwarzen auf die Grüne Eselei und haben nach dem Veggie-Day wieder ein populistisches Wahlkampfelement gefunden.

[…..] Da nütze es den Grünen auch nichts, dass Hofreiter im Interview klar macht, dass er nicht für ein Verbot von Einfamilienhäusern ist. Der Streit darum reicht bereits. „Es ist ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt diese Debatte anzufangen“, so Wiesendahl.  „Wir haben Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Das sind Häusle-Bauer-Länder. Das heißt, Hofreiter trifft dort einen bürgerlichen Kern von Wählern, die sicherlich durch diese Debatte abgeschreckt werden.“    […..] So twitterte der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, mit Blick auf das Hofreiter-Interview: „Dieser familienfeindliche Vorschlag ist nun auch im Herzen der Bundes-Grünen angekommen. Muss man wissen.“ Hofreiter zeige „exemplarisch für die Grünen deren gestörtes Verhältnis zum Eigentum und der Lebensrealität im ländlichen Raum“, ätzte der thüringische Landesvorsitzende Christian Hirte (CDU). […..]

(MoPo, 16.02.2021)

Und so liegen die Grünen nicht mehr auf Augenhöhe mit der CDUCSU, sondern mit der SPD.

Die Union ist demoskopisch enteilt. Das liegt weitgehend an Angela Merkel, die von vielen SPD-Wählern geliebt wird, die aber nicht mehr antritt.

Ihr Pandemie-Handling wird immer kritischer gesehen; insbesondere weil die anderen C-Größen Seehofer, Spahn, Altmaier und von der Leyen so extrem versagen.

Was ist eigentlich, wenn den Wählern bewußt wird, in der Bundestagswahl nicht zwischen Merkel und Scholz, sondern zwischen Habeck, Scholz und mutmaßlich Laschet auswählen zu müssen.

Bundeskanzler Laschet?    Der NRW-Ministerpräsident wird vom ultrakonservativen homophoben Dunkelkatholiken und Opus-Dei-Schüler Nathanael Liminski geleitet; eine schockierende Tatsache, die den meisten Wählern noch gar nicht bewußt ist.

(….) Hat man [Hendryk Broder] allerdings zufällig auf seiner Seite, sind seine Formulierungen ein absoluter Genuß.
Wenn er in seiner ruhigen Art in einer Talkshow sitzt und anwesenden Bischöfe zur Weißglut bringt, gefällt mir das natürlich.

Unvergessen, als er im Februar 2009 in Illners Schwatzrunde die „affirmative Schleimerei“ des Papst-Bewunderers Nathanael Liminski (23) von der "Generation Benedikt" beklagte.

Der anwesende Bischof (ich glaube es war Jaschke) warf ihm vor den „interreligiösen Dialog“ zu sabotieren, worauf Broder entgegnete er müsse sich diesbezüglich keine Vorhaltungen machen lassen, er führe den „interreligiösen Dialog“ jeden Tag, da er mit einer Katholikin verheiratet sei - das solle der Bischof ihm erst einmal nachmachen. (…..)

(Tammox I, 14.08.2010)

Will man einen von Liminski gesteuerten Laschet wirklich als Kanzler?

Armin Laschet ist ganz offensichtlich intellektuell dabei überfordert sein Bundesland durch eine Pandemie zu steuern.

[….] Wenn Angela Merkel auf Kritik angesprochen wird, antwortet sie mit einem langen Satz, an dessen Ende man nicht mehr weiß, was die Kritik war. Wenn Gerhard Schröder, ihr Vorgänger als Kanzler, auf Kritik angesprochen wurde, tat er gern so, als kenne er den Namen des Kritikers gar nicht: Bitte wer? Wenn Armin Laschet sich mit Kritik konfrontiert sieht, wirkt er, als hätte man ihn persönlich beleidigt.    Kürzlich platzte ihm in einer Videokonferenz mit Merkel und den anderen Ministerpräsidenten der Kragen. Sein Parteifreund, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, hatte angeregt, die Geschäfte noch länger geschlossen zu lassen, Laschet wollte sich gar nicht mehr einkriegen, bis die Kanzlerin ihn beruhigte: "Armin, alle können sehen, wie du dich aufregst."   Doch auch auf Merkel reagierte Laschet in dieser Schalte gereizt. Als sie, wieder einmal, die wissenschaftlichen Kriterien referierte, an denen man die Entscheidung über Lockerungen festmache, unter anderem die sogenannte R-Zahl, fragte Laschet: "Was ist jetzt wieder dieses R?", so wird er von Teilnehmern zitiert. [….]

(DER SPIEGEL, 02.05.2020)

Neun Monate und viele Zehntausende Tote später scheint Ministerpräsident Laschet immer noch nicht mit den simpelsten Pandemie-Kernbegriffen vertraut zu sein und plappert sich populistisch um Kopf und Kragen.

Der Mann, der schon während eines Telefoninterviews in einen Hotel-Pool plumpste und vertuschte, daß er die Hausarbeiten seiner Studenten verloren hatte, indem er sich einfach Zensuren ausdachte und dabei auch Diejenigen bewertete, die gar nicht bei der Klausur anwesend waren, ist privat ein bißchen schusselig.

So ein Tapsigkeit mag bei einem netten alleinstehenden Nachbarn ganz sympathisch sein. Wenn er allerdings auch erzkatholischer Religiot ist und das größte Bundesland mit ähnlichen Fehlleistungen regiert, wird es brenzlig.

Der soll Bundeskanzler werden?

Der Mann mäandert sinnfrei durch eine myriadenfach tödliche Pandemie.

[….] Heute so, morgen so  […..] Vor Kurzem rief Armin Laschet noch zur Vorsicht im Umgang mit Corona auf – jetzt klagt er über vermeintlich erfundene Grenzwerte und warnt davor, Bürger wie »unmündige Kinder« zu behandeln. […..] Im Parlament in Düsseldorf verteidigt der NRW-Ministerpräsident den jüngsten Deal. Immer mal hatte Laschet – vor allem während der ersten Corona-Welle – so agiert, als sei er der liberalste Pandemiebekämpfer Deutschlands. Damals rieb er sich an der Kanzlerin, am bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und an all jenen, die auf eine besonders strenge Linie drängten.   An jenem Donnerstag aber ist Laschet der Mahner.   Man wisse nicht, wie die Virusmutationen am Ende wirkten, sagt der neugewählte CDU-Chef. »Deshalb ist die Vorsicht weiterhin das Richtige, was wir in diesen Tagen tun.« Und was ist mit den Rufen nach langfristigen Öffnungsstrategien? Es sei »eine Illusion«, sagt Laschet, »zu glauben, man könnte das Schritt für Schritt so planen«.  […..] Vier Tage später, Montag, wieder ein Laschet-Auftritt.  […..] Laschet ist jetzt der Lockerer.   […..] »Populär ist, glaube ich, immer noch die Haltung, alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder«, beklagt Laschet.   Aber: »Wir können unser ganzes Leben nicht nur an Inzidenzwerten abmessen.«   Auch hier mahnt er abermals Vorsicht an – sagt allerdings dann: Genauso müsse man »all die anderen Schäden« im Blick haben – für die Gesellschaft, die Wirtschaft, für Selbstständige oder die Kultur.

Laschet klingt nun wieder wie früher. Nur: Was gilt denn nun?   […..] SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wirft Laschet einen »Schlingerkurs« vor. »Armin Laschet legt die gefühlt 50. Wendung in seiner Corona-Politik hin und gibt jetzt den großen Kritiker der Politik, die er doch eigentlich selbst mitträgt«, sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. […..]

(SPON, 16.02.2021)

Die mächtige rechts-neoliberale Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) wird angesichts des debakulierenden Vorstellung ihrer CDU-Freunde so nervös, daß sie viel Geld in die Hand nimmt, um heute in extrem teuren ganzseitigen Anzeigen vor Olaf Scholz zu warnen.

Wenn die INSM vor dem SPD-Kandidaten zittert, bin ich als Sozialdemokrat zufrieden. Es ist ein Ritterschlag und bedeutet „alles richtig gemacht“.

Noch ist die Bundestagswahl 2021 nicht verloren für die SPD.