Dienstag, 17. Juli 2018

Tut sich etwa doch noch was?


Gestern Abend als ich den Blogartikel über Trumps Helsinki-Auftritt verfasste, war ich mir einer Sache sicher, die schon seit zwei Jahren wie ein ehernes Gesetz gilt:
Nichts und niemand kann Trump-Anhänger dazu bringen sich von ihm abzuwenden.
Er ist als 3.000-facher Lügner überführt, preist Päderasten, kann seine zentralen Versprechen nicht einhalten, ist als Rassist und sexuell Übergriffiger überführt. Er ist faul, dumm, ruiniert das Ansehen Amerikas in der Welt und bereichert sich ungeniert. Er setzt auf eine nepotistische Dilettantentruppe, macht das Amt lächerlich und verprasst in nie dagewesenem Ausmaß „taxpayers money“ für seine Privatvergnügungen.
Zu den Dingen, die ich Trump tatsächlich glaubte, gehörte seine Prahlerei er könne jemand auf der 5th Ave in den Kopf schießen und würde dennoch von seinen Fans gefeiert.


Helsinki schien den Trumpismus zu bestätigen: Desaströse Außenpolitik, Zerstörung der Beziehungen zu den engsten Alliierten, ungeniertes Ranrobben an Diktatoren und anschließend Lob einheimsen bei FOX, während die Demokraten sich empören und die Republikaner devot den Mund halten.
Sofern Trump nicht über Nacht schwarze Hautfarbe bekäme, würden sie immer zu ihm halten.

Ich glaube auch immer noch nicht an ein Impeachment.
Die GOP von heute ist nicht mehr die Partei Nixons – knochenkonservativ, aber mit durchaus auch anständigen Personen besetzt, die sich ernsthaft darum bemühen ihrem Land zu dienen.
Diese Partei gibt es nicht mehr.
Über ein moralisches Rückgrat verfügt niemand mehr.
Nach zehn Jahren Teebeutel-Unterwanderung sind die Konservativen von Leuten ersetzt worden, die in erster Linie Vollidioten sind – und nebenher konservativ.
Außer denen, die ohnehin wie McCain dem Tode nahe sind oder wie Flake und Ryan bereits ihren endgültigen Ausstieg aus der aktiven Politik verkündet haben, traute sich niemand Trump direkt unter Nennung seines Namens anzugreifen.


Die ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner Sarah Palin sitzt nicht in der Gummizelle, in die sie gehört, sondern ist immer noch eine politische Ikone.
Als Trump Putin seine größten Wünsche auf einem Silberteller präsentierte – Spaltung des Westens, Schwächung der NATO, diplomatische Aufwertung Russlands – stützte Palin angeblich den potus.

[…..] But Trump has his supporters in the United States including well-known American quarter-wit Sarah Palin.
In an interview with right-wing One America News Network (OANN,) Palin joined Trump in bashing NATO.
“America is spending too much money defending a bunch of elitist Europeans, who look down their noses at us,” said Palin. “What has NATO ever done for us? Where were they in World War II, when America defeated the Nazis.”
Palin fails to understand that NATO was created after World War II to deter potential Russian aggression in Western Europe. [….]

BS-News als Quelle? In diesem Fall handelt es sich zwar um Satire, aber bezeichnenderweise kann man die radikalste Satire gar nicht mehr von der Trump-Realität unterscheiden.
Hätte der US-Präsident die fehlende Solidarität der NATO im Kampf gegen Hitler beklagt, würde das inzwischen niemand mehr für einen Scherz halten.
Trump gibt tagtäglich derartig hanebüchene Sprüche von sich, daß man ihm buchstäblich alles zutrauen muss.

Deswegen waren die ersten europäischen Reaktionen auf das Trump-Putin-Treffen auch voller Erleichterung. Trump hat nicht die Sanktionen gegen Russland aufgehoben, er ist nicht aus der NATO ausgetreten oder kündigte an den §5 zu ignorieren.
All das war durchaus vorstellbar bei Trumps geradezu höriger Bewunderung für den russischen Präsidenten.


Als ich aber nachts mit quadratischen Augen vor CNN und Co saß, war ich doch überrascht über die Heftigkeit der Attacken auf #45.
Eine ganze Parade höchstrangiger Geheimdienstler der USA wagte sich vor die Kameras und drosch derart empört auf Trump ein, daß ich mich erstmals fragte, ob ich in meinem privaten kleinen Tagebuch-Blog nicht viel zu mild auf Trump blicke!


Lieutenant Colonel ret. Ralph Peters, langjähriger FOX-Militäranalyst, bebte geradezu vor Empörung über Trump.

“Today, we watched an American president grovel, grovel before the leader of the most hostile foreign power in the world, licking his boots.”


Der typische FOX- und Trump-Fan schert sich nicht darum, wenn sich die Opfer von Trumps Tiraden anschließend beklagen.

Misogyne und rassistische Attacken des Präsidenten sind ihnen herzlich egal, weil sie Frauen, Kinder, LGBTI und People Of Color ohnehin nicht respektieren.

Da nun aber die Beleidigten und Empörten höchste Militär und Geheimdienstler sind, mächtige weiße Topverdiener, die im allgemeinen GOPer Narrativ als Helden gelten, scheint sich das Blatt tatsächlich ein bißchen wenden.




Trumps Partei – abgesehen von den genannten ohnehin Bald-Aussteigern – ist immer noch rückgratlos-zahm. Gingrich, der Molch fordert nicht etwa ein Impeachment, sondern eine verbale Klarstellung von Trump.
Also nichts, das einen Mann, der sich selbst ohnehin ständig konterkariert irgendetwas kostet.
Aber immerhin kroch Trump heute tatsächlich zu Kreuze.
Die Kritik zu Hause war offensichtlich deutlicher heftiger als er dachte. Falls er überhaupt irgendwas dachte. Denn statt sich auf den Gipfel vorzubereiten, hatte er ja lieber zwei Tage auf seinen eigenen schottischen Plätzen Golf gespielt.

[….] US-Präsident Donald Trump hat nach heftiger Kritik wegen seiner Haltung beim ersten Gipfel zwischen ihm und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eingeräumt, dass sich Russland in die US-Wahl 2016 eingemischt hat. Er akzeptiere entsprechende US-Geheimdienstinformationen, sagte Trump nach Angaben des Senders Fox News und anderer Medien am Dienstag im Weißen Haus in Washington. [….]
(SPON, 17.07.18)

Unnötig zu erwähnen, daß die gesamte amerikanische Opposition auf ganzer Linie versagte.
Die demokratischen Geronten schafften es noch nicht mal irgendeine Medienpräsenz zu generieren, geschweige denn eine schlagkräftige Anti-Trump-Strategie zu präsentieren.
Unnötig zu erwähnen, daß die übergroße Mehrheit der Republikaner ein moralischer Totalausfall ist und noch immer nicht Trump fallenlassen wird.

Aber die amerikanische Presse lebt und immerhin konnten sich die gestern unter den Bus geworfene „Intelligence-community“ wortstark in Szene setzen und so einen Druck auf Trump generieren, daß dieser einlenken mußte.


Gerade die mutigen Fragen der US-Journalisten bei der PK in Helsinki zeigten weswegen eine freie Presse so wichtig ist. Zeigten wieso Trump und Putin so stark gegen missliebige Journalisten vorgehen.
Die Demokraten, die europäischen Regierungen, die NATO, sie alle konnten Trump nichts anhaben. Aber die Medien haben ihm gestern schwer zugesetzt.

Natürlich pöbelte und log er auf Twitter weiter.


Juli 2018

Es bleibt abzuwarten, wie stark die neue Empörung über Trump bis zu den Midterms im November aufrechterhalten werden kann.

Medien, Graswurzelbewegungen, Militärs, Geheimdienstler, Celebrities sind gefragt.
Die amerikanische politische Klasse hingegen ist ein einziges Trauerspiel, die einen Präsidenten, der Verrat an Volk und Nation begeht achselzuckend mit auf Sandkorn-Größe geschrumpften Hoden einfach weitermachen lässt.

[….] In der amerikanischen Verfassung gibt es die sogenannte Treason Clause. Artikel III, Absatz 3. [….] Die Strafe ist drastisch: Ein überführter Verräter, so steht es in einem Bundesgesetz, "shall suffer death".
[….] Politisch gesehen, war Trumps desaströser Auftritt in Helsinki genau das: Verrat. Und das gleich dreifach.
[….] Trump hat, erstens, all jene verraten, die sich jeden Tag bemühen, Amerika vor gegnerischen Attacken zu schützen. [….] Dass er der Welt erzählt, er glaube dem früheren KGB-Mann Putin mehr als seinen eigenen Mitarbeitern, ist ein spektakulärer Vertrauensbruch, ein Verrat an Amerikas Sicherheit.
Trump hat, zweitens, Amerikas Demokratie verraten. Putins Dienste haben während des Wahlkampfes übers Internet Hass, Misstrauen und Angst in den USA geschürt. [….] Diese Einmischung in die Wahl war ein feindseliger Akt Russlands gegen die amerikanische Demokratie, völlig unabhängig davon, ob oder wie erfolgreich die Russen waren. Doch Trump ist unfähig, das zu sehen und zu sagen. [….]
Drittens hat Trump den Westen verraten. [….]
Das alles ist tragisch und bitter. Aber es ist das, was man von Donald Trump erwartet. Noch bitterer ist das feige Wegducken all der Leute in Washington, die wissen, was der Präsident anrichtet, und die aus Angst oder Opportunismus wegschauen und weiter mit oder für ihn arbeiten. Sie sind die Komplizen eines Verräters. [….]