Daran
kann ich mich auch noch erinnern.
Jimmy
Carter war uns ja als Präsident immer etwas suspekt. War halt vorher
Erdnuss-Farmer aus Georgia und dann auch noch so unfassbar fromm.
Wie schwer
genervt Bundeskanzler Schmidt von ihm war, ist legendär.
Carter
war nicht sachorientiert, sondern sah alles durch seine christliche Brille.
Dabei
kam er offensichtlich während seiner Gebetssessions auch immer wieder zu
anderen Ergebnissen und hielt sich nicht an Abmachungen.
Wenn
solche Leute wie Carter die Weltpolitik bestimmen, wird es schwierig für ihre
Partner.
Helmut Schmidt
erläuterte das im Jahr 2008 noch einmal am Beispiel des westlichen Boykotts der
Olympischen Spiele in Moskau 1980.
Schmidt:
An unsere Situation erinnere ich mich
sehr genau. Kurz nach Weihnachten 1979 war die Sowjetunion in Afghanistan
einmarschiert. Ich hörte, dass es in Washington Stimmen gab, die zur Strafe die
Olympischen Spiele in Moskau boykottieren wollten. Ich hielt das für dummes
Zeug und rief den amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter an. Er sagte, da sei
nichts dran. Daraufhin habe ich den deutschen Sportverbänden gesagt: Ihr könnt
fahren. Nach nicht allzu langer Zeit rief mich Carter an und sagte, er hätte
seine Meinung geändert, die Amerikaner würden nicht nach Moskau fahren – und
wir sollten das auch nicht.
ZEIT:
War das ein Befehl?
Schmidt:
Er hat auf alle Nato-Partner in Europa
Druck ausgeübt – auch auf die Engländer und die Franzosen. Die haben aber
gesagt: "Ihr könnt uns mal", und sind trotzdem gefahren. Nur drei
haben nachgegeben. Das waren die Länder, die an ihrer Grenze unmittelbar mit
der sowjetischen Militärmacht konfrontiert waren, nämlich Norwegen, die Türkei
– und die Bundesrepublik.
ZEIT:
Hatten Sie wirklich keine Wahl?
Schmidt:
Ich hatte zu der Zeit ohnehin erhebliche
Auseinandersetzungen mit den Amerikanern – denken Sie nur an den Konflikt über
die Neutronenbombe oder über die Finanz- und Währungspolitik – und kam mit
großen Bauchschmerzen zu dem Ergebnis, dass wir Deutsche uns einen zusätzlichen
Konflikt mit Amerika nicht leisten können.
ZEIT:
Aber Sie finden den Boykott bis heute
falsch?
Schmidt: Es hat nichts gebracht. Die russischen Fernsehzuschauer haben gar nicht gemerkt, dass ein paar Staaten gefehlt haben.(Zeit, 10.04.2008)
Wer
hätte gedacht, daß es noch viel schlimmer kommen konnte, und dieser
Western-Schauspieler auf Carter folgen würde.
Ronald
Reagan und George H. Bush verachtete ich wegen ihrer Außenpolitik über alle
Maßen. Das waren echte Krieger, die skrupellos kleinere Länder angriffen und
mit SDI sogar das All mit Atomwaffen bestücken wollten.
Was für
ein relief, als 1992 der junge Bill Clinton gewählt wurde.
Vermutlich
weil ich den jungen Starjuristen aus Arkansas mochte, der sich als junger Mann
dem Krieg verweigert und stattdessen in Europa mit linken Studentengruppen
rumzog, war ich irritiert, als er ebenfalls dieses „God bless America“ von sich
gab.
„Sag
mal, hast Du das auch gehört? God bless America? Wieso macht Clinton das denn“
fragte ich meine Mutter damals am Telefon.
Wir
kamen zu dem Schluss, daß es sich dabei offenbar um eine Art Wahlkampftaktik
handeln müsse. Clinton galt damals als so links und unerfahren, daß er diese „moral
majority“, die sich damals formierte, nicht verschrecken wollte.
Bizarre
Sache.
Aber das
würde sicher auch wieder vergehen. Die Clintons waren verglichen mit ihren
Vorgängern tatsächlich enorm progressiv. Hillary sollte eine allgemeine Krankenversicherung
durchdrücken und Bill besuchte als erster US-Präsident eine
Schwulen-Veranstaltung.
Das würde
sich diese alberne Gottes-Rhetorik auch schon wieder aus seinen Ansprachen
verabschieden.
Bekanntlich
kam es anders.
"And may God bless America" - Bill Clinton, "And God
bless America" - George W. Bush, "God bless you and God bless the
United States of America" - Ronald Reagan, "And may God bless the
United States of America" - Barack Obama, "And may God always bless
and strengthen this great nation, the United States of America. Thank you and
God bless you all" - Marco Rubio
Susan Jacoby kann es nicht mehr hören. Ganz gleich, welcher
Partei sie angehören, hält ein US-Politiker eine gewichtige Rede, dann endet
diese fast unweigerlich mit einem
"God bless America ", Gott segne Amerika.
GWB,
Schande über ihn, zettelte ungeniert illegale Angriffskriege an, während er im
Kabinett Bibelstunden abhielt und verkündete Gott spreche mit ihm.
Inzwischen
ist die gesamte Amerikanische Politik total verfrömmelt.
Kandidaten
aller Parteien versuchen sich gegenseitig mit ihrer Gottesfürchtigkeit zu
übertreffen. Die amerikanische Verfassung, die gerade keine Verquickung von
Kirchen und Staat zuläßt, wird dabei einfach ausgehebelt.
Republikaner
behaupten viel mehr völlig ungeniert die constituion fuße auf der Bibel.
Das ist
zwar eine glatte Lüge, aber wen stört das heute noch?
Insbesondere
die GOPer rücken seit 20 Jahren kontinuierlich nach rechts, hin zu den
radikalen Evangelikalen, welche die Bibel wörtlich verstehen.
Konservative
Christen vermehren sich viel schneller als durchschnittliche Amerikaner und da
sie ihre Blagen homeschoolen, werden sie von Generation zu Generation radikaler.
Säkulare und Liberale hingegen lassen sich scheiden, verhüten, praktizieren
gleichgeschlechtlichen Sex, lassen Frauen Karriere machen. Da werden also
weniger Kinder geboren.
Man kann
also leicht ausrechnen wie lange es dauern wird bis alle Amerikaner
strenggläubige Evangelikale sind.
Davon
gehen die republikanischen Präsidentschaftskandidaten bereits aus und drehen
die Uhrzeit um 200 Jahre zurück.
Abtreibung, Homosexualität, Verhütung – all das soll radikal bestraft werden. Evolution und Klimawandel gelten als Hoax.
Abtreibung, Homosexualität, Verhütung – all das soll radikal bestraft werden. Evolution und Klimawandel gelten als Hoax.
So
ähnlich stellen sich das auch die ultraultraorthodoxen Juden in Israel vor.
Sollen die liberalen Hippies in Tel Aviv ruhig beim CSD rumtanzen – auf Dauer
wird es ihnen nichts nutzen, wenn jede ultraultraorthodoxe Jüdin zehn Kinder
und hundert Enkel bekommt.
In wenigen
Generationen sollten die Superreligiösen eine gewaltige Mehrheit stellen.
Erstaunlicherweise
geht diese Rechnung aber weder in Amerika noch in Israel auf. Die streng evangelikale
und die ultraultraorthodoxe Lebensweisen sind zu unattraktiv und zu
offensichtlich bigott.
Es
werden eben nicht alle Kinder aus diesen Sippen wieder genauso religiös,
sondern viele wenden sich ab.
Selbst
Amish und Hutterer, denen es über Jahrhunderte gelang ihre Kultur durch
radikale Abschottung zu konservieren, sind inzwischen durch das Internet schwer
gefährdet.
Verständlich.
Wer will sich noch ohne Strom, Telefon und Waschmaschine abmühen, wenn nebenan
jeder Teenager Klugtelefon und Auto besitzt?
Anders
als Carter und Reagan können also heutige Frömmler wie Cruz und Rubio, die sich
schriftlich zur radikalen Bekämpfung der Homosexualität verpflichtet haben, nicht
mehr ein ganzes Land auf ihre Seite ziehen.
Immer
noch dürfte die Majorität der Amerikaner recht indolent und uninformiert sein,
aber der gesellschaftliche Fortschritt ist doch unmerklich so weit durch die
Ritzen des Internets diffundiert, daß es auf Bundesebene klare Mehrheiten für Haschischfreigabe
und Homoehe gibt, daß Erderwärmung als Tatsache akzeptiert wird.
Das
Problem an den Religioten ist aber, daß sie wie üblich viel lauter, rabiater,
reicher und organisierter als die Atheisten sind.
In
Deutschland gibt es grob gesagt jeweils gut 30% Katholiken und Evangelen. Dem stehen
aber nahezu 40% Atheisten gegenüber. Wir sind eine relative Mehrheit.
Der
Organisationsgrad der Säkularen ist allerdings so erbärmlich gering, daß sie
gegenüber der kleineren Gruppen der Kirchisten lobbymäßig untergehen.
Die Kirchen
beider Konfessionen sind jeweils viele hundert Milliarden Euro schwer. Die
Atheisten haben gar nichts.
Kirchen haben jeweils über 20 Millionen
Mitglieder, bei gbs oder IBKA tummeln sich wenige Hundert Mitglieder.
So kommt
es, daß die größte Glaubensgruppe in Deutschland de facto nicht öffentlich
repräsentiert wird.
Wir
werden nicht in Talkshows geladen, erhalten keine Staatsdotationen, sitzen nicht in Rundfunkkommissionen
oder Ethikräten.
Kein einziges
Mitglied der Bundesregierung ist Atheist.
Ein
ähnlich verzerrtes Bild bietet sich in den USA.
Es gibt
je nach Schätzung 35 bis 50 Millionen Atheisten in Amerika.
Sie sind
damit annähernd so zahlreich wie die politisch so unfassbar mächtige Gruppe der
Evangelikalen. Im Präsidentschaftswahlkampf werden sie aber überhaupt nicht
berücksichtigt.
Es
konnte bekanntlich ein Schwarzer Präsident werden. Womöglich folgt bald eine
Frau. Ein Jude ist möglich. Ein Mormone hätte es 2012 schaffen können. Selbst
ein Schwuler ist nicht mehr ausgeschlossen.
Ein
Atheist hat aber (noch) gar keine Chance auf den potus-Job.
Auf die Frage, wie
wichtig es für einen US-Präsidenten sei, gottesfürchtig zu sein, antwortete Ted
Cruz andächtig: Ein Präsident müsse seinen Tag betend auf den Knien beginnen,
sonst habe er nicht das Potenzial die USA anzuführen.
Cruz wörtlich: "Any president, who doesn’t begin every day on his
knees, isn’t fit be to be commander in chief of this country. – Amen! Amen!"
Und auch sein Republikanerkollege
Marc Rubio findet, dass man gar nicht oft genug in die Kirche gehen könne. Dass
es mit der Nominierung am Ende nicht geklappt hat, ist dann auch schnell
erklärt: Gott habe andere Pläne für ihn gehabt, als das Amt des Präsidenten.
[….]
Niemand will den Stempel Atheist
aufgedrückt bekommen, sagt [Autorin und Pulitzer Preis-Finalistin] Susan Jacoby, selbst wenn er einer ist.
Denn Atheismus hat in den USA - anders als in vielen anderen Ländern, einen
negativen Beigeschmack.
[….]
"In Europa kann man als Atheist auch
Staatschef werden. Das ist den Leuten egal. Ein atheistischer US-Präsident ist
derzeit noch undenkbar. Die Statistiken sagen, dass Atheisten sehr viel
unbeliebter sind."
[….] Atheistische
Organisationen sind klein und in der Regel schlecht finanziert. Sie haben keine
Sprecher, keine Anführer, die Atheismus auslegen. Sie haben keine Päpste,
Rabbiner oder Imame. Jacoby spricht von einem PR-Problem. Deshalb bemühe sich
kaum ein Politiker offiziell um diese Wählergruppe. Dabei liegen die
Konfessionslosen in den Vereinigten Staaten inzwischen nur noch knapp hinter
den evangelikalen Christen. 36 Millionen sind es laut PEW Forschungszentrum,
Tendenz steigend. [….]