Donnerstag, 27. Juni 2019

Deswegen SPD


Im Bundestagswahlkampf 2013 – also vor sechs Jahren – wußten schon alle beteiligten Politiker und Journalisten, daß eine Anti-Ausländermaut völliger Unsinn ist, gegen EU-Recht verstößt, keine Lenkungsfunktion entwickeln wird, ein Bürokratiemonster schaffen würde und zudem durch den Aufwand viel mehr kosten würde als sie einbringt.
Frau Merkel sagte am 01.09.2013 unmissverständlich in der Kandidatendebatte „Mit mir wird es keine Maut geben“.


Zur Bundestagswahl gibt es aber nie die CDU allein, sondern nur im Doppelpack mit ihrer Schwesterpartei, die dadurch im Bundeskabinett stets grotesk überrepräsentiert ist.
Diese südlichen Barbaren lieben nicht nur Rechtspopulismus, sondern haben eine regelrechte Abneigung gegen Regeln des Rechts.
Ihre Gesetze und Politikvorstellungen sind üblicherweise verfassungswidrig oder zutiefst schwachsinnig – Bayerische Grenzschutzeinheiten, „Supergrundrecht  Sicherheit“, Herdprämie, Ausländermaut.

Der ganze Murx musste von Gerichten kassiert werden, weil Seehofer, Söder, Dobrindt und Scheuer hartnäckig ihre Abstrusitäten verfolgten.


Wenn Gerichte einschreiten, um die CSU-Minister zu stoppen, ist das wichtig, um den politischen Schaden abzuwenden.
Aber die Bayern verursachen dennoch enormen finanziellen Schaden für die Bürger. CSU-Minister sind inkarnierte Veruntreuung.
Das Maut-Desaster zeigt überdeutlich wie wichtig es ist, daß zumindest die Hälfte der Bundesministerien mit SPD-Ministern besetzt sind.
Bis auf Frau Schulze können alle ihren Job. Auch wenn das keinen Effekt auf Umfragen hat und dem Wähler offensichtlich egal ist, so bewahrt es die Deutschen immerhin vor erheblichen Schaden, wie ihn Unionsminister anrichten.

  […..] Das Scheitern der umstrittenen Pkw-Maut wird auch finanziell zum Fiasko. Allein die Vorbereitungskosten für die Abgabe liegen nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums seit 2014 bei 53,6 Millionen Euro. Das geht aus einem Bericht an den Verkehrsausschuss des Bundestages hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Der Europäische Gerichtshof hatte die von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für 2020 geplante Einführung der Maut nach Klagen aus Nachbarländern gestoppt und sie als ausländerdiskriminierend eingestuft. […..]  Die bereits verlorenen Gelder sind nur ein Teil der finanziellen Folgen des Debakels. Im Etat des Bundesverkehrsministeriums klafft durch das Maut-Aus in den nächsten Jahren eine enorme Lücke. Es fehlten wichtige Einnahmen für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, heißt es in dem Schreiben weiter. "Im Finanzplanungszeitraum war hierfür bisher zusätzlich rund eine Milliarde Euro veranschlagt." […..]

Da es sich erneut um einen CSU-Bundesminister handelt, gibt es keinerlei Plan B, sondern nur Chaos und Erbärmlichkeit. Und selbstverständlich keinerlei Verantwortungsübernahme. Obwohl es Scheuer persönlich war, der diese Kosten verursachte, zieht er keinerlei Konsequenzen.

[…..] Im Streit um die finanziellen Folgen der gescheiterten Pkw-Maut hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Mittwoch im Bundestag harte Kritik vom eigenen Koalitionspartner und der Opposition zu hören bekommen. Der Minister habe es zu verantworten, "dass die Maut für den Steuerzahler ein unglaubliches Folgefiasko ist", sagte Grünen-Fraktionsvize Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic monierte, Scheuer sehe Schuld bei vielen anderen, räume aber keine persönliche Verantwortung ein. […..] Scheuer steht heftig in der Kritik, seit der  Europäische Gerichtshof (EuGH) in der vergangenen Woche die 
beschlossene deutsche Pkw-Maut für rechtswidrig erklärte und damit   stoppte. Die Maut sollte eigentlich im kommenden Jahr starten. Scheuer räumte bereits massive finanzielle Folgen ein. Im Verkehrsetat fehlen bis 2023 Einnahmen von einer Milliarde Euro. Über 50 Millionen Euro Vorbereitungskosten für die Maut muss die Regierung abschreiben. Hinzukommen können hohe Entschädigungen für die Betreiberfirmen.
Opposition und auch die SPD werfen Scheuer nun vor, schon Ende 2018 Verträge mit den Maut-Betreibern Kapsch und CTS Eventim geschlossen zu haben, ohne das Urteil abzuwarten. Die Verträge hat der Bund nach dem Urteil in der vergangenen Woche noch am selben Tag gekündigt. Dennoch könnten daraus millionenschwere finanzielle Ansprüche der Firmen folgen. […..]

Es sagt viel über die Urteilskraft der deutschen Wähler aus, wenn diese schädliche CSU in Bayern bei 40% und die SPD bei 10% liegt.

In einer Koalition muss jede Partei Kompromisse eingehen. Je kleiner sie ist, desto mehr.
Üblicherweise ist es kaum möglich in die Arbeit der von anderen Parteien geführten Ministerien hineinzureden. Es sei denn, es ginge um grundsätzlich andere Weichenstellungen als im Koalitionsvertrag festgelegt.

Wenn jemand so dreist versagt wie Scheuer oder von der Leyen, kann die SPD immerhin einschreiten, wenn diese Unions-Pfeifen neuen Anlauf auf die Wand nehmen.

[….] Die SPD hat nach SPIEGEL-Informationen die Pläne des Verteidigungsministeriums für eine Agentur zur Entwicklung von Cyberwaffen für die Truppe vorerst gestoppt. Gemeinsam mit dem Innenressort will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Inhouse-Gesellschaft gründen, die Digitaltechnologien der freien Wirtschaft auf ihr militärisches Potenzial abklopfen und geeignete Projekte für die Cybereinheiten der Bundeswehr auswählen und finanzieren soll. [….] "Eine private Rechtsform ohne parlamentarische Kontrolle lehnen wir aus grundsätzlichen Erwägungen und erst recht nach den Erfahrungen mit privaten Beraterfirmen im Verteidigungsbereich ab", sagte der SPD-Verteidigungsexperte Fritz Felgentreu dem SPIEGEL. Bei der Berateraffäre waren bei mehreren ausgegliederten Inhouse-Gesellschaften der Bundeswehr, allen voran beim IT-Dienstleister BWI, Unregelmäßigkeiten bei Auftrags- und Budgetvergabe aufgedeckt worden. [….]

Die SPD-Minister regieren nicht nur gut, sondern sie müssen, wie man deutlich sieht auch kontinuierlich auf die Unionsminister aufpassen.
Die Groko zu verlassen ist daher keine Option.

(……) Was passiert, wenn die SPD die Groko verlässt?
Es gibt drei Möglichkeiten:

1.) Merkel einigt sich auf Jamaika, die sechs SPD-Minister Maas, Scholz, Barley, Giffey, Schulze und Heil werden durch drei FDPler und drei Grüne ersetzt.
Dann wäre Oberlobbyisten und Porschefahrer Lindner Vizekanzler und würde gewaltig die Sozialleistungen zusammenstreichen. Also wäre es eine klare Verschlechterung zum Ist-Zustand. Allerdings ist die Variante unwahrscheinlich, da Jamaika schon einmal scheiterte und die 20%-Grünen von heute sicher keine Lust haben mit weniger Macht als die FDP (BTW 10,7%), nämlich ihren mickrigen 8,9% in die Regierung einzutreten.

2.) Neuwahlen. Dafür gibt es aber hohe Hürden. Sie können nicht einfach so vom Bundestag angesetzt werden, sondern setzt eine gescheiterte Vertrauensabstimmung und entsprechendes Handeln des Bundespräsidenten voraus. Warum sollte Merkel so ein blamables Ende ihrer Kanzlerschaft mutwillig herbeiführen und damit auch auf die glanzvolle EU-Ratspräsidentschaft im Jahre 2020 verzichten? Zumal ein schlechteres CDUCSU-Ergebnis als 2017 zu erwarten ist. Warum sollte die SPD das in sicherer Erwartung dramatischer weiterer Sitzverluste mitmachen? Diese Option ist also auch sehr unwahrscheinlich.

3.) Da man Kanzler nur mit einem konstruktiven Misstrauensvotum abwählen kann, es weit und breit keine Mehrheit für einen anderen Kanzler gibt und sich Frau Merkel zudem in einem persönlichen Umfrage-Hoch befindet – sie ist die beliebteste Politikerin Deutschlands, eine übergroße Mehrheit möchte, daß sie bis 2021 im Amt bleibt – wird sie  mit einer Minderheitsregierung Kanzlerin bleiben und sich hauptsächlich von FDP und AfD aushelfen lassen.
Das ist die mit Abstand wahrscheinlichste Variante.
Die sechs SPD-Minister Maas, Scholz, Barley, Giffey, Schulze und Heil werden arbeitslos, die SPD verliert jeden Regierungseinfluss, stattdessen sucht sich Merkel sechs möglichst weit rechts stehende neue Unionsminister à la Spahn, Klöckner, Seehofer, die mit nationalistischer, xenophober, antieuropäischer, homophober und antiökologischer Politik um die Zustimmung der über 90 AfD-Parlamentarier buhlen. Die Rechtsaußen Merz, Ziemiak, Linnemann scharren schon mit den Hufen.

Alle drei Varianten sind aus linker Sicht eine klare Verschlechterung zur Groko.
Die wahrscheinlichste Variante (3) ist die Allerschlechteste. (…..)

Außer den Arbeitsbereichen der einzelnen Minister gibt es Kabinettsbeschlüsse und Angelegenheiten wie den Waffenexport, der vom Sicherheitskabinett nicht ohne SPD-Zustimmung funktioniert.
Die grünen Kühnert-artigen Fans eines vorzeitigen Endes der Groko nehmen damit in Kauf, daß Unionsminister allein entscheiden und die Regionen der Welt, in denen das größte Elend herrscht mit deutschen Killerwerkzeugen beliefern.
Eine höchst unethische Haltung.

Nur in der Koalition kann die SPD Leben retten, so wie es heute tat.

[….] Die Regierung ändert ihre Waffenpolitik: ein Verdienst der SPD.
Jeder, der sich fragt, wozu es die Sozialdemokraten noch braucht, kann sich womöglich daran aufrichten: Am Mittwoch verständigte sich das Kabinett auf schärfere Richtlinien für Rüstungsexporte. Das Liefern von Kleinwaffen in Drittländer außerhalb von Nato und EU soll ein Ende haben. Das ist ein großer Schritt. Denn es sind die Pistolen und Sturmgewehre, die am Ende in Bürgerkriegen die meisten Opfer fordern. Die SPD kann beanspruchen, die Welt ein kleines bisschen weniger gefährlich zu machen.
Das ist doch schon was. Die SPD hatte der Union dieses Verbot in den Koalitionsverhandlungen abringen müssen, und danach blockierte der Partner, wo es nur ging. Es heißt immer, die SPD könne in dieser Regierung kein Profil entwickeln. Die Rüstungsexportpolitik zeigt, dass das so nicht stimmt. Auf Drängen der SPD können vorerst bis Herbst keine Rüstungsgüter aus rein deutscher Produktion nach Saudi-Arabien mehr geliefert werden. Der Wert der Ausfuhren schrumpft, teils sogar drastisch. [….]

Natürlich sind die SPD insgesamt, das kommissarische Führungstrio und insbesondere das Willy-Brandt-Haus viel zu doof, um diesen großen Erfolg als solchen zu verkaufen. Die Umfragewerte werden sich also nicht bessern.
Aber dennoch ist der Erfolg der SPD real – auch wenn die Wähler zu tumb sind, um es zu bemerken.