[…..] Eine deutlich höhere Impfquote ist derzeit offenbar nicht sehr wahrscheinlich. Soeben hat das Bundesgesundheitsministerium eine Umfrage des Forsa-Instituts zur Haltung der Ungeimpften veröffentlicht. Demnach will die große Mehrheit dieser Gruppe auch ungeimpft bleiben: 65 Prozent geben an, sie würden sich in den nächsten zwei Monaten "auf gar keinen Fall" impfen lassen. Weitere 23 Prozent tendierten zu "eher nein". Nur zwei Prozent haben eine feste Impfabsicht, drei Prozent tendieren dazu. Sieben Prozent der Befragten sind unentschieden. Das Potenzial der deutschen Impfkampagne scheint vor dem Hintergrund dieser Daten nahezu ausgereizt zu sein - und die Hoffnung, die Impfquote noch relevant zu steigern, obsolet. Derzeit sind laut offizieller RKI-Statistik 77 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft, es wird angenommen, dass die reale Zahl leicht darüber liegt. Die Studie gibt auch Aufschluss darüber, warum Menschen eine Impfung ablehnen. Am häufigsten genannt wurden Sorgen um die Sicherheit der Impfstoffe: 74 Prozent der Ungeimpften sagten, sie hielten die Corona-Vakzine grundsätzlich für "zu wenig erprobt". Angst vor Impfschäden und Langzeitfolgen (von 62 Prozent genannt) und eine Ablehnung von mRNA- beziehungsweise Vektor-Impfstoffen (51 Prozent) sind maßgebliche Gründe. Die Studie zeugt auch von einem Bruch zwischen vielen Ungeimpften und politischen Entscheidungsträgern: 63 Prozent glauben, die Bundesregierung spreche "nicht ehrlich" über Corona, 67 Prozent finden den "Druck von außen" zu groß und wollen lieber "nach eigenem Ermessen handeln". […]
Das euphemistische Wort „Impfmuffel“ suggeriert, es handele sich um schlecht gelaunte oder desinteressierte Phlegmaten, die man doch noch irgendwie überzeugen könnte.
Das ist ein großer Irrtum. Wer noch nicht hat, will auch nicht mehr.
[….] Ähnliche Beobachtungen machte ein Team des TV-Formats „Galileo“: Es hatte in einem Experiment versucht, 90 Ungeimpfte auf verschiedenen Wegen vom Piks zu überzeugen. Das Ergebnis: Nur sieben ließen sich in der Sendung doch noch impfen.[….] Die Macher des Experiments versuchten Verschiedenes: So waren etwa Corona-Patienten eingeladen, von ihren schweren Verläufen und Long Covid berichteten. Doch statt Emotionen zu erwecken, führten die Schilderungen bei den Impfgegnern eher zu Ungläubigkeit. Auch Schauspieler, die sich als vermeintliche Impfgegner plötzlich „umentschieden“ und so eine Gruppendynamik erzeugen sollten, brachten Hardliner zu keinem Sinneswandel. Sogar Geldanreize bis zu 1000 Euro blieben wirkungslos. Nur zwei Teilnehmer ließen sich dann doch noch piksen – für die Aussicht auf einen 5000-Euro-Lotteriegewinn. [….]
In den drei Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen, sowie in Teilen BWs, haben wir gewaltige Inzidenzen von bis zu über 600 (Mühlheim am Inn), weil sie im sogenannten „Eso-Belt“ liegen.
Das sind Regionen enormer Aluhut-Dichte, in denen schon lange Homöopathen, Bachblüten-Enthusiasten, Heilpraktiker-Jünger, Reiki-Gläubige, Viren-Leugner , Algesiologie-Kunden, Esoteriker, radikal egomane Impffeinde und Leerdenker aller Couleur um die Blocksberge tanzen. Die sind immun gegen rationale Menschen.[….] Der Chef des Rosenheimer Gesundheitsamts, Wolfgang Hierl, [….] vermutet zweierlei: Zum einen würden sich in seiner Region überdurchschnittlich viele Leute für Naturheilkunde und Alternativmedizin interessieren. Wenn diese Haltung aber die Prävention behindert – dann könne das „ins Auge gehen“, so der Gesundheitsamtschef. [….] Die Impf-Schlusslichter sind zugleich auch die Inzidenz-Meister: Nur 56,5 Prozent der Sachsen sind vollständig immunisiert, gestern riss der Freistaat die 200er-Hürde bei den Inzidenzen. Schlimmer sieht es nur noch in Thüringen aus: Im Schnitt hat das Land eine Inzidenz von 241,8. [….]
Nein, die Pandemie ist nicht vorbei. Bisher starben in Deutschland 95.606 Menschen an Covid19. Gestern starben 121 Menschen an Corona, also alle 12 Minuten einer.
Jens Spahn hielt sich leider nicht an die Ratschläge des sehr viel besser informierten und intelligenteren Karl Lauterbach. Nun sind ein Drittel der Deutschen für das Impfen verloren. Herdenimmunität ist nicht mehr möglich; das große Sterben wird zurückkehren.
[….] Jene, die jetzt noch nicht geimpft sind, wollen einfach nicht. Fast 90 Prozent der Ungeimpften haben die Absicht, genau das zu bleiben. Das ist gleich aus mehreren Gründen bitter. Zum einen zeigt es die kommunikativen Fehler, die in Deutschland im Umgang mit der Pandemie passiert sind. Die Skeptiker hielt man lange für eine vernachlässigbare Gruppe, die Bedeutung von Falschinformationen im Internet wurde völlig unterschätzt. Mit dem Resultat, dass es nicht nur Menschen gibt, die sich aus Sorge vor vermeintlichen medizinischen Risiken nicht impfen lassen wollen. Die Gruppe derer, die eine Impfung verweigern, weil sie politischen Entscheidungsträgern grundsätzlich misstrauen, hat offenkundig eine beängstigende Größe erreicht. Das ist auch mit Blick auf die Zukunft dieser Gesellschaft gefährlich. [….] Die kommunikativen Anstrengungen müssen dramatisch erhöht werden, in allen sozialen Gruppen. Fehlinformationen, die bei Messenger-Diensten und in sozialen Netzwerken kursieren, muss viel mehr akkurate Information entgegengesetzt werden. [….]
(Angelika Slavik, SZ, 29.10.2021)
Die Alumenschen des Eso-Belts scheinen es drauf anzulegen auch in Deutschland osteuropäische Verhältnisse zu generieren.
[….] Nirgendwo in Europa starben binnen 24 Stunden so viele Menschen an Covid-19 wie in der Ukraine: 765 neue Todesfälle wurden am Mittwoch gemeldet. Eine Frau aus der Stadt Donezk schildert der ARD, was sie in einem Krankenhaus erlebt hat: „Uns wurde gesagt, dass auf einer Etage 44 Patienten liegen, alle schon etwas älter. Für 44 Personen gab es eine Pflegerin, einen Bereitschaftsarzt und einen Chefarzt, der alle behandelt.“ Die Ukraine kämpft wie andere Länder in Osteuropa mit einer Corona-Welle nie gekannten Ausmaßes. Auch in Rumänien ist die Lage schlimm: Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei über 531, fast alle Krankenhäuser sind überbelegt. [….] Wie dramatisch die Lage ist, zeigt ein Video aus dem Uniklinikum Bukarest, das das rumänische Investigativportal „Recorder“ jüngst unter dem Titel „So sieht eine Gesundheitskatastrophe aus“ veröffentlichte. „Wer noch sitzen kann und in halbwegs passablem Zustand ist, bleibt im Stuhl. Nur Patienten im kritischen Zustand bekommen ein Bett“, erklärt ein Pfleger in dem Clip und bereitet einen windschiefen Schreibtischstuhl für einen neuen Patienten vor. Eine andere Mitarbeiterin sagt: „Es ist die Hölle, wie im Krieg.“ Teilweise würden sich die Patienten auf den Fluren gegenseitig wegschubsen, um an Sauerstoffgeräte zu kommen, berichtet die Ärztin Victoria Arama. Sie nennt die Lage in Bukarest „apokalyptisch“. Eine Krankenschwester fasst schulterzuckend den Frust des Personals zusammen: „Sie sind alle nicht geimpft. Alle nicht!“ [….]
Was also tun, wenn dieses eine Drittel Spinner im Lande mit Vernunft nicht mehr erreichbar ist?
[….] Die Kurven gehen steil nach oben: Infektionszahlen, Krankenhauseinweisungen, Todesfälle. Die Corona-Situation in Bulgarien und Rumänien ist komplett außer Kontrolle, die Bilder aus den überfüllten Intensivstationen sind erschreckend. Der Hauptgrund für das Desaster: In den beiden EU-Staaten sind verhältnismäßig wenige Menschen vollständig geimpft (Bulgarien: 20 Prozent; Rumänien: 30,7). Und auch bei uns stagniert seit Monaten die Impf-Quote. [….] Ich verstehe das nicht. Es muss doch mittlerweile allen Menschen bewusst sein, dass nur eine Impfung einen hohen Schutz bietet. [….] Was ist das eigentlich für eine Ignoranz? Wo die Impfquoten niedrig sind, wird es ungemütlich. Wo viele Menschen sich dem Piks verweigern, werden Menschen, die sich nicht impfen lassen können oder ein schwaches Immunsystem haben, gefährdet. Kleine Kinder, ältere Menschen, Kranke. Ich verstehe nicht, warum einige Menschen das selbst nach anderthalb Jahren Pandemie noch immer ignorieren. Mich macht das fassungslos. [….]Kommentator König versteht die Impfgegner nicht. Das verstehe ich.
Einen Lösungsvorschlag hat er nicht.
Appelle an Vernunft und Solidarität von Seuchenfreunden sind
ganz offensichtlich ohne Effekt. Meiner Ansicht nach bleiben daher nur zwei Auswege:
A) Impfpflicht für alle Menschen, die mit anderen Menschen in Kontakt kommen.
Anders als Annalena Baerbock immer behauptet, ist das durchaus rechtlich möglich. Stichwort „Masernimpfpflicht“.
B) Ungeimpfte ungeimpft lassen, aber dafür radikal aus dem öffentlichen Sozialleben aussperren.
[….] Möglicherweise müssen wir bei weiter zunehmenden Fallzahlen eine gesellschaftliche Diskussion führen, ob Lockdownmaßnahmen nur für Ungeimpfte gelten. Ich fände das gerechtfertigt, wenn es darum gehen sollte, die stationäre Versorgung zu sichern. Schließlich sind es derzeit vor allem die Ungeimpften, die mit schweren Covid-Verläufen in den Kliniken behandelt werden müssen. Kinder oder andere Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, sollten davon natürlich ausgenommen sein. [….]
(Ärztepräsident Klaus Reinhardt, 29.10.2021, DER SPIEGEL 44/2021)
Finde ich gut. Geöffnete Gastronomie, Geschäfte und Kulturbetriebe bei ausschließlich 2G und 3G, während gleichzeitig strikter Lockdown für Impfverweigerer gilt. Ungeimpfte dürfen nicht mehr als Pfleger arbeiten, kein Restaurant betreiben, kein Lebensmittelgeschäft führen, nicht mehr als Profi Fußball oder Tennis zu spielen.
Sie brauchen sich nicht impfen lassen, aber dann sollen sie hübsch zu Hause sitzen bleiben.