Mittwoch, 23. Januar 2013

Kleinste Übel.




Was haben Demokratie, SPD und Süddeutsche Zeitung gemeinsam?

Alle drei sind in ihrem jeweiligen Contest die Sieger, aber sie strahlen nicht.

In der Kunst oder der Musik kommt es durchaus vor, daß ich von einer Performance restlos begeistert bin und auf die Knie sinken möchte.

Aber Demokratie?
Was ist das nur für eine Scheiße! Ein Haufen denkfauler Phlegmaten, die noch nicht mal die simpelsten Grundlagen der politischen Konzeptionen kennen, sollen bestimmen, wer bestimmt?
Urnenpöbel, der so desinteressiert ist, daß bei Wahlen regelmäßig gleich die Hälfte der Wahlberechtigten im Bett liegen bleibt und gar keine Stimme abgibt. Man läßt eine verblödete Volksmasse bestimmen, die egoistisch-xenophob denkt und nach dem St.-Florians-Prinzip entscheidet.
 Durch diese systemimmanenten Fehl-Entscheider bekommen wir dann viermal Berlusconi als Ministerpräsident, Cameron, mehrfach Bibi-Netanjahu, zweimal George W. Bush, 16 Jahre Kohl, elf Jahre „Wo-kann-man-hier-gegen-Ausländer-unterschreiben?“-Roland Koch in Hessen, Westerwelle als Außenminister.
Aber so sehr ich mir den Kopf zermatere, außer einer absoluten Tammox-Diktatur fällt mir einfach keine bessere Staatsform ein. Demokratie ist das kleinste Übel.

Und dann meine Partei, die SPD.
Wieso bin ich mit diesen Stümpern geschlagen, die jeden Tag von einer debakulierenden Regierung Vorlagen geschenkt bekommen, um zu glänzen und es beharrlich schaffen sich immer selbst ein Bein zu stellen?
Die Partei, die unter ihren Funktionären immer das schlimmste Wählergift auswählt, wenn Führungspositionen besetzt werden müssen? Die Partei, die mich immer wieder durch IQ-befreite, religiotisch fanatisierte Kanaillen wieThierse, Nahles und Matschie dazu bringt mir mit einem Holzhammer auf den Kopf zu schlagen.
Die im Ausschließeritis-Wahn lieber CDU-Kandidaten zur Wahl verhilft, statt die vorhandenen rot-rot-grünen Mehrheiten zu nutzen.
Ich bin gewissermaßen ein typischer Sozialdemokrat, weil ich unter meiner Partei leide. 
Es ist eine Qual. Das Parteibuch ein Menetekel. 
Dennoch, unter den Bundestagsparteien ist die SPD immer noch die beste. Man nenne mich altmodisch, aber ich bin nun einmal so veranlagt, daß ich mich für die Schwachen einsetze.
Ich will lieber die Geringverdiener und Arbeitslosen unterstützen, statt wie CDU, CSU und FDP Erfüllungsgehilfe der Reichsten und Mächtigsten zu sein.
 Ich finde nun einmal, daß man Verantwortung übernehmen muß für Missstände und nicht pauschal alles ablehnen darf wie die LINKE. Ich stehe für eine breite Programmatik, die für alle Hilfsbedürftigen substanzielle Verbesserungen anstrebt, die solidarisch denkt und nicht immer nur Vorurteilen frönt. Ich interessiere mich nicht für THEORETISCHE Parteien, die all das vertreten, das ich will. Ich gucke auf die real existierenden Parteien, die eine echte Chance haben in den Bundestag zu kommen; die mitregieren könnten.
Und unter diesen ist die SPD nun einmal die erste Wahl, das kleinere Übel.

Ebenso sieht es mit den Papier-Periodika aus.
Ich möchte TÄGLICH und UMFASSEND informiert sein. 
Also von einer überregionalen Tageszeitung mit eigenem Korrespondentennetz und feuilletonistischer Kompetenz.
Zweifellos ist die „Süddeutsche Zeitung“ die beste Qualitätszeitung in Deutschland. 
Sympathisch ist auch die taz, aber das ist verglichen eben eher ein Blättchen mit einer Miniredaktion.
Aus der SZ ziehe ich hingegen massenweise Informationen. Zudem gibt es immer wieder längere Artikel und Reportagen, die erahnen lassen, weswegen man die SZ-Autoren auch „Edelfedern“ nennt. Die können schon schreiben. Die SZ ist bei weitem nicht so dröge, wie der konservative  Konkurrent aus Frankfurt.
Die Meinungsseite, die s. 4, ist eigentlich immer durchgehend spannend.
Beim Wirtschaftschef, Dr. Marc Beise, 53, kann man aber durchaus graue Haare generieren. Der Mann ist ein Neoliberaler, der nicht viel von moderneren Konzeptionen hält.
Die bekanntesten Autoren, Kurt Kister und Heribert Prantl, sind zweifellos beide hochintelligente, gebildete Köpfe. Der Chef, Kister, ist ein deutliches Stück konservativer als Prantl, dafür aber noch unabhängiger. Er macht sich mit niemand gemein und kritisiert an allen, das was zu kritisieren ist. Er weiß mit der Sprache umzugehen, übertreibt es aber nicht.
 Der ehemalige Staatsanwalt und Richter Prantl gefällt sich hingegen als Schöngeist. Er beginnt jeden Kommentar und jede Analyse mit einer Leitmetaphorik, um dann so richtig in seiner Bildung zu schwelgen.
Das kann durchaus mal ein bißchen sehr blumig geraten. 
Außerdem verfolgt Prantl eine politische Agenda. Das ist an sich nicht verkehrt, kann aber beim Lesen sehr unangenehm werden, wenn er voller Emphase eine andere Überzeugung als die meine vertritt. 
Geradezu gruselig war Prantls massive Unterstützung der kinderfeindlichen Position bei der Genitalbeschneidung. All die Gegenargumente, die er als hochintelligenter Mann eigentlich verstehen müßte, nahm er einfach nicht zur Kenntnis.

Das größte SZ-Ärgernis ist aber der Mann für’s Religiöse, Matthias Drobinski.
Der 49-Jährige Katholik studierte Germanistik und Theologie, ist seit 1997 bei der Süddeutschen Zeitung. 
Zusammen mit einer der bundesweit schlechtesten Religionsjournalistinnen überhaupt, der Tagesspiegel-Chef-Religiotin Claudia Keller, die vollkommen faktenresistent jeden Soutanteträger bejubelt, verfasste Drobinski sogar ein Buch - Glaubensrepublik Deutschland. Herder, Freiburg 2011, ISBN 3-451-30340-X.
So unterbelichtet wie Keller ist der SZ-Mann nicht, aber es ist schon ziemlich schwer erträglich, wie er in der zurückliegenden skandalgebeutelten Zeit der RKK seine hochverehrte Kirche niemals in Frage stellt.
Er zeigt zwar durchaus Schwachpunkte auf und moniert taktische Fehler, läßt aber seine katholische Überzeugung immer durchblicken.

Heute ging es wieder los.
 Ein Skandal erster Kategorie, der noch einmal die ganze Verlogenheit und Menschenfeindlichkeit der RKK aufzeigt.
Ein seriöser Redakteur müßte in diesem Zusammenhang unbedingt darauf hinweisen, daß Krankenhäuser, Kitas und Co stark zunehmend unter kirchliche Trägerschaft rutschen. 
Warum ist das so, wer will das so und was bedeutet das für die Patienten, wenn sie in weiten Teilen Deutschlands vor einem kirchlichen Monopol stehen und gar keine konfessionsfreien Einrichtungen mehr vorfinden?
Das sind Themen, die durchaus in vielen Medien analysiert wurden.
Hochproblematische Entwicklungen sind im Gange, weil man sich der Krake Kirche kaum noch entziehen kann.
Kirchen, die aber eben NICHT dem Patientenwohl, sondern in erster Linie ihrer mittelalterlichen Agenda verpflichtet sind.

Man muß dazu nicht auf Alice Schwarzer verweisen, kann es aber.
Meisner bezeichnet die Vergewaltigung als ein „schlimmes Verbrechen“, was selbstverständlich ist, und geht sodann ausführlich auf die ethische Diskussion ein: „Der Schutz eines Menschenlebens gilt uneingeschränkt und von der Zeugung an. Der Lebensschutz ist eine unüberschreitbare Grenze und jedem menschlichen Eingriff entzogen.“

Das ist reine Theorie, Lichtjahre vom Leben entfernt. Denn die Abtreibung ist im realen Leben ja keineswegs dem „menschlichen Eingriff“ entzogen. Frauen, auch katholische, treiben ab, wenn sie ungewollt schwanger sind, unter allen Umständen. Egal, was die Kardinäle verkünden: Gläubige Katholikinnen, das belegen Studien, treiben nicht weniger ab als alle anderen Frauen.

[…] Es ist vor allem dem Einfluss der katholischen Kirche und der Willfährigkeit der Politik zu verdanken, dass wir in Deutschland auch 40 Jahre nach Beginn des Protestes gegen den § 218 keine lebenswirklichen Gesetze haben, sondern Abtreibung selbst in den ersten drei Monaten noch immer eher eine Gnade ist als ein Recht wie in unseren Nachbarländern (inklusive Italien). Ungewollt Schwangere in Deutschland müssen um Erlaubnis bitten und sich zwangsberaten lassen.

In katholisch beherrschten Bundesländern, wie Bayern, gibt es schon heute einen Abtreibungs-Tourismus. Denn ÄrztInnen an katholischen Krankenhäusern dürfen ungewollt schwangeren Frauen nicht medizinisch beistehen, sonst riskieren sie ihren Job. Und in katholisch dominierten Regionen wie Südamerika herrscht dank der ach so linken „Befreiungstheologen“ inzwischen eine Terrorherrschaft über Frauen, die illegal abtreiben müssen, unter Lebensgefahr. Weltweit ist vor allem die katholische Kirche für die jährlich über 80.000 toten Frauen verantwortlich, krepiert bei illegalen Abtreibungen. Das nennen Kirchenmänner wie Meisner „Lebensschutz“.

Nun hat der Kölner Kardinal ausgerechnet die Gelegenheit seiner Entschuldigung genutzt, um seine so unethische Ethik nicht nur noch einmal zu bekräftigen, sondern tatsächlich noch weiter auszudehnen. So sprach er sich explizit gegen alle „Maßnahmen“ aus, „welche die Tötung eines möglicherweise schon gezeugten Kindes bedeuten“. Damit meint er die „Pille danach“, die direkt nach einem riskanten oder ungewollten Geschlechtsverkehr verabreicht werden kann, um die Befruchtung bzw. die Einnistung des Eis zu verhindern.
Selbst CDU-Parlamentarier, wie Jens Spahn, kritisierten massiv das Verhalten der katholischen Krankenhäuser.
In „meiner“ SZ hingegen, lebt der Kirchenredakteur gemütlich weiter hinter dem Mond und betreibt 100% RKK-Agenda.
Ein Krankenhaus, das eine mutmaßlich vergewaltigte Frau abweist, aus Angst, gegen die katholische Lehre zu verstoßen, gehöre 'vom Netz genommen'. Das hat kein böser Kirchenfeind gesagt, sondern der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn; es ist unsinnig […].

Zum Unsinn: Zu Recht gilt in Deutschland das Subsidiaritätsprinzip. Wo es geht, überträgt der Staat öffentliche Aufgaben dem Roten Kreuz, der Arbeiterwohlfahrt oder eben den Kirchen. Das sichert im guten Fall Pluralität, und kirchliche Krankenhäuser leisten gute Arbeit. Dass diese Einrichtungen ein eigenes Arbeitsrecht haben und dass katholische Kliniken keine Abtreibungen vornehmen, ist - als Teil der Religionsfreiheit - durch die Verfassung gedeckt. Mutwillig zerstören sollte man dieses System nicht.
(Matthias Drobinski, 23.01.13)
Diese Sätze erschienen auf der „Meinungsseite.“
Jeder ist frei seine Meinung zu publizieren, selbstverständlich. Aber in der Top-Tageszeitung dieser Republik, sollten Meinungen auch begründet werden und das möglichst wahrhaftig.
In diesem Fall ist das Subsidiaritätsprinzip aber von Übel und daß die kirchlichen Krankenhäuser gute Arbeit leisten, kann man eben NICHT pauschal sagen, nachdem tausende Kinder missbraucht wurden, jedes Jahr Myriaden Menschen mit MRSA angesteckt werden, Mitarbeiter ausgebeutet werden und Hilfesuchenden die Tür vor der Nase zugeschlagen wird.
Dieses System sollte unbedingt zerstört werden!
Entweder Drobinski weiß das alles nicht und ist dann ein schlechter Journalist. 
Oder er weiß es und schreibt wissentlich die Unwahrheit. 
Dann ist er ein Religiot und als solcher ein noch schlechterer Journalist.
Eine No-Win-Situation.
Herr Kister, bitte bemühen sie sich um Ersatz.
Drobinski könnte dann zur ZEIT wechseln - dort ist man ohnehin schon zum rein katholischen Claqueur-Blatt mutiert; da passt er hin.