Samstag, 20. März 2021

Krasse Kölner Kardinäle

Die Berichterstattung zum Kölner Missbrauchsskandal langweilt mich.

Die Fakten werden seit Jahrzehnten gemäß des „täglich grüßt das Murmeltier“-Prinzips wiederholt: Katholische Geistliche quälen, schlagen, missbrauchen, vergewaltigen, demütigen, misshandeln Kinder (vornehmlich kleine Jungs). Ihre vorgesetzten Generalvikare, Bischöfe, Kardinäle und Päpste setzen ihre ganze Energie dafür ein, die Täter zu schützen, die Kindersex-Strukturen zu erhalten, gegen aufklärungswillige Medien und Opfer-Anwälte vorzugehen, zu vertuschen.

Die deutsche Politik und Justiz guckt kollektiv weg, ermutigt damit indirekt die Kinderquäler, weiter zu vergewaltigen.

Politik und Justiz überlassen es der Täterin der zehntausendfachen Kindervergewaltigung selbst zu entscheiden, ob sie dazu irgendetwas veröffentlichen möchte und womöglich Konsequenzen zu ziehen. Die Täterorganisation setzt dazu natürlich nur sehr kirchenaffine und den Tätern verpflichtete Juristen ein, die sorgsam darauf achten der Organisation RKK nicht zu schaden. Im Jahr 2002 entstand erstmals die ganze große weltweite Medienöffentlichkeit für das Thema „massenhafter Kindesmissbrauch durch Priester“. Es entzündete sich an USA-Kardinal Law, ein gewisser Deutscher namens Joseph Ratzinger, wurde als derjenige identifiziert, der weltweit verfügt hatte niemals den Behörden zu melden, wenn Pfaffen Pennäler penetrierten. Bei Drohung mit der schwersten Kirchenstrafe, der Exkommunikation wiesen Ratzinger und Woytila allen Bischöfen an, zu schweigen, den Opfern nicht zu helfen, die Täter zu beschützen.

Zum Dank wurde Ratzi Papst und Woytila heiliggesprochen.

Auch im Jahr 2021 guckt der Vatikan systematisch weg, schweigt.

 Von 2002 bis 2010 hagelte es weltweit Berichte aus Bistümern mit jeweils hunderten, manchmal tausenden Fällen sexuell missbrauchter Kinder. Die Anzahl der „NUR“ geschlagenen und psychisch gequälten Kinder liegt um den Faktor 10 höher. Allein in Deutschland betrifft es mindestens 800.000 in kirchlichen Heimen misshandelte Kinder nach 1950. Sie können schon gar nicht auf Hilfe zählen.

Acht Jahre nach Boston und Kardinal Law, wurde das, was in vielen Politmagazinen, Zeitschriften, Zeitungen und Blogs seit Jahrzehnten öffentlich beschrieben wurde, aber es nie zu Topmeldungen brachte, durch den Fall Canisius endlich in die Schlagzeilen promoviert.

Von 2010 bis 2021 geschah, wenig überraschend, nichts.

Die katholischen Bundesminister überließen es weiterhin den Kindesmissbrauchern selbst, ob sie irgendetwas unternehmen wollten. Sie wollten natürlich nicht. Inzwischen gibt es dafür den Begriff #Hängemattenbischof.


Die geballte Phalanx der Religioten in der Toppolitik – also die gesamte CDUCSU, ein Großteil der FDP, aber auch relevante Teile der RRG-Parteien; Winfried Kretschmann, Kathrin Göring-Kirchentag, Thierse, Nahles, Griese, Ramelow – wollen die Missbrauchsopfer nicht schützen.

Immer wieder die gleichen öden Reaktionen aber auch in der Presse.

Irgendjemand gräbt irgendeinen Katholiken aus, der erklärt, nun aber aus der Kirche auszutreten.

[…..] Der Soester Ladenbetreiber Dirk Vogelsang ist frustriert und empört – und hat angekündigt, nach langem Nachdenken nun die katholische Kirche zu verlassen. […..]

(Soester Anzeiger, 20.03.2021)

Nach 20 Jahren in breiter, weltweiter öffentlicher Kirchenmissbrauchs-Diskussion, erkennen geniale Publizisten, daß womöglich auch deutsche Kardinäle etwas wußten.

[….] „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ habe Kardinal Rainer Maria Woelki in seiner Zeit als Kölner Weihbischof Kenntnis über Vorwürfe zu sexueller Gewalt gehabt, sagte der Kirchenrechtler Bernhard Anuth im Dlf. […..]

(Deutschlandfunk, 19.03.2021)

Sogar den größten Kirchenfreunden schwant nach zwei Dekaden etwas Erstaunliches, man könne nicht mehr an der These festhalten, daß niemand etwas wußte.

[….] Das Gutachten entlarvt die Lüge von Kardinal Meisner, der 2010 in gespieltem Entsetzen behauptet hatte, erst jetzt von den schlimmen Taten zu erfahren - und in Wahrheit eine persönliche Handakte mit dem schönen Titel "Brüder im Nebel" führte. Es lässt die Darstellung des Generalvikars Feldhoff bröckeln, dass Meisner alles an sich gezogen habe: Er hatte lange den einzigen Zugang zum "Giftschrank" mit den Akten der Täter. […..]

(Matthias Drobinski, 18.03.2021)

Donnerschlach, nach 20 Jahren im Rampenlicht, erkennt auch der katholische kirchenfreundliche SZ-Mann Drobinski etwas:

[…..] "Nichts geahnt? Das ist nicht mehr möglich" [….]

(SZ, 18.03.2021)

Das größte Ärgernis dieses Skandals ist aber wieder einmal der grundsätzliche Tenor der Berichterstattung. Von taz bis FAZ schwingt immer Sorge und Mitleid um die Kirche mit, es wird betrübt von den vielen Austritten berichtet, der Bedeutungsverlust der Kirche beklagt, die Zukunft der RKK in grauen Farben gemalt.

Als dramatische Konsequenz werden die Amtsverzichte von zwei Weih- und einem Erzbischof angesehen.

Dabei sind Schwaderlapp, Heße und Puff nicht etwa im Gefängnis oder haben finanzielle Einbußen zu fürchten; im Gegenteil, ihr fünfstelliges Monatsgehalt vom Staat bleibt ihnen lebenslang. Sie haben ja auch nur mit dafür gesorgt massenhaft Kinder schwerste psychische, körperliche und sexuelle Gewalt anzutun. Also nicht so etwas Schlimmes wie Schwarzfahren.

Das zweitgrößte Ärgernis sind für mich all die liberalen und konfessionsfreien Stimmen, die sich diese Bischofsrücktritte herbei sehnen, sich über Demissionen freuen, sich endlich liberalere und homofreundlichere Oberhirten wünschen.

Das ist aber das letzte, das ich möchte. Ich freue mich über möglichst unsympathische Typen an der Spitze, weil ich natürlich nicht der Kirche helfen möchte ihr Image zu korrigieren und ihre Mitgliederzahl zu stabilisieren, sondern ich hoffe auf möglichst viele Austritte.

[….] Verehrter Kardinal, Euro Eminenz, Rainer, diese Forderungen will ich hiermit empört und entsetzt zurück weisen!
Lassen Sie sich nicht beugen, hören Sie nicht auf die irrlichternden Konfessionsfreien, die sich eine weiblich-liberale scheinkatholische Welt wünschen, in der die ehernen römisch-katholischen Werte nur noch auf dem Papier existieren.

Bleiben Sie stark, geben Sie nichts auf die weltlichen Ansinnen, die von Frauenpriestertum, Schwulenehe und Abschaffung des Zölibats reden.

In Ihren 36 Jahren als Priester haben Sie sich nie verbiegen lassen. Eure Eminenz zogen eine klare Linie zwischen sexuell übergriffigen Priestern und ihren minderjährigen Opfern, Sie schützten die Ihrigen vor Polizei, Staatsanwaltschaft und finanziellen Schadensansprüchen der Opfer.

Klar, unnachgiebig und konsequent zeigen sie Haltung gegenüber der lästigen Kanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl aus München, deren Ergebnisse bei Veröffentlichung so ein schlechtes Licht auf die Heilige Kirche werfen könnte.

Indem Sie über Wochen und Monate die Gläubigen Ihrer Kirchenprovinz durch eisernes Schweigen in die Verzweiflung trieben, drastisch gegen aufmüpfige Geistliche vorgingen, haben Sie dem Anliegen des Atheismus einen unschätzbaren Dienst erwiesen.

Wir Humanisten, Säkularen und Atheisten sind so schwach organisiert, daß unsere Interessenvertreter von IBKA, gbs, bfG oder HU in den klassischen Medien so gut wie gar nicht stattfinden. Sie werden nur alle paar Jahre einmal in Talkshows geladen und verkaufen ihre Bücher in homöopathischen Auflagen, während jedes deutsche Massenmedium über christlich engagierte Journalisten verfügt, die im Sinne der Kirche berichten.

Ihre Kirchenvertreter sitzen in Ethikräten und Rundfunkkommissionen, sie betreiben soziale Einrichtungen und werden auf Kosten des Steuerzahlers ausgebildet. Wir sind weniger als finanzielle Zwerge gegenüber der katholischen Finanzpower. Jedes deutsche Bistum verfügt über Milliarden, wir Humanisten müssen um Briefmarken betteln, dürfen noch nicht einmal einen Arbeitskreis in der SPD bilden.

Umso dankbarer sind wir für die freundliche und solidarische Unterstützung führender Kirchenvertreter.

Seit Jahrzehnten erwärmen sich Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle für unsere Sache des Kirchenaustritts und geben sich viel Mühe die zahlenden Mitglieder zu vertreiben.

An dieser Stelle möchte ich Ihre heldenhaften Brüder im Amte Dyba, Krenn, Mixa, Müller, Meisner, Ratzinger, Groer, Haas, Overbeck und den völlig zu Unrecht vergessenen großen Bischof Tebartz-van Elst loben. [….]

(Offener Brief an meinen Helden, 04.02.2021)

Dieser Linie bleibe ich seit 15 Jahren öffentlich treu; je unangenehmer und abstoßender die Kirchenfürsten, desto besser.

Erzbischof Heße war ein großes Glück für Hamburg. In nur fünf Jahren schaffte er es, das positive Image seines Vorgängers Erzbischof Thissen ins diametrale Gegenteil zu verkehren und alle Hamburger Katholiken gegen sich aufzubringen.

Daher wünsche ich mir von Herzen, Papst Franz möge seinen angebotenen Rücktritt nicht annehmen, damit er sein Werk der Säkularisierung Hamburgs weiter führen kann.

Die Heßes und Woelkis und Meisner zeigen nur ehrlich auch welcher Ideologie ihr Verein fußt.

[…..] Dass Kleriker zu Missbrauchstätern wurden und werden, liegt vielleicht sogar in der inneren Logik der Kirche begründet. Um das zu verstehen, hilft ein Blick ins Kirchenrecht: Kirchenrechtlich wird sexueller Missbrauch bis heute rein vom Priester her gedacht. Kirchenrechtlich gesehen verstößt ein Priester, der sich an einem Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen vergeht, gegen das sechste Gebot: "Du sollst nicht ehebrechen." Und weil der zölibatär lebende Priester mit der katholischen Kirche verheiratet ist, betrügt er lediglich die Kirche. Die Opfer kommen als Geschädigte nicht vor, sie sind gar nicht da.  Aus diesem Grund haben Betroffene von sexuellem Missbrauch in kirchenrechtlichen Verfahren gegen Täter bis heute keinerlei Rechte. Sie können keine Akten einsehen, sie können nicht als Nebenkläger auftreten, sie sind nur Zeugen. Die katholische Kirche könnte etwas dagegen tun, sagt zum Beispiel die Theologin Doris Reisinger: Sie könnte ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in ihren Rechtsnormen verankern; im weltlichen Bereich ist dies etwas völlig Selbstverständliches. Doch wenn sie das täte, müsste sie den Gläubigen auch zugestehen, über ihr Schlafzimmer selbst zu entscheiden. Hier liegt der Knackpunkt: katholische Kirche und Selbstbestimmung des Menschen - das geht offenbar nicht zusammen. […..]

(Annette Zoch, 19.03.2021)