Donnerstag, 13. Juli 2023

Trumpisierung der europäischen Konservativen – Teil II

Inzwischen bin ich mit fast sicher; die erste AfD-CDU-Koalition wird kommen.

Die Union ist ein viel zu unsicherer Kantonist bei der Verteidigung der Demokratie; schielt selbst immer ungenierter auf völkische Lügenthemen.

Friedrich Merz bestätigte den Rechtsaußen-Kurs seiner Partei diese Woche mit der Benennung des neuen ultrakonservativen Generalsekretärs Carsten Linnemann.

Natürlich verschiebt Merz damit die Gewichte immer weiter nach Rechts und stärkt weiterhin die AfD, beziehungsweise, so sie denn entsteht, auch die rechtspopulistische Liste Sahra Sarrazin.

Merz schadet also seiner eigenen Partei, ist aber offensichtlich völlig lernresistent.

Darin ähnelt er den bornierten Porschepartei-Herren Lindner und Kubicki, die ihre Partei mit ihrem destruktiven Blockade-Kurs bei jeder Landtagswahl mehr schrumpfen und daraus den Schluß ziehen, diesen Kurs in Richtung „Außerparlamentarische Opposition“ (APO) noch zu forcieren.

(….) Diese Trumpisierung der konservativen Politik, also die Substitution von Sacharbeit durch Hetze, Hass und Ideologie, gibt es bedauerlicherweise nicht nur in Deutschland.

Die Tories in England, die PiS in Polen, die Fidesz in Ungarn, die ÖVP in Österreich und natürlich die Forza Italia sind längst GOP-Klone und bringen kontinuierlich ihre eigenen Boeberts und Greens hervor.

Der niederbayerische CSU-Mann Manfred Weber (*1972), Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP, galt einmal als liberales Aushängeschild seiner Partei, während der CSU-Vorsitzende Seehofer radikal xenophobe Politik betrieb.

Lang ist es her. Heute macht Weber Wahlkampf für die stramm faschistische Giorgia Meloni und stellte auch auf EU-Ebene die Sacharbeit vollständig zu Gunsten eines plumpen Populismus ein.   (…)

(Trumpisierung der europäischen Konservativen, 28.06.2023)

Zum Glück unterstützt Weber nicht nur Rechtsradikale, betreibt zukunftsfeindliche Propaganda und umweltzerstörerische Hetze, sondern ist auch chronisch erfolglos.

Der Mann, der als EVP-Spitzenkandidat zur EU-Wahl antrat und nach dem Wahlsieg seiner Partei zusehen musste, wie Ursula von der Leyen an ihm vorbei Kommissionschefin wurde, fällt mit all seinen Vorhaben zuverlässig auf die Nase.

Den CDUCSU-Kurs wider Umweltschutz und pro Klimaerhitzung kann man nur mit einer Methode begründen: Lügen wie gedruckt.

[….] Wir haben in Deutschland also keine Unter-, sondern Überkapazitäten.

Daran hat auch die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke nichts geändert. Falls Sie das Gegenteil gehört oder gelesen haben sollten: Das ist gelogen. Permanente Desinformation gehören für gewisse Kreise, Medien und Parteien beim Thema Energieversorgung im Moment zum Alltag. Das ist schlecht für den demokratischen Diskurs. Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, sagte der »Bild«-Zeitung Folgendes: »Die Ampel hat mit dem Abschalten der nationalen Kernkraftwerke die Energiesouveränität Deutschlands ins Wanken gebracht. Statt ausreichend Strom in Deutschland zu produzieren, sind wir jetzt auf den Atomstrom aus Frankreich angewiesen.«

Es ist bemerkenswert, wie viel Nonsens ein Profi wie Müller in zwei Sätzen unterbringen kann. Zu Handlangern oder Komplizen der jüngsten »Bild«-Desinformationskampagne machten sich auch Jens Spahn und Alice Weidel. Spahn twitterte: »Teure Strompreise, Standort Deutschland unter Druck, mehr Abhängigkeiten, mehr CO₂-Ausstoß als nötig, das ist die Energie-Bilanz der Ampel. Danke für nichts!«. Dazu verlinkte er den »Bild«-Text, in dem Müller zu Wort kam und der schon im Teaser Falsches enthält: »Deutschland ist nicht mehr in der Lage, den nationalen Strombedarf mit heimisch erzeugtem Strom zu versorgen.« Da ist auch grammatikalisch noch Luft nach oben, aber das nur am Rande. [….]

(Prof. Christian Stöcker, 09.07.2023)

Merzens Mann in Brüssel lügt und agitiert besonders dreist. Jede Seriosität hat er hinter sich gelassen und steuert die europäischen Christdemokraten auf puren rechtspopulistischen Kurs.

[….] »Die Dinge laufen in unsere Richtung«, sagt ein EVP-Insider.

Schmusekurs mit rechts  Das versucht Manfred Weber nun offenbar zu nutzen. Beim Klima- und Umweltschutz steht der Partei- und Fraktionschef der EVP auf der Bremse, zugleich verfolgt er einen Schmusekurs mit Parteien, die rechts von der EVP stehen. Sie könnten Weber nach der Europawahl im Juni 2024 neue Mehrheiten bescheren – jenseits der traditionellen, losen Zusammenarbeit der großen proeuropäischen Parteien.

Sichtbar wird der Kurswechsel an der Diskussion über das »Gesetz zur Wiederherstellung der Natur«, das ein wichtiger Teil des Green Deals von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist. Seit Wochen streiten die Parteien im EU-Parlament über das Regelwerk, längst über weit mehr als kaputte Ökosysteme. Fachlich geht es um die Frage, wie es weitergeht im Kampf gegen Artenschwund und Klimakrise. Tatsächlich aber darum, ob Populismus über seriöse, vorausschauende Politik siegt. Auch deshalb trägt der Streit über das Gesetz inzwischen Züge eines Kulturkampfes. CSU-Mann Weber hat seine Fraktion auf Fundamentalopposition gegen das Renaturierungsgesetz eingeschworen. Dass die Regierungen der EU-Staaten mit den Stimmen von EVP-Regierungen den Vorschlag kürzlich angenommen haben, dass mehr als 3000 Wissenschaftler kürzlich in einem offenen Brief  das Gesetz unterstützten – all das ficht Weber und die Seinen nicht an: Sie wollen das Gesetz komplett verhindern. [….]

(Michael Sauga, SPIEGEL, 11.07.2023)

Aber die verbliebenen Rationalen im EU-Parlament hatten noch einmal Glück, weil sich Trottel-Stratege Weber selbst ins Abseits manövrierte.

[….] Am Mittwochmorgen beschwor Manfred Weber auf einmal die politische Kultur, da wusste er noch nichts von seiner späteren Niederlage. Man solle doch bitte aufhören, sich gegenseitig zu diffamieren, sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament in Straßburg. Wenn sie so weitermachten wie im Streit um das EU-Renaturierungsgesetz, dann stärkten sie eher die Radikalen, glaube er. Was für eine Erkenntnis, welch ein Eingeständnis war das! Fast könnte man meinen, er habe seine Partei ermahnt, nicht die Konkurrenz. Denn es war doch die EVP, die in dieser Sache zuerst mit Diffamierung Politik gemacht hat, mit Falschnachrichten Angst geschürt und einer unwürdigen Twitter-Kampagne Verunsicherung erzeugt hat.

Jetzt ist die EVP im Parlament gescheitert mit dem Versuch, das Gesetz zu Fall zu bringen. Die Mehrheit war knapp, ein Dutzend Stimmen pro Renaturierung machten den Unterschied, sie kamen wohl auch aus der EVP. Nun geht es in die Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, den Umweltministern und -ministerinnen der Mitgliedstaaten sowie dem Parlament - es kann also sein, dass der EVP dort indirekt noch gelingt, was sie am Mittwoch nicht schaffte. Damit könnten Manfred Weber und die EVP zufrieden sein, aber das werden sie nicht: Sie führen einen schmutzigen politischen Kampf.

Die Niederlage der EVP ist zugleich ein Gewinn für Europas Ökosysteme, für den europäischen Klimaschutz und auch für die Landwirte, für die die Partei vorgab zu streiten. Denn auch falls das Gesetz nur in abgeschwächter Form in Kraft tritt, kann es dazu beitragen, die EU-Klimaziele bis 2030 zu erreichen.

Manfred Webers Strategie war leicht zu dechiffrieren. Mit dem Renaturierungsgesetz sah er die Chance gekommen, einen Pflock einzurammen, nachdem die Delegierten auf dem EVP-Kongress im Mai in München eine Pause in der Klima- und Umweltregulierung beschlossen hatten. [….] Es ging zugleich um eine Offenheit für andere Partner. Nach den Wahlen in einem Jahr wird das EU-Parlament wohl rechtslastiger werden, und die EVP könnte versuchen, neue Allianzen zu schmieden, etwa mit der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Webers Schwenk im Naturschutz bereitet dafür den Boden. Und augenscheinlich ist die EVP dafür unter seiner Führung bereit, die vernünftige parlamentarische Arbeit am Klimaschutz aufzukündigen. Sie verstieg sich gar zu irren Warnungen vor einer vermeintlich bedrohten Ernährungssicherheit. [….]

(Jan Diesteldorf, SZ, 13.07.2023)

Die dreisten rechtspopulistischen Lügen der CDU sind das eine. Die Doofheit des Urnenpöbels, der den Unsinn glaubt, in allen Umfragen die CDUCSU zur stärksten Fraktion und damit Merz zum Wunschkanzler macht, ist das andere.

[….] Der CSU-Politiker wollte seine Truppen auf einen Rechtskurs für die kommenden Europawahlen einschwören. Und das Gesetz, gegen das er gemeinsam mit Populisten und Nationalisten stimmen wollte, sollte der Auftakt sein. Nun sind ihm seine eigenen Leute in den Arm gefallen, und Weber muss sich fragen, ob er noch der Richtige auf seinem Posten ist.

Seit Monaten irrlichtert der CSU-Politiker durch die europäische Politik. Er bringt Parlamentspräsidentin Roberta Metsola als Kommissionspräsidentin ins Gespräch, um wenig später zu versichern, dass Amtsinhaberin Ursula von der Leyen selbstverständlich »in der Poleposition« sei. Er will neue Bündnisse mit Rechtspopulisten in Europa schließen und spricht zugleich von »einer Brandmauer gegen die AfD«. Er blinkt mal rechts und mal links, bis niemand mehr weiß, wofür Europas Konservative stehen und was sie wollen.  [….]

(SPON, 13.07.2023)

Dem Urnenpöbel gefällt das.