Gerade sorgte ich mich noch um die Zukunft meines liebsten deutschen Klerikers Woelki, der mir stets so viel Freude bereitet.
Das erkenntnisresistente katholische Fußvolk war, wie schon seit Jahrzehnten, wieder einmal blind in die bischöfliche/vatikanische Falle getappt: Ihr Unmut wurde in Gesprächsformate kanalisiert, die Mitsprache suggerierten, so daß alle Schäfchen brav bei der Stange blieben und Beiträge bezahlten. Dadurch waren sie so beschäftigt, daß sie die absolutistisch-antidemokratische Struktur ihrer Kirche ganz vergaßen, immer wieder das finale NEIN aus Rom verdrängten.
Es erinnert mich an James Clavells „Shogun“, meinem Lieblingsbuch als Teenager, das ich seither immer wieder verschlungen habe. (Tipp: Guckt niemals die Verfilmung mit Richard Chamberlain, die kommt dem Buch nicht ansatzweise nahe.)
Meisterstratege Fürst Yoshi Toranaga schwingt sich zum Herrscher Japans auf, indem er sagenhaft klug und raffiniert die anderen 150 Fürsten Japans ausmanövriert. Ein wichtiges Werkzeug stellt dabei der Brite Blackthorne mit seinem mächtigen Schiff voller moderner Kanonen dar, der just im Japan des späten 16. Jahrhundert gelandet war und von den meisten traditionellen Samurai als Barbar verachtet wird. Das Schiff wird konfisziert, die Mannschaft eingesperrt. Statt Navigator Blackthorne einfach hinzurichten, erkennt Toranaga seinen militärischen Nutzen. Der Kapitän stirbt im Kerker, aber Toranaga versteht, daß sein Navigator der viel klügere und aufgeschlossenere „Barbar“ ist. Er fördert ihn, manipuliert ihn dazu immer japanischer zu werden, motiviert ihn mit der Aussicht, ihm sein mächtiges Schiff zurück zu geben, um wieder nach Europa segeln zu können. Blackthorne ist ihm unendlich dankbar und revanchiert sich, indem er Toranagas mächtigste Konkurrenten bekämpft. Um einige dieser bedrohten Fürsten wieder auf seine Seite zu ziehen, lässt Tornanaga heimlich Blackthornes Schiff verbrennen, nutzt dessen Wut über den Verlust aus, zeigt sich dann wieder großzügig, indem er ihm die Mittel für den Bau eines neuen Schiffes stellt. Blackthorne ist noch dankbarer, engagiert sich noch stärker für Toranaga, weil er noch motivierter ist, mit dem neuen, möglicherweise noch schnelleren Schiff nach Hause zu kommen. Toranaga nutzt die erneut aufsteigende Furcht der anderen Fürsten vor dem Schiff voller Kanonen, welches auf Toranagas Geheiß vor ihren Küsten auftauchen könnte, sieht dem besessen bauenden Blackthorne wohlwollend und entspannt zu, weil er längst geplant hat, das neue Schiff kurz vor seiner Abfahrt nach England wieder zu verbrennen. Die Schuld wird er erneut seinen Feinden in die Schuhe schieben, Blackthornes Wut wieder ausnutzen und noch einmal einen Neubau finanzieren. Insgeheim lächelt Toranaga über die von ihm manipulierten Schachfiguren, weiß daß Blackthorne Japan niemals verlassen wird.
Die engagierten katholischen Laien, die sich im Synodalen Weg für die katholische Kirche engagieren, in Wahrheit aber durch ihr Geld und ihre Mitgliedschaft genau die Prälaten ermächtigen, die sie immer wieder blockieren, sind die Blackthornes unserer Zeit. Sehr nützliche Idioten, die mit voller Energie das Spiel ihrer Herren verrichten, ohne zu bemerken, wie sie von ihnen ausgelacht werden.
[….] Homosexualität, Zölibat, Frauen: In Frankfurt treffen sich 230 Katholiken in Amt und Würden, um ihren Reformprozess Synodaler Weg fortzusetzen. Am Donnerstagabend aber sorgen sie für einen Paukenschlag - der die Reformen schon scheitern lassen könnte. [….] Fassungslosigkeit, gewaltige Enttäuschung und Tränen: Bei der Synodalversammlung der katholischen Kirche in Frankfurt ist am Donnerstagabend ein grundlegender Text zur kirchlichen Sexualmoral gescheitert. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe erreichte der Text nicht, der eine Liberalisierung der kirchlichen Sexualmoral anstrebte. Nur 33 Bischöfe stimmten für den Text bei 21 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. [….] Am Abend dann rang Stetter-Karp [Präsidentin des Zentralrats der deutschen Katholiken (ZdK)] um Fassung. Wenn sich ein solches Abstimmungsverhalten wie bei der Sexualmoral auch beim Text über die Rolle der Frauen wiederhole, "stehen wir vor einem Scherbenhaufen", sagte sie. "Ich erwarte von den Bischöfen mit ihrer Macht, dass sie zu ihrer Meinung offen stehen." [….] "Es kann doch nicht sein, dass die Gläubigen bei den Bischöfen bleiben müssen, aber die Bischöfe bleiben nicht bei uns!", rief die Ordensschwester Katharina Kluitmann. Die Benediktinerin Philippa Rath sagte, sie fürchte, dass sich die Spaltung zwischen Gläubigen und Bischöfen angesichts solchen Verhaltens vertiefen werde. "Ich fühle mich, als sei ich ins Messer gelaufen", sagte eine Laienvertreterin. Ein Sprecher sah den Synodalen Weg bereits gescheitert. [….] Der Text über Sexualmoral übrigens galt im Vorfeld noch nicht einmal als der mit der meisten Sprengkraft. Deutlich kontroverser dürfte es bei der Diskussion über die Neubewertung von Homosexualität am Freitag zugehen. [….]
Marcel Reich-Ranicki mochte keine Bücher, in denen der Ich-Erzähler ein Kind ist, weil er sich dadurch unangenehmerweise gezwungen sah, eine weniger intellektuelle Perspektive einzunehmen. „Ich schätze intelligente Erzähler“ pflege er zu sagen. Andere Literaturkritiker widersprachen vehement. Ich bin aber Team Reich-Ranicki. Obwohl es in „Shogun“ laufend wechselnde Erzähl-Perspektiven gibt, ist Yoshi Toranaga bis heute meine liebste Romanfigur, weil er schlauer als alle anderen Figuren des Buchs ist. Er mächtig und kann die meisten Menschen mit seinem direkten Befehl dirigieren. Aber die intelligentesten seiner Mitstreiter und diejenigen, die ihn aus freiem Willen unterstützen, manipuliert er, ohne daß sie es merken.
Meine Lieblingsstellen in dem Buch sind die, in denen eine intelligente Nebenfigur lächelnd, zumindest Teile der Toranaga-Pläne durchschaut und bemerkt, wie geschickt der Fürst anderen etwas vorspielt.
Es ist ein Vergnügen, zu lesen wie Toranagas Pläne funktionieren, weil ich mir seinen Erfolg wünsche.
Hier enden freilich die Parallelen mit den katholischen Bischöfen, weil ich mir den Misserfolg der Kirche wünsche. Ich staune, wie dämlich die katholischen Laien sind. Immer wieder lassen sie sich einlullen und bleiben in der Kirche.
Sie könnten einfach austreten; da haben sie es wesentlich einfach als Toranagas Untertanen, die ihn zwar auch gelegentlich verlassen, dann aber auch sofort dafür geköpft werden.
Erst wenn die Bischöfe wie jetzt beim Synodalen Paukenschlag von Frankfurt wirklich plump agieren, scheinen einige der manipulierten Schäfchen zu verstehen, wie sie verarscht werden. Daß sie aus Enttäuschung weinen, also überhaupt Hoffnungen hatten, zeigt ihre grenzenlose Naivität.
Glücklicherweise sind nicht alle verbliebenen Mitglieder ganz so verblödet und ziehen den einzig richtigen Schluß, nämlich den Austritt aus der Kirche.
[…] Demokratie à la Kirche: Eine Minderheit darf alles blockieren.
[….] Nun ist beim vierten Treffen des Synodalen Wegs ein Text zur Sexualmoral gescheitert. Zwar wurde die Zweidrittelmehrheit mit 82 Prozent insgesamt deutlich übertroffen. Aber es stimmten nur knapp 60 Prozent der Bischöfe zu. So geht Demokratie à la Kirche: 40 Prozent können verhindern, was mehr als 80 Prozent wollen. [….] Diese Kirche hat sich über Jahrzehnte auch als Vereinigung organisierter Sexualkriminalität erwiesen. Und nun verhindern Bischöfe einen Text, in dem Schuld festgestellt sowie beklagt wird, dass die Kirche durch eine Fixierung der Sexualität auf die Ehe "Menschen ausgegrenzt, tief verletzt und in ihrer Menschwerdung behindert" hat. Was gibt es an dem Satz abzulehnen? Immer wieder erstaunlich, mit welcher Akribie so viele Bischöfe daran arbeiten, die Gläubigen zu vertreiben. [….]
Toranaga wäre das nicht passiert. Zum Glück sind die meisten Bischöfe nicht annähernd so schlau wie er.