Mittwoch, 4. Januar 2017

Viecher und Ideologie



Tierliebe tritt meistens selektiv und subjektiv auf.

Wer seine Katze hegt und pflegt; in Tränen ausbricht, wenn er auf Mallorca magere herrenlose Katzen herumstreifen sieht, verschwendet unter Umständen keinen Gedanken an die Zustände in Schweinemastbetrieben, obwohl er jeden Morgen Mettwirst frisst.

Als in den 1980er Jahren weltweit die Empörung über das Totprügeln (das Fell sollte keine Einschusslöcher haben) von Robbenbabys hochkochte, konnte diese Form der Robbenjagd deswegen gestoppt werden, weil die niedlichen runden Babys mit dem weißen Fell und den Knopfaugen über das perfekte Kindchenschema verfügten. Vorher-Nachher-Bilder mit den blutigen abgezogenen Robbenkörpern waren ein so krasser Gegensatz, daß kaum ein Auge trocken blieb.

Gleichzeitig wurden viel mehr Haie brutal abschlachtet – 100 Millionen Exemplaren jährlich werden bei lebendigen Leib die Flossen abgeschnitten, um sie dann immer noch lebendig zum elenden Verrecken zurück in den Ozean zu werfen.
Haifleisch schmeckt nicht besonders gut.
Im Gegensatz zu Robben verfügen sie auch nicht über kuscheliges Fell.
Haie haben ein Mundwinkelproblem. Die Mundwinkel sind nach unten gerichtet, so daß sie für den Homo Sapiens grimmig aussehen, während Delphine mit ihren nach oben gebogenen Mundwinkeln immer zu lächeln scheinen und uns gleich sympathisch sind.
Dabei sind Delphine als Warmblüter gefährlichere Jäger als Haie, sie verbrauchen wesentlich mehr Nahrung pro Kg Eigengewicht.

Thunfische, höchst beeindruckende Jäger haben sogar eine noch viel schlechtere PR-Abteilung. Niemand stört es, wenn sie in riesigen Netzen umkommen, obwohl sie in vielen Meeren bereits vom Aussterben bedroht sind. Aber wehe, es befindet sich ein Delphin als „Beifang“ unter ihnen. Da drehen die Tierschützer durch.

Ich versuche natürlich konsequenter und rationaler zu sein, kann aber dieses Vorhaben nicht durchhalten.

Meine Lieblingstiere sind neben allen Piepsis auch Wale.
Hat sicher etwas mit meiner Kindheit zu tun, weil ich da so schöne Wal-Bücher geschenkt bekam und als Teenager kamen auch noch diese CDs mit den Gesängen der Buckelwale in Mode.

Wenn ich über „J2-Granny“ lese, die nun im Alter von über 100 Jahren verstorben zu sein scheint, bin ich ganz traurig.

[….] Das Schwertwalweibchen "J2" war für Beobachter immer leicht an ihrem Sattelfleck unterhalb der Rückenfinne zu erkennen und an der halbmondförmigen Kerbe an der Flosse. Weil sie mit mehreren Generationen ihrer eigenen Nachkommen in einer Gruppe von etwa 25 Tieren zusammengelebt hat, dem "J-Pod", und weil sie mit geschätzt 105 Jahren der älteste lebende Schwertwal war, wurde J2 auch "Granny" genannt, "Oma". Am 12. Oktober wurde Granny zum letzten Mal gesichtet als sie ihre Orka-Gruppe in den Puget Sound führte, eine Meeresbucht im Nordosten des US-Bundesstaates Washington. Ihre Familie tauchte wieder auf, doch Granny ist seither verschollen. Zum Jahreswechsel veröffentlichte das Center for Whale Research, das diese Gruppe viele Jahre lang beobachtet und erforscht hat, einen Nachruf auf J2 auf seiner Webseite. "Mit Bedauern nehmen wir jetzt an, dass sie verstorben ist", heißt es dort.
Grannys Abschied ist nicht nur für ihre menschlichen Begleiter ein Verlust, sondern vor allem für ihre Familie, die sie über viele Jahrzehnte hinweg geleitet hat. Sie geriet 1967 sogar einmal in Gefangenschaft, wurde aber wieder frei gelassen. Großen Respekt zollen ihr die Forscher auch für die Fähigkeit, ihre Familie in der sich heftig verändernden Umwelt immer wieder zu ergiebigen Fischgründen zu führen. Sie soll ihre Gruppe fest im Griff gehabt haben. Schwammen Tiere in eine andere Richtung als der Rest der Familie, rief Granny sie mit Schlägen der Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche zur Ordnung. [….][….]

Und ja, ich weiß, daß es Europäer und Amerikaner waren, die viele Walarten an den Rand der Ausrottung brachten. Geldgierige Christen, die noch nicht mal die ganzen Kadaver verwerteten, sondern nur für den schnellen Profit Tran und das „Walrat“ ausbeuteten.

Der Wal-Buhmann von heute ist aber Japan, obwohl die Techno-Insel mit rund 1.000 erlegten Kleinwalen im Jahr vergleichsweise harmlos ist.
Japan begann aber erst in den 1950er Jahren mit dem industriellen Walfang und klammert sich neben Norwegern und Isländern bis heute daran, weil es partout nicht den anderen Nationen nachgeben will, die versuchen das Walfangmoratorium von 1987 durchzusetzen.
Japan sieht seine nationale Ehre in Gefahr und verhandelt zäh und erfolgreich gegen die internationale Öffentlichkeit.
Zuletzt gelang es dem industriellen Inselstaat so viele finanziell von Japan abhängige Kleinstaaten in den IWC (Internationale Walfang-Kommission) zu drücken und zu bestechen, daß ausgerechnet der japanische Walfang-Lobbyist Morishita zum IWC-Vorsitzenden gewählt wurde.
Willkommen in Schilda.
Das ist ähnlich sinnvoll wie den Vorsitz der UN-Menschenrechtskommission Saudi-Arabien anzutragen.

Es gibt aber einen weiteren Grund sich über die japanische Regierung zu ärgern.
Walfleisch spielt ökonomisch keine Rolle in Japan, die Japaner mögen das Zeug noch nicht mal. Selbst im eigenen Land kann man das blutig-tranige Fleisch nicht absetzen.
Es erfordert enorme Anstrengungen von der Regierung die illegal getöteten majestätischen Tiere zu verwerten.
Japan betreibt seine Walfangflotten aus purem Nationalstolz, aus Großmannssucht und Trotz.
Zum Kotzen.

[….]  Seit 1960 ist der Absatz um 99 Prozent zurückgegangen. Bis in die Siebzigerjahre war Wal oft Bestandteil des Schulmittagessens. Viele Japaner können das Fleisch seitdem nicht mehr riechen: 90 Prozent verzichten komplett darauf.
Für Ayukawahma endete damit der Boom. Lebten vor 50 Jahren noch 
16 000 Menschen in der Stadt, sind es heute nur noch wenige Tausend. Die Jungen wandern ab, die Fischer beschäftigen Gastarbeiter aus Indonesien. Walfang und den Handel mit Walprodukten betreibt nur noch eine Handvoll Leute.
[….] Walfleisch ist billig in Japan. Trotzdem bleiben nach Angaben des International Fund for Animal Welfare (IFAW) drei Viertel des Walfleischs unverkauft. Aufrufe des japanischen Forschungsinstituts, man solle mehr Wal essen, verhallen ungehört. Um den Absatz anzukurbeln, begann der Staat vor einigen Jahren sogar, wieder Walfleisch an Schulküchen zu liefern.
[….] Wirtschaftlich ist der offiziell private Walfang irrelevant. Er existiert nur noch, weil die Steuerzahler ihn finanzieren - mit etwa 40 Millionen Euro pro Jahr, schätzt der IFAW. Mit den Zuschüssen helfe Tokio weder armen Regionen noch Familien, sondern halte bloß die Wal-Bürokratie am Leben, so die Organisation. Japan kämpft trotzdem mit harten Bandagen für sein Fangrecht. An diesem Punkt kann die Regierung ohne hohe politische Kosten den Eindruck erwecken, dass sie sich von "den Amerikanern" nichts vorschreiben lässt. [….]