In der unterkomplexen Gedankenwelt des Fritze M. gab es
drei Aspekte, die ihn gestern in die Arme der AfD trieben:
1.) Privat
denkt er tatsächlich so misogyn und xenophob, wie die AfD-Nazis. Er verfügt
über keinen menschlichen Anstand. Das zeigt schon seine Wortwahl.
[….] Falsch ist vor allem das, was Friedrich Merz
inhaltlich fordert. Und falsch ist seine Sprache. Denn sein Vorschlag, die
deutschen Grenzen dicht zu machen und Geflüchtete ohne Prüfung einfach
zurückzuschicken, verletzt deutsches, europäisches und internationales Recht.
Es ist ein Grundgedanke des Flüchtlingsrechts, dass
jeder, der an eine europäische Grenze kommt, ein Recht darauf hat, dass sein
Fall zumindest geprüft wird. Geprüft, ob ein anderer Staat im Dublin-System
zuständig ist. Geprüft, ob bei einer Zurückweisung eventuell
Menschenrechtsverletzungen drohen. Das Asylrecht ist ein Recht für den
Einzelfall. Der Einzelne, der vor Verhältnissen flieht, die ihn als Menschen
gefährden. Dieser Einzelne hat Rechte.
Und es ist vor allem die Sprache von Friedrich Merz,
die zeigt, dass seine Politik dieses Grundverständnis angreift. Die
Geflüchteten werden hier statt zur Rechtsperson zur Masse, die abgewehrt werden
muss - mit einem "Zustrombegrenzungsgesetz".
"Kompromisse" seien bei "diesen Themen
nicht mehr möglich". Und überhaupt sei "das, was im Monat abgeschoben
wird, in drei Tagen wieder da". "Das", was da abgeschoben wird,
sagt Merz - und meint wohlgemerkt Menschen. Mit einer solchen kompromisslosen
Sprache der Entmenschlichung hat auch die AfD angefangen. [….]
(Max Bauer, ARD, 30.01.2025)
2.) Merz hasst
Scholz und Habeck persönlich, wie die Pest, weil er ihnen ihre Posten neidet.
Posten, die sie seiner Ansicht nach, nicht verdienen. Die nur ER verdient.
3.) Merz
glaubt; in diesem Fall leider zu Recht; die
Mehrheit des Urnenpöbels auf seiner Seite zu haben, wenn er xenophobe Gesetze
fordert, die zwar ohnehin nicht umsetzbar sind und keinerlei Effekt auf
psychisch kranke Gewalttäter, wie den von Aschaffenburg hätten, die aber das
wohlige Abwehrgefühl gegen alles Fremde bedienen.
Da der CDUCSU-Kanzlerkandidat bekanntermaßen ein bißchen blöde ist,
war er natürlich nicht in der Lage, den toxischen Fallout seines Nazi-Kuschelkurses
einzukalkulieren und gibt sich nun überrascht.
Er hat gar nicht verstanden, wie sehr er seine Koalitionsverhandlungsposition
nach dem Wahltag schwächt. Daß er Olaf Scholz ein großes Wahlkampfthema auf dem
Silbertablett präsentiert. Wie sehr seine Glaubwürdigkeit ramponiert ist.
In einer besseren Welt, würde sich der Souverän gruselnd
abwenden. Die CDUCSU verlöre noch zehn Prozentpunkte bis zum Wahltag; SPD,
Grüne und Linke legten je fünf Prozentunkte zu und es könnte endlich eine
RRG-Reformregierung geben, die nicht von der hepatitisgelben Pest talibanisiert
wird. Bei dem real existierenden Urnenpöbel, hoffe ich zwar auch auf ein
bißchen demoskopische Bewegung, bin aber selbstverständlich äußerst
pessimistisch.
Daher möchte ich Herrn Merz, stellvertretend für seine
Partei, alle CDUCSU-Bundestagsabgeordneten (außer Antje Tillmann), die CSU, die FDP und
das BSW ein paar Fragen stellen. Rhetorische Fragen natürlich. Denn die Antwort
lautet in allen Fällen ohnehin „Nein“!
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, dem
Zentralrat der Juden ein Messer in den Rücken zu rammen?
[…..] Empört zeigte sich
auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.
"Ich finde es enttäuschend, dass die demokratischen politischen Kräfte in
unserem Land - auch in Zeiten des Wahlkampfs - nicht in der Lage waren, sich auf
ein gemeinsames Vorgehen zu einigen und damit der AfD diese Bühne bereitet
haben", sagte Schuster der Jüdischen Allgemeinen. [….]
(Tagesschau, 29.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, dem
Zentralrat der Katholiken ein Messer in den Rücken zu rammen?
[….] Die Präsidentin des
Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, warf Merz
vor, aus Wahlkampftaktik den Grundsatz der Menschenwürde zu verletzen.
"Friedrich Merz verlässt wissentlich in der Frage des Asylrechts den Boden
des Grundgesetzes", sagte sie der Augsburger Allgemeinen. [….]
(Tagesschau, 29.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, der
evangelischen Kirche ein Messer in den Rücken zu rammen?
[….] Die aktuellen Unions-Anträge zur
Begrenzung von Migration stoßen bei der evangelischen Kirche auf starken
Widerspruch. „Sie sind aus unserer Sicht nicht dazu geeignet, die Probleme zu
lösen, weil sie einen deutschen Alleingang darstellen“, sagte die EKD-Ratsvorsitzende
Kirsten Fehrs im Gespräch mit dem „Focus“ (Freitagsausgabe). „Wir können die
Probleme aber nur gemeinsam in der EU lösen.“ [….]
(dts, 29.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht,
evangelische Geistliche aus Ihrer Partei zu treiben?
[….] Pfarrer Jörg Niesner
hatte bereits Mittwochabend mit einem Video auf dem Social Media Kanal
Instagram auf die Geschehnisse am Mittwoch im Bundestag reagiert und seinen
Austritt aus der CDU am Mittwoch erklärt: "Ich bin raus nach 25 Jahren.
Ich verdanke der Partei viel, aber das was ihr heute abgezogen habt, macht es
mir unmöglich zu bleiben. Ausdrücklich würdige ich alle Kräfte der Mitte, die
mit teilweise extrem viel Engagement Politik vor Ort machen. Für mich ist der
Weg mit der Union aber nun leider endgültig zu Ende." Jörg Niesner ist Pfarrer in
Laubach und unterwegs auf Instagram und tellonym.me. Dort nimmt er sich als
@wasistdermensch Zeit für die Lebens- und Sinnfragen, aber auch politische
Fragen werden von ihm angegangen. Dass sich Kirche in Politik einmischen sollte,
dieser Meinung ist auch Bischöfin Christiane Tietz. In einem Interview mit
hessenschau.de hatte die neue Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in
Hessen und Nassau (EKHN) bereits am Montag gesagt: "Das Evangelium, also
die Überzeugung, dass für Gott alle Menschen gleich wertvoll sind, hat
politische Auswirkungen.
Man könne nicht ausblenden,
was das für Auswirkungen auf den Umgang miteinander hat. Insofern müsse Kirche
politisch sein. Dieser Ansicht schließt sich auch Christian Spangenberg vom
evangelischen Magazin indeon.de an, der in einem Kommentar die CDU auffordert,
das "C" zu streichen. [….]
(epd, 30.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, deutschen
Juden Angst zu machen und Michel Friedman aus Ihrer Partei zu treiben?
[….] Nach der gemeinsamen
Abstimmung von Union und AfD im Bundestag verlässt Michel Friedman die CDU. Der
Publizist jüdischen Glaubens sprach von einer "katastrophalen Zäsur"
und einem "unentschuldbaren Machtspiel".
Es ist erst gute drei
Monate her, da rechnete ein zorniger Michel Friedman im Landtag mit den
anwesenden AfD-Abgeordneten ab. "Geistige Brandstifter" nannte er
sie. Zu bestimmen, wer ein Mensch, wer Deutscher sei – das maßten sie sich als "billige
Imitationen" jener Nazi-Herrenmenschen an, vor denen der Unternehmer Oskar
Schindler einst 1.200 Juden gerettet habe.
Nun geht der Frankfurter
Publizist jüdischen Glaubens mit einer Partei ins Gericht, deren Abgeordnete
ihm damals mit anderen im Stehen applaudierten. Es ist seine eigene, die CDU.
Oder besser: Es war sie. Der 69-Jährige ist am Donnerstag aus der Union ausgetreten,
wie er dem hr sagte. [….] Grund ist, dass die CDU/CSU-Fraktion in Berlin
mit Hilfe der AfD einen Antrag zur Verschärfungen des Asylrechts durchgebracht
hat. Friedman nennt das "eine katastrophale Zäsur für die Demokratie der
Bundesrepublik" und ein "unentschuldbares Machtspiel".[….] Friedman
wörtlich: "Die Naivität derjenigen, die bei der CDU uns erklären wollen,
dass das alles ja nicht gewollt war, dass man deren Stimmen gar nicht haben
wollte, ist so unterkomplex, dass man da gar nicht mehr hinhören kann."
[….]
Tagesschau, 30.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, als
neuer Franz von Papen zu gelten und Myriaden Menschen entsetzt und abgestoßen
von Ihnen vor den CDU-Gebäuden demonstrieren zu sehen?
[….] Zehntausende Menschen
haben bundesweit gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD sowie gegen
einen Rechtsruck protestiert. In Berlin versammelten sich am Abend mehrere
Tausend Menschen vor der CDU-Parteizentrale. Die Polizei schätzte die Zahl der
Teilnehmer auf etwa 6000. In München demonstrierten demnach etwa 7000 Menschen
vor der CSU-Parteizentrale. [….] In Düsseldorf nahmen laut Polizei rund
2500 Menschen an einer Protestaktion teil. In Münster demonstrierten nach
Polizeiangaben rund 2800 Menschen. Auch in Köln, Dortmund, Duisburg und Essen
sollten am Donnerstag und in den nächsten Tagen Demonstrationen stattfinden,
die sich gegen die AfD und eine Zusammenarbeit der CDU mit ihr richten.
In Hannover versammelten
sich nach Polizeiangaben rund 7000 Menschen. Auf der Kundgebung sprachen auch
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Niedersachsens Kultusministerin Julia
Willie Hamburg (Grüne).
In Freiburg gingen
ebenfalls mehrere Tausend Menschen auf die Straße. Die Polizei ging in einer
ersten Schätzung von bis zu 11 000 Demonstrantinnen und Demonstranten aus.
Unter dem Motto „Brandmauer verteidigen“ versammelten sie sich am Platz der
Alten Synagoge in der Altstadt. [….]
(SZ, 30.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, ausgerechnet
am Tag der Bundestagsgedenkveranstaltung 80 Jahre Befreiung des KZ Auschwitz,
im ehemaligen Reichstag wieder die Nazis zu ermächtigen?
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, daß Holocaustüberlebende
so entsetzt von Ihnen sind, daß sie ihre Bundesverdienstkreuze zurück geben?
[…..] Der
Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg will sein Bundesverdienstkreuz
zurückgeben. Grund ist die gestrige Zustimmung des Bundestags zu einem
Fünf-Punkte-Plan der Union für eine Verschärfung der Migrationspolitik. Ein
entsprechender Antrag fand unter anderem mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit.
Weinberg zeigte sich
schockiert über das gestrige Ergebnis. Es sei eine spontane Entscheidung
gewesen, das Bundesverdienstkreuz zurückzugeben, das eine hohe Ehre für ihn
sei. "Es ist zu schwer geworden, es zu tragen, wenn man solche Nachrichten
hat. Furchtbar", sagte der 99-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.
Auch der Mannheimer
Fotograf Luigi Toscano, der sich wie Weinberg für ein NS-Gedenken engagiert,
möchte es ihm gleichtun. Er werde die ihm 2021 verliehene Ehrung zusammen mit
Weinberg bald an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurückgeben. […..]
(Tagesschau, 30.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, daß die
die Nazis im Bundestag nicht nur buchstäblich ermächtigen, sondern zu Jubelstürmen
veranlassen?
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, mit Ihrer
Hetze, nach dem Vorbild der AfD das
Land zu spalten und die Menschen gegeneinander aufzubringen?
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, von
rechtsradikalen und antisemitischen Autokraten und Putin-Fans, wie Viktor Orbán
„im Club“ willkommen geheißen zu werden?
[….] Der ungarische
Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich süffisant zu dem mit AfD-Hilfe im
Bundestag beschlossenen Migrationsantrag der CDU geäußert. „Guten Morgen,
Deutschland“, schrieb der Rechtspopulist in deutscher Sprache auf X. In
Englisch fügte er hinzu: „Welcome to the club!“ (Willkommen im Club!)
Orban betreibt seit 2015
eine Abschottungspolitik gegenüber Geflüchteten und Migranten. Die Errichtung
eines Grenzzauns zu Serbien sowie Abschiebungen direkt an der Grenze ohne
Prüfung von Asylgründen hatten ihm viel Kritik eingebracht. Auf Verschärfungen
der Asyl- und Migrationspolitik in westlichen Ländern wie Deutschland reagiert
er mit Genugtuung. [….]
(FR, 30.01.2025)
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, selbst
die extrem politabstinente Angela Merkel gegen sich in Stellung zu bringen?
Herr Merz, schämen Sie sich eigentlich gar nicht, hunderte Intellektuelle und Kulturschaffende,
in Rage zu versetzen?
[….] Offener Brief an
Friedrich Merz, die Abgeordneten von Union, FDP und BSW: “Zum Fall der
Brandmauer - gegen jede Zusammenarbeit mit der AfD”
Am vergangenen Wochenende
sind wieder Hunderttausende auf den Straßen zusammengekommen, um für ein
wahrhaftes und politisch gelebtes “Nie wieder ist jetzt!” einzustehen und gegen
die AfD und jegliche Zusammenarbeit mit ihr zu demonstrieren. Umso entsetzter
sind wir über eine Zäsur in der deutschen Geschichte:
Denn die Union, gefolgt von
FDP und BSW, droht, die ohnehin bröckelnde Brandmauer gänzlich einzureißen,
indem sie für ihre Pläne zur Sicherheits- und Migrationspolitik die Zustimmung
der AfD und eine faktische Zusammenarbeit mit dieser in weiten Teilen rechtsextremen
Partei in Kauf nimmt. Dieser Pakt mit
der AfD bedeutet einen historischen Tabubruch. Menschen Asyl zu gewähren, ist
ein in der Verfassung verankertes Grundrecht und darin auch eine der zentralen
Lehren aus den Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Union ist bereit, diese
Rechte mit den ideologischen Erben der Täter zu beschließen und mit dem
historischen Konsens des “Nie wieder” zu brechen. In der Woche des
Holocaustgedenktages.
Sie, die Adressaten dieses
Briefes von Union, FDP und BSW, Sie alle haben so oft gesagt: “Nie wieder ist
jetzt!” So oft haben Sie gesagt: “Die Brandmauer steht.” Doch nein, Sie sind es
nicht, die sie stützen, Sie destabilisieren Sie auf dramatische Weise und wir
stellen fest: Wir, die Zivilgesellschaft dieses Landes, müssen nun diese
Brandmauer sein und Sie an Ihre Versprechen erinnern. Sie drohen, Grundrechte
mithilfe von Rechtsextremen auszuhöhlen und verhelfen der AfD so zu Einfluss
und Macht - sogar auf gesetzgeberischer Ebene, sollte auch am Freitag bei der
nächsten Abstimmung gemeinsame Sache mit ihr gemacht werden.
Wir, die Unterzeichnenden
dieses offenen Briefes aus Kunst, Kultur, Medien und öffentlichem Leben,
fordern die Abgeordneten von Union, FDP und BSW auf, von ihren
verfassungswidrigen Plänen und jeglicher Art der gemeinsamen Sache mit der AfD
umgehend Abstand zu nehmen. Stimmen Sie gegen den Entwurf oder bleiben Sie der
Abstimmung fern. Wir verurteilen zudem
die Form der Spaltung und Hetze, die durch den aktuellen rassistischen,
antisemitischen, diversitäts- und klimafeindlichen Diskurs geschürt wird und
einem Abdriften der Gesellschaft ins rechte Spektrum zuspielt. Geschichte
wiederholt sich und wir schauen dieses Mal nicht weg. [….]
(Vogue, 30.01.2025)