Und schon wieder einmal zeigt der Kalender einen „1.1.“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Jahres zu küren.
Parallel zur massiv zunehmenden Gesamtverblödung in der Welt, war die Kandidatenschar im vergangenen größer denn je: Friedrich Merz, Elon Musk, Carsten Linnemann, Sahra Wagenknecht, Markus Söder, Donald Trump, Christian Lindner, Wolfgang Kubicki, Rainer Wendt, Manuel Ostermann, CNN, Matthias Döpfner, Ulf Poschardt, Julian Reichelt, Viktor Orbán, Jens Spahn, Thorsten Frei – sie alle wären würdige Gesamtjahresimpudenzen.
Den Preis erhält aber diesmal etwas Abstrakteres: Die Deutsche Beharrungskraft.
Dieses unerträgliche Phlegma, das jeden notwendigen Fortschritt unendlich verzögert. Wir sind bei der Digitalisierung nicht nur international abgehängt, sondern auch stolz darauf, immer noch das meiste mit Bargeld zu bezahlen; an Kassen mit Münzen und Scheinen rumzufummeln.
Daß es in allen anderen Ländern auf Autobahnen Tempolimit gibt, weil alle anderen erkannt haben, wie dadurch das Klima geschont wird und weniger Menschen im Verkehr sterben, interessiert uns nicht, weil wir noch nie Tempolimit hatten und was schon immer so war, muss auch so bleiben. Wir böllern, weil wir immer böllern.
Deswegen haben wir im Gegensatz zu unseren Nachbarn auch kaum Wärmepumpen, sondern blasen die fossile Energie durch kaum isolierte Häuser in die Außenwelt. Das haben nämlich Oma und Opa auch schon so gemacht.
Viel größere Nationen, wie China mit 18 mal so vielen Menschen wie Deutschland, schaffen es, ihre Tanker rasant umzusteuern: Windkraft, Elektroautos, basta. Verbrenner werden einfach nicht mehr zugelassen.
Die Deutschen hingegen sind die Inkarnation des
Trägheitsmomentes. Selbst wenn einmal sanft und noch viel zu langsam, notwendige
Erneuerungen geplant werden, setzt der Urnenpöbel gleich zum Rollback um ein
paar Jahrzehnte an:
In alle Umfragen sieht es nach einer
70%-Mehrheit für die Parteien aus, die die minimale
Cannabis-Freigabe gleich wieder beenden wollen, die Transmenschen wieder ihre
Rechte nehmen wollen, die den Klimaschutz zurückdrehen möchten, die auf die 80-Jahre
alte Risikotechnologie Atomkraft setzen, die dem Fax-Gerät frönen, Frauen keine
vollen Rechte zugesehen wollen, auf einen Staatsbürgerschaftsbegriff aus dem
19. Jahrhundert beharren.
Der vielleicht fatalste Satz, der in den letzten 20 Jahren gesprochen wurde, war Merkels „sie kennen mich“ aus dem TV-Duell mit ihrem damaligen Herausforderer Peer Steinbrück am 1. September 2013. Der SPD-Klartextmann war und ist ein echter Reformer, der auch unangenehme Wahrheiten aussprach. Das will der Wahlmichl aber genauso wenig hören, wie die von der SPD bei der Bundestagswahl 1990 völlig richtig dargestellten Megaprobleme mit der deutschen Vereinigung. Es sollte eben alles so bleiben, wie zuvor. Lieber doch keine neue Verfassung.
Merkels 23 Jahre später formuliertes „sie kennen mich,“ bildete die Apotheose des Urnenpöbel-Phlegmas: Bloß nichts wagen, bloß nichts ändern, immer schön stillhalten.
Dieser Charakterzug ist schon im privaten Bereich unsympathisch, aber auf politischer Ebene ist es fatal so zu handeln. 16 Jahre Kohl-Stillstand konnten noch ein wenig durch die folgenden sieben rotgrünen Reformjahre repariert werden. Deutschland fand wieder den Anschluß an das Niveau der anderen Industrienationen, wurde führend bei Windkraft und Photovoltaik. War endlich nicht mehr „der kranke Mann Europas“.
Aber die 16 Jahre Merkel-Stillstand, die sich wie Mehltau über alle Bereiche der Verwaltung, Wirtschaft und Kultur legten, haben jeden Reformeifer so dezimiert, daß es gar nicht erst zu einer Reformregierung kam. Nur ein Drittel der Wähler setzte auf Rot oder Grün und so zwang der Urnenpöbel der Scholz-Regierung die große hepatitisgelbe Reformbremse auf, die im Kabinett stets ein NJET hören ließ, wenn die Ampel ein Problem anpacken wollte. So konnte nur ein Bruchteil dessen, was Grüne und Sozi-Minister anschieben wollten, tatsächlich umgesetzt werden. Keine Bürgerversicherung, kein Tempolimit, keine Millionärssteuer.
Es war leider nicht nur die kleine gelbe Pest, die stets stoppte. Die Mehrheit des Urnenpöbels will kein modernes Staatsbürgerschaftsrecht, keine elektronische Patientenakte, keine Ende der Schuldenbremse, keine Krankenhausreform, keine Impfpflicht, kein Verzicht auf Bargeld, keine effizienteren zentralen Strukturen.
Dafür stehen Opa Merz und die Seinen; dafür werden sie die nächste Bundesregierung anführen.
Statt daß eine Partei, die ernsthaft das von der CDU-EU-Chefin durchgesetzte Verbrennerverbot, wieder schleifen will, um die deutsche Autoindustrie zurück in die Steinzeit zu schieben, bei NULL Prozent, in dem Umfragen liegt, überholt sie alle anderen. Jeder weiß, warum Bundesbahn und Bundeswehr hoffnungslos veraltet sind und Deutschland zur internationalen Lachnummer machen: 16 Jahre C-Minister, die jede Investition in die Zukunft blockierten. Ramsauer, KTG, Jung, Dobrindt, de Maizière, AKK, Scheuer. Statt aber für immer die Finger von so einem Personal zu lassen, denkt sich der deutsche Michel nach drei Jahren: „Spahn? Scheuer? Die waren doch super, die sollen wieder Minister werden!“
Deutsche Wähler wollen den Stillstand.
Das ist nicht nur in der großen Bundespolitik so, sondern betrifft alle Ebenen, wie fast jeder Ausgang einer Volksentscheidung bezeugt. Stets wird für das „gestern“ votiert.
Wir kennen die großen Probleme dieses Landes. Damit die Bahn technisch zu unseren Nachbarn aufholt, braucht es Streckenneubau. Es braucht parallele Gleise, so daß Züge aneinander vorbei fahren können, ohne daß einer vorher auf einem Abstellgleis geparkt wird. Damit der Wind-Strom aus den Küstenbundesländern in den rückständigen deutschen Süden transportiert werden kann, braucht es Trassen.
Solche Bauvorhaben sind aber kaum möglich, weil es immer Anrainer gibt, deren Grundstücke betroffen sind und die sich verbittert gegen jede Veränderung wehren.
In Hamburg zeigt sich das bei dem Bau der dringend benötigten UBahn-Linie 5, die zwar, wie es der Name sagt, unterirdisch verläuft, für deren Bau aber temporär Flächen benötigt werden, um die riesigen Maschinen und Teile für die Bahnhöfe zu lagern. Sofort bilden sich NIMBY-Bürgerinitiativen, um das zu verhindern.
Seit meiner Jugend in den 1980ern, wuchs die Hamburger Bevölkerung um mehr als 400.000 Menschen und der Verkehr quoll um 400.000 Fahrzeuge an. Gleichzeitig ist viel weniger Platz, weil laufend Wohnungen gebaut werden. In der Folge gibt es täglich Stau und Verkehrschaos – ÜBERRASCHUNG!
Schon allein deswegen ist die hochmoderne U5 eine absolute Notwendigkeit. Hinzu kommen die bekannten ökologischen Argumente.
Statt aber froh und dankbar für eine SPD-Stadtregierung zu sein, die das Mammutprojekt finanziert und umsetzt, will vor Ort niemand behelligt werden. Die 23 Stationen und 24 Kilometer Strecke sollen nach Ansicht der Bürger, wie von Zauberhand über Nacht entstehen. Wehe, sie werden in ihrer täglichen Routine dabei tangiert.
Man kann mit diesem Land keine Hoffnung entwickeln. Schon gar nicht mit dem Blick auf das nach dem 23.02.2025 drohende politisch Regierungspersonal.
Nur darf man die Schuld nicht auf „die Politiker“ abwälzen, da diese nicht vom Himmel fallen. Spahn, Merz, Kubicki, Amthor und Lindner haben sich nicht in den Bundestag hineingeputscht, sondern wurden von Wählern und Nichtwähler ausgesucht und dort hingeschickt.
Man könnte auch andere Volksvertreter wählen und wenn einem die Auswahl nicht gefällt, könnte man sich an der Parteibasis engagieren, um auch darauf Einfluß zu nehmen. 99% der Wähler tun das aber nie, weil sie dazu zu träge sind.
Das wird hier nichts mehr.
It's all gone, it's all gone
Nothing left of all I loved
All feels lost
It's all gone, it's all gone, it's all gone
No hopes, no dreams, no more
No
I don't belong
I don't belong here
It's all gone, it's all gone
I will lose myself in time
It won't be long
It's all gone, it's all gone, it's all gone