Freitag, 26. Oktober 2012

General Doof




Man muß nicht alles sagen was wahr ist, 
aber alles was man sagt muß wahr sein.
(Egon Bahr)


Offiziell sind gerade ziemlich viele Menschen „empört“ darüber, wie die CSU mal wieder auf die öffentliche Berichterstattung Einfluß nehmen wollte.

Ich bezweifele allerdings sehr stark, ob auch die bayerischen CSU-Anhänger empört sind.
 In einem Land, in dem es nach wie vor üblich ist öffentliche Aufträge mit dem Landrat im Puff auszuklüngeln, statt öffentlich auszuschreiben, goutieren die Wähler gerade das nicht ganz astreine Verhalten ihrer Führer.
 Das gilt als gewitzt und klug UND bayerisch.
 Das Ausmaß der Amigo-Affären wäre in anderen Bundesländern undenkbar. 
Vor allem aber würde bei Bekanntwerden die entsprechende Partei abgewählt werden. 
Die Bayern aber stören die Strauß-Zwick-Pfahls-Tandler-Schreiber-Holtzer-Stoiber-Riedl-Connections gar nicht. Stoisch wurde die CSU trotzdem und gerade deswegen mit absoluten Mehrheiten bedacht.
Die bayerische Opposition versucht, Horst Seehofer die Verantwortung für den ZDF-Anruf seines Pressesprechers zuzuschieben. Nützen wird ihr das kaum. Ganz im Gegenteil: Potentielle CSU-Wähler schätzen die unerschütterliche Selbstzufriedenheit ihrer Staatspartei.
[…]  Wo kämen wir denn da hin, das hat man sich offenbar am vergangenen Wochenende auch in der CSU-Parteispitze gedacht. Das muss doch nicht sein, dass in den Hauptnachrichten über eine völlig unwichtige Veranstaltung der völlig uninteressanten bayerischen SPD berichtet wird. […]
Die Affäre um den Anruf gibt der CSU endlich wieder Gelegenheit, eindrucksvoll zu beweisen, wie ungebrochen sie ihre Traditionen pflegt. Als sei kein Tag vergangen, seit sich der BR 1982 auf Veranlassung der christsozialen Landesregierung aus dem ARD-Gemeinschaftsprogramm ausblendete, weil ihre Bevölkerung die schlimme Satire des "Scheibenwischer" nicht sehen sollte, demonstrierte sie ihr fast schon vergessen geglaubtes Staatsverständnis und ihr Verhältnis zur Pressefreiheit mit dem Anruf beim ZDF: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind frei, solange sie das bringen, was uns gefällt.
Ungebrochen auch die Methoden des Umgangs mit Affären: Zuerst wird geleugnet, das machte Strepp nicht anders als zuletzt Karl-Theodor zu Guttenberg mit seiner zusammenkopierten Doktorarbeit. Später, wenn es nicht mehr anders geht, distanziert sich die Spitze vom Sünder. […]
Nein, schaden wird der CSU der Wirbel um den Anruf beim ZDF kaum.
[…]  Sie werden die CSU wieder wählen, nicht nur trotz, sondern auch wegen ihrer Uneinsichtigkeit in der Anruf-Affäre. Sie können sich sicher sein: In Bayern bleibt alles beim Alten, wenn sie ihr Kreuz bei den Christsozialen machen. Mit einem wohligen Seufzen.
 Die in Restdeutschland geltenden Ansprüche an Moral und Ethik darf man offenbar nicht für Bayern anwenden.
Anders kann ich mir nicht erklären, daß ein so oft der Lüge und Hetze überführter Mann wie Alexander „Doof“ Dobrindt immer noch Seehofers Parteigeneralsekretär ist.

Dobrindt ist sogar international als Problem bekannt.

Martin Schulz wird in diesem Jahr mit der Europa-Lilie der EUD-Hauptstadtgruppe Europa-Professionell ausgezeichnet. […] Die Europa-Distel für den größten europapolitischen Fauxpas des Jahres geht an CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Die Preisverleihung findet am 27. Oktober in Düsseldorf im Rahmen des Bundeskongresses der Europa-Union statt.
[…] Die Europa-Lilie für bürgerschaftliches Engagement wird in diesem Jahr an zwei Partnerorganisationen verliehen, an das Europäische Forum für angewandte Kriminalpolitik e.V. und die Association Nationale des Visiteurs de Prison.
Preisträger der Europa-Lilie für europäische Jugendarbeit sind die beiden Radiosender Radio Klangbrett aus Aschaffenburg und Radio FM Air aus Luc-sur-Mer in Frankreich.

Die Europa-Union ist eine 1946 gegründete gemeinnützige Organisation mit 17.000 Mitgliedern, die sich die Völkerverständigung zum Ziel gesetzt hat.

Sagenhaft auch Dobrindts verlogene Ausflüchte auf die Fragen von PANORAMA

Er hatte sich schwer heuchelnd aus dem Fenster gehängt, um Peer Steinbrücks Nebeneinkünfte zu kritisieren. 
Dabei hatte der SPD-Kanzlerkandidat die bestehenden Transparenzregeln überkorrekt eingehalten. Von Rot-Grün eingeführte Regeln, die damals der CSU schon viel zu weit gingen. Dobrindts Partei lehnte sie ab.
Das, was Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU seines Zeichens, da gerade zum Thema Nebenverdienste von Politikern von sich gibt – ist dann doch überraschend. Selten konnte man Heuchelei derart gut nachweisen wie in diesem Fall.


In der gegenwärtigen Fernseh-Maulkorb-Affäre; inzwischen sind vier CSU-Anrufe zur Unterbindung von Berichten über die SPD bekannt geworden; blamierte sich Dobrindt durch tagelanges Schweigen.

Inzwischen wird er hart kritisiert und streitet alles ab. Er habe von nichts gewußt. Obwohl es sein unmittelbarer Aufgabenbereich als Generalsekretär ist, will er von der „Pressearbeit“ des Parteisprechers Strepp rein gar nichts mitbekommen haben.
Glaubhaft ist das nicht, aber Dobrindt spielt ohnehin in der Post-Truth-Era.
Dobrindt lehnt es ab, sich als Konsequenz aus der Affäre aus den ZDF-Kontrollgremien zurückzuziehen, wie dies die SPD verlangt. Dobrindt sitzt im ZDF-Fernsehrat. Er sagte der SZ, es gebe die "Notwendigkeit", mit dem ZDF weiter über den Vorfall zu reden. "Da habe ich auch in den Gremien eine Aufgabe zu erfüllen", sagte Dobrindt.
SPD-Landeschef Florian Pronold hatte gefordert, die Anruf-Affäre in den zuständigen Gremien des ZDF zu besprechen. "Allerdings ohne Horst Seehofer und Alexander Dobrindt." Seehofer sei befangen, weil er das ZDF bezichtigt habe, den Anruf Strepps falsch wiedergegeben zu haben. Der Ministerpräsident müsse deshalb sein Verwaltungsratsamt ruhen lassen. "Und Dobrindt ist als Mitglied des ZDF-Fernsehrates untragbar geworden, weil er in der Affäre vertuscht statt aufgeklärt hat", sagte Pronold.

Dobrindt geht beschädigt aus der Causa Strepp hervor. Seine Gegner in der Partei, von denen es einige gibt, beäugen seine Amtsführung ohnehin seit Monaten kritisch. Dobrindts Angriffe gegen Griechenland und gegen EZB-Präsidenten Mario Draghi sorgten vor allem unter Europapolitikern der CSU für Kopfschütteln. Mit dem Verbalschlag gegen Draghi - "Falschmünzer Europas" - überzog er selbst aus Seehofers Sicht. "Es hat sich eine Menge an Groll aufgestaut", sagt ein prominenter Christsozialer im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.
(Veit Medick und Severin Weiland 26.10.12)