Mittwoch, 26. Januar 2022

Äußerst unangenehme Frauen

Ich kenne Torf, dieses organische Moor-Sediment.

Ich kenne Turf, die Pferderennbahn.

Ich kenne Tarf, das zweirumpfige Rennauto.

Ich kenne Tirf, das spezielle fluoreszenzmikroskopische Verfahren.

Seit ein paar Jahren (genau genommen seit 2008)  taucht immer öfter auch der Begriff „Terf“ auf. Dabei handelt es sich, wie bei „Tirf“ (Total Internal Reflections Fluorescence Microscopy) um ein englischsprachiges Akronym, dessen korrekte Herleitung nur wenige kennen.

Trans-Exclusionary Radical Feminism („Trans-ausschließender radikaler Feminismus“), TERF, ist eine der Gegenkräfte zur Trans-Bürgerrechtsbewegung.

Insbesondere die besonders engagierten Cis-Feministinnen verschreiben sich dem TERF und steigern sich in einen blinden Hass auf ihre Trans-Geschlechtsgenossinnen hinein. Offenbar triggert es sie enorm, womöglich nicht exklusiv in der Opferrolle als diskriminierte Frau zu sitzen. Wenn auch noch eine weibliche Person wegen ihres Trans-Hintergrundes die Gefahr darstellt, sogar noch stärker als Cis-Frauen diskriminiert zu werden, werden Terfs zu Furien und diskriminieren ihrerseits drastisch und radikal. Es gibt Parallelen zur radikalen Hurenfeindlichkeit einiger Cis-Feministinnen.

[….] SWERF und TERF, das klingt zunächst wie „Surf&Turf. [….] Tatsächlich stecken hinter diesen Begriffen zwei Akronyme: „Sex Work Exclusionary Radical Feminism“ und „Trans-Exclusionary Radical Feminism“ – ein Radikalfeminismus, der Sexarbeiter*innen und Transpersonen ausschließt . [….] SWERF und TERF/TWERF schließen zwar unterschiedliche Gruppen aus, doch überschneiden sich immer wieder. Nicht selten gehen Transmisogynie und Hurenfeindlichkeit miteinander einher. Manche SWERFs und TERFs plädieren auch für ein Kopftuch- und Burkaverbot. Diese Haltungen werden zumeist älteren Feminist*innen zugeschrieben, die dem „Second Wave Feminism“ oder „Oldschool-Feminismus“ zugerechnet werden. [….] In den USA werden die beiden Strömungen unter dem Label exkludierender Radikalfeminismus zusammengefasst. [….]  Indem radikalfeministische Cisfrauen behaupten, dass Queer- und Transfeminist*innen ihre Realitäten unsichtbar machen, verschleiern sie die Gewalt, die sie selbst ausüben. Ein Beispiel dafür ist der Zusammenschluss Gender Identity Watch (GIW), der Transfrauen ausschließt und auf verschiedene Arten Gewalt an ihnen ausübt, beispielsweise durch Fehlgenderung und sogenanntes Deadnaming (die Verwendung der Geburtsnamen). 2013 unterzeichneten fast zehntausend Personen eine Petition, die GIW als Hassgruppe anerkennen sollte. [….]

(Hengameh Yaghoobifarah, 01.12.2016)

Die bekanntesten Vertreterinnen der Trans-Mobberinnen sind J.K. Rowling, Martina Navratilova, die britische Philosophin Kathleen Stock, die YouTuberin Magdalen Berns und Alice Schwarzer. Zumeist lesbische Misogynie-Opfer also, die nun zu Trans-Misogynie-Täterinnen werden und damit in das Boot mit anderen Trans-Hassern, wie Ultrakonservativen, Chauvinisten, Incels und Religioten steigen.

[…] Es gibt Feministinnen, die trans Personen nicht akzeptieren und gegen sie agitieren. Ihnen geht es nicht um Fakten, sondern um gefühlte Wahrheiten.  Tennisstar Martina Navratilova ist Feministin: Als eine der ersten offen lesbischen Spitzensportlerinnen überhaupt setzt sie sich seit Jahrzehnten für LGBTI-Rechte ein. Das hielt die inzwischen vor allem als TV-Kommentatorin tätige neunfache Wimbledon-Gewinnerin unlängst aber nicht davon ab, gegen trans Frauen zu polemisieren. Sie sprach sich lautstark dafür aus, trans Frauen vom Frauentennis auszuschließen – und bezeichnete diese dabei als Männer, die sich „entscheiden“, eine Frau zu sein. Navratilova ist kein Einzelfall. Beim Londoner Christopher Street Day traten im vergangenen Jahr acht lesbische Frauen an die Spitze der Parade: auf einem ihrer Transparente stand "Trans-Aktivismus löscht Lesben aus"; und in den Flyern, die sie verteilten, wurden trans Frauen als „heterosexuelle Männer, die vorgeben, eine Frau zu sein“ beschrieben. […]

(Linus Giese, 05.04.2019)

Verrückt, denn gerade Lesben (und Schwule) müssen sich immer gegen den Vorwurf wehren, sich für die Homosexualität entschieden zu haben. Dabei war es eben gerade nicht ihre Wahl. Aus derselben rechten Ecke kommt auch die idiotische Idee, Trans-Menschen entschieden sich aus einer Laune heraus, das Geschlecht zu wechseln. Dabei tun sie genau das eben gerade nicht, sondern passen den falschen Körper an das Geschlecht an, mit dem sie nun mal geboren wurden

In einer besseren Welt würden sich die Schwachen und Diskriminierten der Gesellschaft wenigstens gegenseitig unterstützen und zusammen gegen die Mobber aufstehen. Tatsächlich suchen sich Diskriminierte oder Gemobbte leider oft gezielt einen noch Schwächeren, den sie diskriminieren können. Damit wird das sogenannte „Radfahrerprinzip“ erfüllt, nachdem Menschen generell nach oben buckeln und nach unten treten.

(….)  Opfer werden zu Tätern. Oft sind Sadisten, die Kinder quälen selbst als Kind Opfer geworden und traumatisch gequält worden. Wer von seinem Vater geschlagen wurde und täglich erlebte, wie seine Mutter ebenfalls misshandelt wurde, behandelt später als Erwachsener mit höherer Wahrscheinlichkeit auch seine Frau und seine Kinder schlecht.

Missbrauch und Diskriminierung werden vererbt. Aber auch ohne eine Generation weitergereicht zu werden, können Diskriminierungserfahrungen dazu führen andere zu diskriminieren.  Einen noch Schwächeren zu suchen, an dem man den Frust auslassen kann, der sich ansammelte, als man von Stärkeren misshandelt wurde, kann ein psychologisches Ventil sein.

Ein groteskes Beispiel für diese Ventilfunktion ist die legendäre kalifornische „Proposition 8“ am 4. November 2008. In der Volksabstimmung wurde beantragt die gleichgeschlechtliche Ehe NICHT der Hetero-Ehe gleichzustellen.

    Absatz 1. Titel

        Dieses Gesetz soll als „Eheschutzgesetz Kaliforniens“ bezeichnet und zitiert werden.

    Absatz 2. Artikel 1, Absatz 7.5 wird der Verfassung Kaliforniens mit folgendem Inhalt hinzugefügt:

        Absatz 7.5. Nur die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau ist in Kalifornien gültig bzw. wird in Kalifornien anerkannt.

(Proposition 8)

Im sehr liberalen und LGBT-freundlichen Kalifornien war bei dieser Volksabstimmung durchaus eine Ablehnung erwartet worden. Der heutige kalifornische Gouverneur und damalige Bürgermeister von San Francisco hatte schon begonnen Männer mit Männern und Frauen mit Frauen zu verheiraten.  Alle schienen begeistert.  Tatsächlich wurde die Proposition 8 aber mit 7 zu 6,4 Millionen Stimmen (52%:48%) angenommen.  Der Grund war die gleichzeitig stattfindende Präsidentschaftswahl Obama gegen McCain. Die Aussicht erstmals in der US-Geschichte einen nicht weißen Mann als US-Präsidenten zu bekommen, hatte die schwarzen Kalifornier so elektrisiert, daß sie sich stärker als je zuvor an der Wahl beteiligten. Ausgerechnet unter Afroamerikanern, die auch religiöser als der Bevölkerungsdurchschnitt sind, waren aber die Vorbehalte gegen die gay marriage am größten.

Offensichtlich ist es für die selbst Diskriminierten überdurchschnittlich wichtig selbst wiederum auf eine andere Minderheit herabgucken zu können.

Es gibt ähnliche empirische Befunde über New Yorker Juden, die wiederum überdurchschnittlich kritisch auf Schwarze herabblickt.

Juden, Schwule, Schwarze – ein Elend; statt sich als Minderheiten zusammen zu schließend und den Kreislauf der Diskriminierung zu durchbrechen, diskriminieren sie sich noch gegenseitig, um das eigene Selbstbewußtsein etwas zu heben.  (….)
(Outing – Teil II, 29.09.2020)

Alice Schwarzer, die große Frauenrechtlerin, die zweifelsohne intelligent ist und viele Verdienste erworben hat – ich empfehle immer gern ihre Biographie über Marion Gräfin Dönhoff – wird im Alter sonderlich.

So warb sie 2005 für die Wahl der misogynen, homophoben CDU, stellte sich an die Seite der aus feministischer Sicht eigentlich unwählbaren CSU von vor 20 Jahren. Eine linke Feministin, kämpfte gegen Rot-Grün. Ihr einziges Argument dafür war Merkels Vagina. Schwarzer ist schon lange eine bekannte Swerf, aber mit ihrer Emma auch zunehmend radikale Terf.

Nun nahm sie sich die Grüne Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer vor, wirft ihre Emma in die Schlacht.

[…]  Solidarität mit Tessa Ganserer

Die Grünen-Abgeordnete erlebt immer wieder Transfeindlichkeit. Diesmal durch das Magazin »Emma«[….] Der Bundestag ist seit September 2021 nicht nur jünger, weiblicher und diverser geworden, erstmals sitzen auch zwei offen transident lebende Frauen im Parlament: die Grünen-Abgeordneten Tessa Ganserer und Nyke Slawik. Ein Erfolg, der für beide auch Diffamierung und transfeindliche Beleidigungen zur Folge hat. Besonders über Ganserers Mandat wird durch die Initiative »Geschlecht zählt«, über die nun auch das Magazin »Emma« wohlwollend berichtete, gestritten. [….] Es sei Wahlbetrug und Vortäuschung falscher Tatsachen, dass Ganserer auf dem Listenplatz einer Frau in den Bundestag eingezogen ist. Zahlreiche Frauen hätten beim Wahlprüfungsausschuss Einspruch eingelegt, so die Initiative. Ihr und dem »Emma«-Artikel wird auf Twitter unter #SolidaritaetMitTessa Transfeindlichkeit vorgeworfen. Vor allem der Gebrauch des falschen Pronomens und das Deadnaming, also die Verwendung des abgelegten Namens, gelten als transfeindlich. [….]

(ND, 21.01.2022)

Wie kann ausgerechnet eine Frauenrechtlerin wie Alice Schwarzer so diskriminierend und frauenfeindlich argumentieren?

Die Morgenpost mutmaßt, es ginge ihr um Publicity.

[….]  Tessa Ganserer hat sich bisher aus einem ganz konkreten Grund nicht geschlechtsangleichend operieren lassen. Aus Protest gegen das Transsexuellengesetz, das eine offizielle Änderung der Geschlechtszugehörigkeit nur durch eine langwierige, bürokratische Prozedur und obendrein durch eine von Betroffenen als extrem übergriffig empfundene zweifache „Beurteilung“ von Gutachter:innen zulässt. Ganserer kämpft für ein neues Selbstbestimmungsgesetz, das diesen Prozess für Trans-Menschen vereinfacht. Für Feministinnen wie bei der „Emma“ muss so viel Freiheit und Selbstbestimmung für Trans-Frauen wohl ein Albtraum sein. Empörend, denn Feminismus wurde und wird – auch in der „Emma“ – vor allem mit Selbstbestimmtheit verbunden. Die hört für einige von ihnen aber offenbar bei Trans-Menschen auf. [….] Und Alice Schwarzer? Die bringt demnächst ein Buch zum Thema heraus: „Transsexualität: Was ist eine Frau, was ist ein Mann?“ Da war der „Emma“-Artikel wohl kein Zufall. [….]

(MoPo, 26.01.2022)

Daß es einer Publizistin um Publicity geht, ist so überraschend nicht.

[….] Die mediale Attacke gegen die Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer (Grüne) wegen ihrer Transidentität offenbart die menschenverachtende Haltung Alice Schwarzers "Emma" als erprobtem Sprachrohr transfeindlicher Feministinnen.
Der am vergangenen Mittwoch von der "Emma" veröffentlichte Text ist dabei unter jeder journalistischen Gürtellinie: Tessa Ganserer wird durchgehend mit ihrem männlichen Deadname genannt, sie wird als physischer und juristischer Mann bezeichnet und ihr wird vorgeworfen, dass sie keine Personenstandsänderung und keine geschlechtsangleichende Operation hat vornehmen lassen.
Die Quintessenz des Artikels ist dabei, dass Tessa Ganserer einer "biologischen Frau" das Bundestagsmandat weggenommen hat. Unschwer ist zu erkennen, dass Alice Schwarzer hier den Aufschlag macht zu ihrem in Kürze erscheinenden Buch "Transsexualität: Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? – Eine Streitschrift". Das lässt Schlimmes befürchten und macht klar: Es geht um mehr als die Person Tessa Ganserer.
[….]

(LSVD, 23.01.2022)

Ich halte den Fall Schwarzer eher für einen Beleg meiner grundsätzlich misanthropischen, antinatalistischen und pessimistischen Grundeinstellung.

Die Gattung Homo Sapiens ist insgesamt einfach eine unsympathische Fehlkonstruktion. Menschen sind intolerant und destruktiv.

Mit großer Selbstverständlichkeit geschah so die Kolonisation aller Kontinente. Trafen Starke auf Fremde oder Schwächere, wurde sie zunächst einmal abgemurxt, vergewaltigt und ausgeraubt. Gern wurde dabei auch mit viel Aufwand die fremde Kultur ausgerottet. Besonders schlimm trieben es die Christen, die sich bekanntlich „Nächstenliebe“ auf die Fahnen schreiben. Nächstenliebe gibt es aber nur mit dem häßlichen Bruder „Fernstenhass“ zusammen. Aus der WIR SIND BESSER ALS DIE-Ideologie aller abrahamitischen Religionen, wurde ganz selbstverständlich das Recht abgeleitet, Ungläubige/Wilde/Barbaren/Eingeborene zu massakrieren. Den irgendwie anderen, schwächeren Menschen zu töten, mobben, quälen, ist die Quintessenz des menschlichen Seins. Nicht ohne Grund liefern unsere liebsten und erfolgreichsten Ideologien wie Religion und Nationalismus nicht nur die moralische Erlaubnis alle anderen umzubringen, sondern verlangen es zum Teil sogar ausdrücklich. Denn nichts anderes ist der christliche Auftrag der Mission: Weltweiter Massenmord, Genozid und Kulturexodus. Alle, die nicht so sind, wie man selbst, weil sie eine andere Hautfarbe, Sprache, Nationalität, Religion haben, sind Freiwild.

Diskriminierung funktioniert in beide Richtungen.

Ein schwacher Mann, der von seinem Chef niedergemacht wird oder vor den Kollegen/Kameraden verhauen wird, geht nach Hause und verprügelt dann seine Frau, so daß er sich stark fühlt und die vorherige Schwäche kompensiert. Seine Frau kann dann dafür ihren Sohn beleidigen, der wiederrum auf den schwulen Bruder hinabblickt. Der von seinem Hetero-Bruder gequälte Junge, kann dann auf dem Schulhof immer noch den schwarzen Mitschüler beschimpfen, der sich immer noch an den Kindergartenkindern nebenan rächen kann.

Menschen sind einfach großer Mist. Die Menschenrechtlerin Alice Schwarzer ist da keine Ausnahme. Jahrzehnte lehnte sie sich mutig gegen die mächtigen Männer auf und tritt nun doch feige auf diejenige, die in der Hackordnung vermeidlich unter ihr steht.

Widerlich.

[….] Die wie Ganserer ebenfalls im September erstmals ins Bundesparlament gewählt Grünenpolitikerin Lamya Kaddor ergänzt: "Transfeindlichkeit ist KEIN Feminismus!" Die Grüne Jugend urteilt hart über "Emma": "Ein feministisches Magazin, das trans Frauen und nicht das Patriarchat bekämpft, ist nicht feministisch." Autorin und Podcasterin Sibel Schick erhebt ebenfalls schwere Vorwürfe gegen das von Alice Schwarzer 1977 gegründete Magazin: "Das ist Gewalt. Trans Menschen existieren und sie haben Menschenrechte." Die feministische und lesbische Journalistin Stephanie Kuhnen erklärt: "Was EMMA da geliefert hat, ist Flacherde-Feminismus ohne Feminismus. Abstoßend!"  [….]

(Queer, 21.01.2022)