Mittwoch, 27. Januar 2016

Shitstorm gegen Gabriel



Es ist für mich völlig folgerichtig, daß die Piraten in erbärmlicher Weise untergegangen sind.
Sie hatten ja von dieser „liquid democracy“ geträumt, bei der alle Bürger in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden sollten.
Der repräsentative Parlamentarismus sollte in eine Art permanenten plebiszitären Prozess umgewandelt werden.
Das geht aber nicht, weil die Bürger bedauerlicherweise alle doof sind.
Volksbefragungen führen zu einer Diktatur der Inkompentenz.
Die Volksvertreter, die derzeit über uns bestimmen sind alles andere als perfekt. Sie sind beeinflussbar und wegen ihrer Sorgen nicht wiedergewählt, bzw von ihren Parteioberen nicht auf die richtigen Listenplätze gesetzt zu werden eben nicht immer nur von ihrem Gewissen geleitet.
Aber sie sind immerhin hauptberuflich mit Politik beschäftigt, haben wissenschaftliche Mitarbeiter und sind damit grundsätzlich viel professioneller als irgendein sächsischer Einfallspinsel, der es ablehnt sich zu informieren und montags grölend durch die Innenstadt läuft.

Parlamentarier haben es nicht leicht im Deutschland des Jahres Merkel-10:

Parlamentarier im Bund und in den Ländern sind im vergangenen Jahr 75 Mal zum Ziel rechtsextrem motivierter Angriffe geworden. Das berichtet das WDR-Politmagazin "Panorama" und beruft sich auf eine Anfrage an die Bundesregierung. Allein im letzten Quartal 2015 gab es demnach 25 Übergriffe auf Abgeordnete, deren Mitarbeiter oder ihre Büros.

Die sozialen Netzwerke, bzw das Internet mit all seinen Kommentarfunktionen und Diskussionsforen haben endgültig bewiesen, daß Philanthropie eine Irrlehre ist.
Homo homini lupus.
Der gemeine Homo Sapiens ist in Wahrheit nur ein Homo Demens.
Die einzig mögliche Einstellung gegenüber der eigenen Gattung ist Misanthropie gepaart mit Zynismus.
Wir sind wie Bakterien, die man auf einer Petrischale mit Nährlösung aufbringt:
Rasante Vermehrung unter vollständigem Verbrauch aller Ressourcen bis dann die Petrischale leergefressen ist und alle sterben.

Aus dem Homo Sapiens, der durch die Kraft seiner Intelligenz so viel erschaffen konnte, wurde der Homo Demens, der nur durch Rückzug in die Doofheit seine eigene Gewalt aushält.


Die Ausgangsthese der Streitschrift ist prägnant und einprägsam: „Die größte Bedrohung der Menschheit geht nicht von Erdbeben und Tsunamis aus, auch nicht von skrupellosen Politikern, raffgiereigen Managern oder finsteren Verschwörern, sondern von einer einzigartigen weltumspannenden, alle Dimensionen sprengenden Riesenblödheit.“ Um diese These zu untermauern, fährt der Autor schwere Geschütze auf. Bereits im ersten Kapitel macht er klar, dass der Mensch sich zwar selbstherrlich Homo sapiens, der weise Mensch getauft hat, aber wohl doch eher ein Homo demens (der irre Mensch) ist. Und tatsächlich, betrachtet man die Geschichte der Menschheit, die, wie der Philosoph schreibt, vor allem eine Geschichte der Unmenschlichkeit und die blutgetränkt war, dann kann man  kaum behaupten, dass unsere Spezies sich durch Weisheit hervorgetan hätte.

Der Mensch ist inzwischen Dank seiner Intelligenz als Spezies so dumm geworden, daß man es nur noch ertragen kann, wenn man mit größtmöglicher Ignoranz gesegnet ist.

Sigmar Gabriel, bekanntlich auch nicht unbedingt mein Lieblingspolitiker, ist ein gutes Beispiel für die Gattung des nach Macht und Stimmungen schielenden Politikers, der aber immer noch 100 mal intelligenter als der durchschnittliche Facebook-Kommentator ist.

[….] Sigmar Gabriel will AfD-Politikern kein Millionenpublikum verschaffen - und lehnt deshalb gemeinsame Talkshow-Auftritte ab. In der Debatte um die Elefantenrunde in Rheinland-Pfalz kritisiert der SPD-Chef den SWR.
[….] Auf die Frage, ob er im Fernsehen mit AfD-Vertretern debattieren würde, sagte der Bundeswirtschaftsminister: "Das kommt auf die Person an. Wenn das einer ist, der die Todesstrafe wieder einführen will, um Leute wie mich an die Wand zu stellen, dann werde ich mich mit dem sicherlich nicht in eine Talkshow setzen. Solche Irren gibt es bei der AfD ja zuhauf", sagte Gabriel der "Rheinischen Post". "Wer, wie viele führende AfD-Mitglieder, die freiheitlich demokratische Grundordnung missachtet, dem verhelfe ich nicht zu einem Millionenpublikum."
[….] SWR-Chefredakteur Fritz Frey hatte das Verhalten scharf kritisiert: "Mich ärgert das Demokratieverständnis der Regierungsparteien", sagte er dem SPIEGEL. "Man möchte denen fast zurufen: Was seid ihr eigentlich für Schönwetterdemokraten, wenn ihr euch jetzt wegduckt, anstatt euch auf die Bühne zu begeben!"
[….] Nun hat Gabriel wiederum den Umgang des Senders mit der AfD kritisiert: "Der SWR will hier ohne Not der AfD eine Plattform geben. [….]

Auf meiner Facebookseite, die ohnehin durch meine Einstellungen von CDUlern und noch Rechteren befreit ist, lesen sich die Kommentare wie folgt:

Fällt jemandem spontan eine undemokratischere Partei als die SPD ein?
Also abgesehen von der NSDAP, versteht sich
(Hans-Joachim S., 27.01.16)

War klar, aber den Polen Ratschläge in Sachen Demokratie erteilen.
Scheinheiliger gehts nicht.
(Gert K., 27.01.16)

Die Leute sind also wütend auf Gabriel.
Dabei übersehen sie eine Kleinigkeit: Er hat in diesem Fall recht.
Immer noch kreischen die AfDler, sie würden diskriminiert.
„Wir sind das Volk!“ grölen die Peginesen. „Lügenpresse!“
Insbesondere nach Silvester ist das Misstrauen noch einmal gewaltig gestiegen. Gegen Ausländer dürfe man ja nichts sagen, es gäbe ein „Schweigekartell.“
Nur die AfDler wären so mutig das Redetabu „Ausländerkriminalität“ zu brechen.

All das ist glatt gelogen. Die Heute Show-Redaktion durchsuchte die Themen der großen ARD- und ZDF-Talkshows der letzten fünf Jahre und fand allein 85 Sendungen, die sich kritisch mit Ausländern und Asylanten auseinandersetzten.

Die richtig Rechten, die Xenophoben, die ungeniert in Talkshows sitzen und gegen Flüchtlinge polemisieren, sind omnipräsent.
Köppel, Friedrich, Petry, Scheuer, Herrmann, Höcke, Gauland plappern uns von den öffentlich-rechtlichen Sendern protegiert fast täglich mit ihrem rechtsextremen Ansichten voll.

Die deliberative Demokratie setzt ein Mindestmaß an gutem Willen voraus. Aber die Rechten lügen, wenn sie den Mund aufmachen. Sie haben dabei kein schlechtes Gewissen. Sie fühlen sich in der demokratischen, liberalen Mehrheitsgesellschaft als Partisanen der Politik. Darum ist die Lüge ihr politisches Prinzip, und ihre Taktik ist die Täuschung. Die Demokraten stellt das vor ein Problem. Wie begegnet man jemandem, der die Politik als Betrugsgeschäft betreibt und die Lüge zur Wahrheit macht?

Niemand sitzt so oft in Talkshows wie der Merkel-Kritiker Wolfgang Bosbach, obwohl er ein Lügner ist.

Die Talkshowredaktionen versagen im großen Maßstab, indem sie den stramm Rechten immer wieder eine Plattform bieten und dann wie die völlig ungeeignete Anne Will nicht in der Lage sind eine verschwörungstheoretischen Demagogin wie Beatrix von Storch Einhalt zu gebieten. Die mit rechten Gästen durchsetzten Talkshows erreichen mittlerweile eine Untergrenze des Niveaus – so urteilt der SPIEGEL ONLINE.

Der David Berger von 2013 forderte einst ein TV-Verbot für Homophobe und eckte damit erwartungsgemäß ganz gewaltig ab bei den Katholiban.

Inzwischen ist Berger bekanntlich selbst zum Ultrarechten mutiert, distanziert sich ausdrücklich von seinen 2013er Einlassungen und bildet eine Allianz mit Kuby, Kelle und Beverfoerde.

Aber, vor drei Jahren hatte Dr. David Berger recht.
Und man sollte die AfDler und Peginesen tatsächlich aus den Talkshows raushalten. Ihre Dauerpräsenz in den Talkshows hat die AfD auf bundesweit über 10% gehoben und zu einer beispiellosen rechtsextremen Gewaltwelle gegen Flüchtlingsunterkünfte geführt.
Höcke, Köppel und Co generieren letztendlich rechten Terrorismus.

Also haben Herr Kretschmann, Frau Dreyer und Herr Gabriel meine Unterstützung dafür nicht mehr mit solchen Typen öffentlich aufzutreten.
So wie wir es nicht dulden, daß auf öffentliche Kosten im TV Menschen gegen Juden und Schwarze hetzen, sollten wir auch nicht dazu beitragen, daß Vorurteile gegen Schwule oder Flüchtlinge transportiert werden.

[…]  David Berger fordert also allen Ernstes, die Auffassung eines Drittels der Bevölkerung sollte in TV-Diskussionen außen vor bleiben. […]  Die Bemühungen des politisch korrekten Mainstreams, andere Meinungen entweder verächtlich zu machen oder ganz zu verbieten, nehmen inzwischen beängstigende Ausmaße an. Mal fordert mit David Berger ein führender Repräsentant der Homosexuellen-Lobby, dass Gegner ihrer politischen Vorstellungen aus Fernseh-Diskussionen verbannt werden. Mal appellieren Feministinnen-Verbände, wie gerade in Norwegen, an die skandinavischen Regierungen, „Anti-Feminismus“ zu bestrafen. […] 
(Klaus Kelle, kath.net 27.04.13)

Zunächst konnte ich mich auch nicht mit einem Kuby-Lohmann-Reiche-Verbot im TV anfreunden. 
ABER an Bergers Argumenten ist wirklich etwas dran.
Erstens kann man es nicht rechtfertigen, wenn durch schwulenfeindliche Aussagen im TV Gewalt angestachelt wird und zweitens würde man in der Tat analoge menschenfeindliche Äußerungen gegenüber anderen Minderheiten sicher nicht dulden.
Ein Antisemit/Rassist/Xenophober bei Illner oder Beckmann, der jovial äußerte, er habe gar nichts gegen Juden/Schwarze/Türken, aber daß sie heiraten und Kinder kriegen dürften, ginge nun wirklich zu weit, flöge sofort raus.
Ein Antihomophoben-TV-Gesetz kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber als Zuschauer sollte man es boykottieren, wenn Hasser wie Lohmann, Overbeck oder Buschor im TV auftreten. 
Sie sollten zu echten Quotenkillern mutieren, so daß die Redaktionen von allein die richtigen Schlüsse ziehen.
Wir alle haben es mit unseren Fernbedienungen in der Hand.
Und wir können Leserbriefe an die Redaktionen schreiben.

Dass Worte mächtig sind und Taten provozieren, erleben derzeit Frankreichs Schwule und Lesben hautnah. Seitdem die Gegner der Eheöffnung sprachlich deutlich aufgerüstet haben, andauernd demonstrieren und ihr Anliegen in Talkshows und Nachrichtensendungen bringen, sind die homophoben Übergriffe dort um mehr als 30 Prozent angestiegen. Homo-Aktivisten konstatieren einen direkten Zusammenhang zwischen der aggressiven Sprache der Gleichstellungsgegner und der Zunahme auch körperlicher Gewalt gegen Homosexuelle. Dass der Erzbischof von Paris jüngst davon sprach, dass die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben zu einer "gewalttätigen Gesellschaft" führe, vervollständigt dieses Bild noch auf ganz delikate Weise.
Auch in Deutschland ist das Thema längst angekommen. Und auch hier läuft kaum eine Talkshow zur Homo-Ehe über den Bildschirm, ohne dass ein(e) Quoten-Homophobe(r) dort ein Podium geboten bekommt. So abstrus die homofeindlichen Protagonisten von Martin Lohmann über Katherina Reiche bis Gabriele Kuby bei vielen Zuschauern auch rüber kommen – bei Lanz, Jauch, Plasberg & Co dürfen sie sich vor einem Millionenpublikum ausbreiten. […] Nun wird jeder, der sich im Mediengeschäft ein wenig auskennt, die Redakteure der Talkshows durchaus verstehen, dass sie solchen Menschen ein öffentliches Forum vor einem Millionenpublikum bieten. Im öden TV-Einerlei des Alles-schon-mal-Gesehenhabens sorgen pointierte Extremmeinungen für Remmidemmi in der Sendung. Auch die inhaltliche Begründung, die ich im Gespräch mit Verantwortlichen immer wieder zu hören bekomme, erscheint auf den ersten Blick plausibel: Der homophobe Talkgast stehe doch nur stellvertretend für jenes geschätzte Drittel unserer Gesellschaft, das ähnliche homophobe Ansichten vertritt. Oder vertreten würde, wäre das gesellschaftlich inzwischen nicht weithin verpönt.
Allerdings stellen Forscher seit Jahren einen ähnlich gefährlichen gesellschaftlichen Bodensatz in Deutschland fest, wenn es um Antisemitismus und Rassismus geht. Man stelle sich nun einmal vor, eine Talkshow würde auch hier beschließen, den gesellschaftlichen Proporz im Hinblick auf latenten Antisemitismus in ihrer Sendung widerzuspiegeln. Das würde etwa bedeuten, dass zu einem Jauch-Talk zur Zukunft des Euro als Gesprächspartner – und damit als ernst genommener Fachmann zum Thema – ein ultra-rechter Hardliner eingeladen wird, etwa ein Chefredakteur einer antisemtischen Internetseite. Und er würde behaupten, er habe zwar nichts gegen Juden, ja er habe sogar einige jüdische Freunde. Aber dass sie sich in der Finanzwelt betätigten und dort gleiche Rechte wie "arische Menschen" forderten, sei ein Ding der Unmöglichkeit und gefährde unseren Wohlstand in eminenter Weise. Dass diesem im öffentlich rechtlichen Fernsehen zur besten Sendezeit ein Podium geboten wird, um dort seine These auszubreiten – undenkbar.