"Sterben mag ich nicht. Das ist das Letzte, was ich tun werde in meinem Leben." - Roberto Benigni 1. April 2006
Es
dauert nicht mehr lange bis sich der Bundestag mit dem leidigen Thema
„Sterbehilfe“ befassen wird. Das Thema, bei dem alle so gerne weghören und das
gerade deshalb so gar nicht im Sinne der Bürger entschieden werden wird.
Konservative
und Kleriker bringen sich mittlerweile täglich in den großen Zeitungen in
Stellung, um gegen Freiheit und Selbstbestimmung zu agitieren.
Es ist
recht geschickt von den Fraktionsgeschäftsführern die „Abstimmung freizugeben“
und als „Gewissensentscheidung zu deklarieren.
Dadurch
fällt es dem gemeinen Volksvertreter leichter sich strikt gegen den Willen der
übergroßen Mehrheit der Wähler zu positionieren.
Dabei
ist JEDE Abstimmung im Bundestag frei. Der Abgeordnete ist IMMER nur seinem
eigenen Gewissen untergeordnet.
Oder,
OK, ich mache lieber eine Konjunktiv-Formulierung darauf. Jeder Abgeordnete
wäre immer nur seinem Gewissen und nicht der Fraktionslinie unterworfen, wenn
das Grundgesetz gelten würde.
Aber das
ist Theorie. In der Praxis gibt es das imperative Mandat.
Das bestrafte Gewissen
[….] Nach 1945 rechtfertigten sich integre
Demokraten wie Theodor Heuss mit dem "Fraktionszwang", den Parteiführung
und Fraktionsmehrheit ihnen auferlegt hätten. Sie seien von ihrer Partei quasi
"gezwungen" worden, gegen ihre Überzeugung und für das Gesetz zu
stimmen. Dieses Einknicken hat sich Theodor Heuss, der 1933 Abgeordneter der
Deutschen Staatspartei war, nie verziehen. Zwar hätte er mit seiner Stimme
nichts bewirken können. Aber er sagte, er habe es nie verwunden, wider besseres
Wissen und Gewissen gestimmt zu haben.
Aus den Erfahrungen
des Versagens und Scheiterns wollten die Väter und Mütter des Grundgesetzes
Konsequenzen ziehen. Deshalb sind dort einklagbare Grundrechte aufgeführt,
deshalb haben sie bestimmt, dass der Bundespräsident nicht durch das Volk,
sondern durch eine Bundesversammlung gewählt wird. Und deshalb gibt es den
ersten Absatz des Artikels 38, in dem die Gewissensfreiheit des Abgeordneten
garantiert wird.
Darin heißt es:
"Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht
gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Für diese Formulierung lässt
sich den Protokollen des Parlamentarischen Rates folgende Begründung entnehmen:
Man habe eine Formulierung gewählt, die die Gewissensentscheidung und auch die
persönliche Freiheit des Abgeordneten - anders als in der Weimarer Verfassung -
ausdrücklich garantieren solle. Zumindest solle der Artikel eine Mahnung an die
Abgeordneten sein, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und sich ihrem
Gewissen verpflichtet zu fühlen. [….]
Kleinere Konflikte spielen sich häufig
hinter den Kulissen der Parlamente ab. Sie enden meist in unterschiedlichen
Formen des Kleinbeigebens und/oder Resignierens. Ein besonderes Ärgernis ist es
allerdings, wenn Fraktionsführungen entscheiden, ob und wann der Fraktionszwang
suspendiert werden darf - wenn das Gewissen also "Par ordre de Mufti"
freigegeben wird.
[….Jüngere
Fälle lassen] erkennen, wie weit
Verfassungstext und Verfassungsrealität auseinanderklaffen, wie meilenweit wir
vom Verständnis für Buchstaben und Geist des Artikels 38 entfernt sind. [….]
Um auf
den assistierten Suizid zurück zu kommen:
Obwohl
ich eine recht radikale Meinung vertrete – nämlich die absolute Straffreiheit und zwar unabhängig vom
Grad der Erkrankung
- scheine ich damit keine Minderheit zu sein.
Die
Schwächlichkeit ihrer Argumente versuchen die konservativen Gottesmänner mit
umso mehr Debattenbeiträgen zu kompensieren.
Dabei
wird selbst für anti-liberale CDUler eine erstaunliche Doofheit offenbar.
Otto
Wulff, 81, der fromme Chef der CDU-Gerontenvereinigung schwenkt schon beinahe
die Soylent-Green-Keule.
Der Vorsitzende der
Senioren-Union der CDU, Otto Wulff, hat sich entschieden gegen eine Lockerung
des Verbots der Sterbehilfe in Deutschland ausgesprochen. Bei einer
Legalisierung der Suizidhilfe bestehe die Gefahr, dass ältere und kranke
Menschen unter Druck gesetzt werden könnten, aus dem Leben zu gehen, sagte
Wulff bei der Bundesdelegiertenversammlung der Senioren-Union am Donnerstag in
Schwerin. Er sprach von «krankhaften Gedanken», ältere Menschen legal von ihren
Beschwerden zu erlösen.
[…]
(dpa/mv
03.09.14)
Auf der
Homepage der Senioren-Union der CDU, prangt übrigens ein schwarz-rot-goldenes
Logo mit der Inschrift „Senioren – aus Erfahrung gegen links“.
Es
beeindruckt mich immer wieder von der Generation, die Zeitzeuge der Naziherrschaft
war, zu hören, daß die politische Gefahr von links käme.
Wulff
übersieht, daß es gar nicht um Alte, sondern um Bürger jedes Alters geht.
Sie
würden auch bei einer Legalisierung der
Suizidhilfe nicht unter Druck gesetzt, sondern es würde, ganz im Gegenteil
der Druck von ihnen genommen werden. Denn nur wenn man die Option hat, kann man
frei entscheiden.
Im
Übrigen kommen die Sprüche vom „Sozialverträglichen Frühableben“ kaum aus der
linken Ecke, sondern von Wulffs Gesinnungsgenossen.
Als
nächster Depp wagt sich heute im frommen Hamburger Abendblatt Pastor Westphal,
der langjährige Leiter des Amtes für Öffentlichkeitsdienst (AfÖ) der
nordelbischen Kirche in den Ring.
Pastoren
und Bischöfe bekommen beinahe täglich ein kostenloses Forum in den großen
Zeitungen. Konfessionslose und Atheisten hingegen so gut wie nie. Dabei sind die Aussagen der Frömmelnden in den meisten Fällen derart
belanglos, daß man sie auch als Satiretexte verwenden
kann.
Im Bundestag und in
der Öffentlichkeit wird man um die Frage ringen, wie wir es hierzulande mit der
aktiven Sterbehilfe halten wollen und ob das Tötungsverbot gelockert werden
soll. Ich finde es gut, dass der Fraktionszwang aufgehoben wird, weil es um
eine Entscheidung des eigenen Gewissens geht. Die Fragen um Leben und Sterben
betreffen ja jeden von uns persönlich und emotional.
Natürlich habe auch
ich Angst vor einem Sterben voller Schmerzen und Einsamkeit. Aber ich weiß,
dass es nicht dazu kommen muss. Palliativmediziner bemühen sich darum, dass
keiner unerträglich leidet. […]
Ärgerlich nur, dass diese Angebote immer
noch zu wenig bekannt sind und von Politik und Kassen nicht stärker gefördert
werden. Dann nämlich würde manche Angst schwinden und seltener nach einem
Gesetz gerufen, das Ärzte zum Töten drängen will und Kranke unter
gesellschaftlichen Druck setzen kann, ihr Leben zu beenden. […] [Käßmann] hält Hospize für eine "wunderbare Errungenschaft" und hofft,
dass bei uns eines Tages "jeder die freie Möglichkeit hat, in der letzten
Lebensphase in ein Hospiz zu gehen. Persönlich kann ich mir das sehr gut
vorstellen." Das geht mir genauso wie Frau Käßmann. […]
Daß der
fromme Theologe das GG und Artikel 38 nicht kennt – geschenkt.
Schlimmer
ist, daß er offenbar der Meinung ist „persönliche und emotionale“ Bedenken
rechtfertigten es der Majorität der Menschen seinen Willen aufzuzwingen. Wenn
Käßmann und Westphal den völligen Verlust der Autonomie im Hospiz so „wunderbar“
finden und sich dann von Palliativmedizinern abhängig machen, die es
grundsätzlich ablehnen Sterbehilfe zu gewähren, können sie das gerne möglichst
lange in Hospizen auskosten.
Deswegen
wollen das andere Menschen aber nicht auch automatisch.
Selten
erlebt man so penetrantes Ignorieren des alltäglichen menschlichen Leids.
Gröhe
illustriert mustergütig seine eigene Heuchelei, seine Unwissenheit, seine
Gewissenlosigkeit, seine Anmaßung, seine schlicht unmenschliche Bosheit.
Jeder
Christ kann sein Leiden, seine bestialischen Schmerzen, sein Ersticken, seine
Unselbstständigkeit, seine Lähmungen, seine Perikardergüsse, seine Magensonden,
seine Tracheotomien, seine Intubationen, seine Katheter, seine verschleimenden
Lungen, seine Inkontinenz, seine Dekompensation, sein Organversagen, seine
Hämodialyse, seine Klistiere, seinen künstlichen Darmausgang, seine
Desorientierung, seine Panikattacken, seine Ängste, Phobien und Depressionen,
seine Verzweiflung, seine Paresen, seine Dekubiti, seine Ekzeme, seinen
Pruritus, seine Exsikkose, seine Infusionen, seine Transfusionen, seine OPs,
seine Beatmungsmaschinen und die Verzweiflung der Angehörigen so lange genießen
wie er will.
Wenn
jemand anders das nicht möchte und mit seinem EIGENEN Leben selbstbestimmt
umgehen will, geht das den Christen nichts an.
Eine
geradezu unverschämte Lüge ist es vom frommen Pastor zu suggerieren, daß Ärzte
gesetzlich zum Töten gedrängt werden sollten.
Das
verlangt niemand!
Kein Arzt soll zu etwas gezwungen werden, das er nicht will. Es geht, im Gegenteil, darum Ärzte, die aus humanitärer Überzeugung helfen wollen, nicht auch noch dafür in den Knast zu stecken.
Kein Arzt soll zu etwas gezwungen werden, das er nicht will. Es geht, im Gegenteil, darum Ärzte, die aus humanitärer Überzeugung helfen wollen, nicht auch noch dafür in den Knast zu stecken.
Herr
Westphal begibt sich hiermit in eine sehr ungute Tradition Hamburger Theologen, die mit der
Wahrheit auf Kriegsfuß stehen.
Einfach
erbärmlich.
Erbärmlich
für die Kirche und noch erbärmlicher für eine angeblich seriöse Zeitung, die
das unkommentiert so verbreitet.
Zum
Schluß fahre ich noch das ganz schwere Geschütz auf. Es geht in der Klerikalen
Hierarchie ganz nach oben. Abgesehen von den Kurialen in Rom, ist der
Vorsitzende der DBK, Kardinal Marx, die oberste Instanz des hiesigen
Katholikentums.
Auch er
will noch vor der Bundestagsabstimmung die Parlamentarier dazu drängen die
Menschen leiden zu lassen und ihnen die Möglichkeit der freien Entscheidung zu
nehmen.
Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, ist gegen die gesetzliche
Ermöglichung des ärztlich assistierten Suizids. „Selbst eng umgrenzte
Regelungen liefen im Ergebnis darauf hinaus, ein angeblich ,menschenwürdiges
Töten‘ zu organisieren“, sagte der Erzbischof von München und Freising der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) im Blick auf die bevorstehenden
Beratungen des Deutschen Bundestages über das Thema Sterbehilfe. Seine Position
beschrieb der Kardinal mit den Worten: „Mir geht es um das menschenwürdige
Sterben. Wenn diese Differenz verwischt wird, dann ist eine abschüssige Bahn
betreten, auf der es kein Halten mehr gibt.“
[…] Den Beitrag der Kirchen zu dieser Debatte
umschrieb er mit den Worten: „Zusammen mit vielen anderen in unserer
Gesellschaft müssen die Kirchen sagen: Gebt uns die Sterbenden, denn wir sind
ganz besonders für die Leidenden und Sterbenden da. Wir kümmern uns. Wir tun
alles, was in unserer Macht steht, dass Menschen nicht alleine und mit
Schmerzen sterben. Das ist unsere Botschaft. Und das sollte auch unser Angebot
sein.“ […..]
Na
großartig!
Nun wird
man schon damit bedroht als hilfloser Mensch den Kirchen „übergeben“ zu werden.
Das
erinnert mich an Frau Schardt*, die schon bei der Vorstellung sie hätte am Ende
ihres Lebens auch noch die Käßmann am Hals umso schneller zum Giftbecher griff.
Dem kann
ich mich nur anschließend:
Die wage Aussicht eines Tages den Kirchisten ausgeliefert zu sein, bestärkt mich in meiner Absicht lange bevor es soweit ist, sicherheitshalber die Hühner zu satteln!
Die wage Aussicht eines Tages den Kirchisten ausgeliefert zu sein, bestärkt mich in meiner Absicht lange bevor es soweit ist, sicherheitshalber die Hühner zu satteln!
*Die Hannoversche Bischöfin spie Feuer und Schwefel vor
Empörung über Kusch und verlangte, daß er doch Frau Schardt lieber bei sich zu
Hause hätte aufnehmen sollen.
Sie, die Bischöfin wäre in dem Fall zu der 79-Jährigen gegangen, um ihr aus der Bibel vorzulesen. Da hat die alte Dame dann noch schneller zu den Pillen gegriffen - die Vorstellung, daß sie dereinst im Pflegeheim läge und von predigenden Pfaffen im Zimmer heimgesucht würde - unfähig sich gegen diese Zwangsbebetung zu wehren - war der letzte Sargnagel.
Sie, die Bischöfin wäre in dem Fall zu der 79-Jährigen gegangen, um ihr aus der Bibel vorzulesen. Da hat die alte Dame dann noch schneller zu den Pillen gegriffen - die Vorstellung, daß sie dereinst im Pflegeheim läge und von predigenden Pfaffen im Zimmer heimgesucht würde - unfähig sich gegen diese Zwangsbebetung zu wehren - war der letzte Sargnagel.