Samstag, 22. August 2020

Ressourcen alle und noch so viel Jahr übrig


Mir fehlt es garantiert an Gier, unternehmerischen Geschicks und kaufmännischer Raffinesse, um jemals durch selbstständige Tätigkeit wohlhabend zu werden.
Glücklicherweise benötige ich auch keine Statussymbole und fröne keinen teuren Hobbys. Ich bin seit Jahrzehnten nicht mehr geflogen oder verreist, mein Auto ist wertlos, meine Wohnung zu klein. Keine Kinder, keine Haustiere, kein Ausgehen.

Ein Asket bin ich aber nicht; wie fast alle anderen Normalos stelle ich mir auch gelegentlich vor wie es wäre Lottomillionäre zu sein und über Nacht in unverdientem Reichtum zu schwelgen. Mir fällt eine Menge ein wofür ich Geld ausgeben könnte. In meinem Alltag würde sich aber äußerlich wohl nicht viel ändern. Einen Haufen Geld ließe ich auf dem Girokonto liegen. Einfach, damit es da ist und nicht mehr dieser unangenehme Zustand von „das Geld ist alle, aber es ist noch so viel Monat übrig“ eintritt.
Tahiti-Vanille-Schoten von Safran-Pütter. Die kosten 18,50 Euro pro Stück, oder günstig im 25-Schoten-Glas für 430 Euro. Oder die Raritäten-Sorten von Speicherstadt-Kaffee. Jamaika Clifton Mount Estate für 290 Euro/Kilo.
Lebensnotwendig ist das nicht, aber ich fände es schon schön mir diese Gaumenschmeichler leisten zu können, falls ich gerade Lust habe und nicht nur alle Jubeljahr mal eine Kleinstmenge davon zu probieren.
Das sind nachhaltige Produkte, die nicht auf Kosten der Natur und unter Auspressung der Arbeiter entstehen.
Auf beim Prassen würde ich auf nachhaltige Quellen achten, niemals mein Geld jemand in den Rachen schieben, der dann wie Apple, Bezos, BMW oder den Verdienst der Steuerpflicht entzieht und an die CDU spendet.
Nein, ich würde zu inhabergeführten Firmen mit persönlich haftenden Gesellschaftern gehen und auch bei ihnen nicht kaufen, unter dem Dritte leiden müssen.

(…..)  Die Sache mit den hochwertigen mechanischen Uhren werde ich nie verstehen.
Wieso ausgerechnet diese kleinen mechanischen Zeitnehmer wohl so viel Hass- und Neidgefühle triggern?

Es handelt sich dabei nämlich um Luxus und jeder Luxus ist dadurch definiert, daß es sich um irgendeine Art des Überflusses handelt. Luxus ist gerade das was man nicht unbedingt braucht.
Aber Luxus ist eben nicht exklusiv. Jeder genehmigt sich selbst in irgendeiner Weise Luxus.
Es gibt den Luxus, den man nur aus persönlicher Vorliebe schätzt, den Luxus, der nur dafür da ist andere zu beeindrucken, Luxus, der irgendetwas überkompensiert und natürlich auch alle Mischformen.
  Kaum einer lebt von neutraler Astronautennahrung, sondern bevorzugt Lebensmittel, die ihm persönlich gut schmecken. Auch das ist Luxus, da er unnötig ist.
Luxus sind Markenklamotten, überteuerte Apple-Produkte, Autos, Wohnungen, Reisen, Friseurbesuche, Musik, Kunst. Aber auch Puffbesuche, Drogen oder Restaurants. Mountainbikes, Gleitsichtbrillen, Kreuzfahrten, Flachbildfernseher oder Spielekonsolen.
All das ist überflüssig. Und natürlich braucht auch niemand eine Uhr, die 10.000,- oder 100.000,- oder 1.000.000,- Euro kostet.

Aber wenn ich mir die verschiedenen Formen des Luxus unter ökologischen und sozialen Aspekten ansehe, stechen hochwertige mechanische Armbandchronometer dadurch hervor, daß sie nachhaltig sind und keinen Schaden anrichten.
Fast alle anderen Formen des Luxus sind eine Pest für die Umwelt, verbrauchen unnötig Ressourcen und Energie und beuten zudem auch noch meistens irgendwo Menschen aus.
Jeder Flug ruiniert das Klima, jedes Auto stößt Schadstoffe aus, für iPhones werden Billigarbeiter ausgebeutet, für fast alle Kleidungsstücke gibt es am anderen Ende der Welt Menschen im Elend. Für einen Strauß Rosen aus Kenia, werden landwirtschaftliche Flächen ausgetrocknet und jeweils ein Liter Kerosin in die Atmosphäre geblasen. Jeder Computer und jede Spielekonsole hinterlässt Plastikmüll. Auf Reisen werden Tiere gequält, wird Fleisch gefressen.
Yachten sind durch ihren Schwerölverbrauch abartig, Großwildjagden sind amoralisch, PS-Protz-Autos sind Klimasünden.

Mir fallen tatsächlich nur mechanische Uhren als positives Luxusbeispiel ein. Sie sind absolut nachhaltig, werden quasi gar nicht weggeworfen, weil sie nicht nur ihren Wert behalten, sondern meistens sogar wertvoller werden. Sie verursachen kaum Müll und verschwenden so gut wie keine Rohstoffe, außer einer winzigen Menge Stahl und Edelmetall. (…………)

Vom Lottoreichtum zu träumen ist irrational und naiv.
Das ewig prall gefüllte Bankkonto wird für die meisten Menschen nie Realität werden.
So werden wir weiterhin bange auf den Ultimo warten und jeden Monat auf’s Neue feststellen, daß ein paar Einschränkungen notwendig sind.

Hier steht die soziale Frage als unsichtbarer Elefant im Raum.
Die wirklich Bedürftigen leiden überproportional, weil es keine Verteilungsgerechtigkeit gibt und das Volksvermögen kontinuierlich an das obere 1% der Bevölkerung verschoben wird.
Das ist insofern besonders ärgerlich, weil das zu ändern wäre, wenn dieses eine Prozent nicht übermäßig viel Einfluss erkaufen könnte. Wenn die Wähler einfach mal die Tomaten von den Augen nähmen und die Parteien in die Parlamente schicken, die solche Strukturen nicht noch verfestigen.

Aber das erforderte wieder nachhaltiges Denken und nachhaltiges Handeln, zu dem Homo Sapiens ganz offensichtlich viel zu dumm ist.

Wenn am 14. oder 17. des Monats das Konto leer ist, spürt man immerhin den Druck und muss sich strecken, einschränken, begnügen.

Auf einer höheren und noch viel dramatischeren Ebene spüren wir aber leider noch nicht mal Druck und prassen immer weiter über unsere Verhältnisse.

Die Menschen dieses Planeten haben am 22.08. sämtliche erneuerbaren Ressourcen, die in einem Jahr zur Verfügung stehen, aufgebraucht.
Der „Earth Overshoot Day“ wäre sogar schon am 22. Juli gewesen, wenn nicht Corona weltweit die Reisetätigkeit und Industrieproduktion heruntergefahren hätte.
Wir verbrauchen also doppelt so viel wie wir haben. Die größten Sünder sind dabei Nordamerika, Europa und die Golfstaaten. Die Zeche zahlen zunächst Afrika und Südasien. Dort schlägt die Erderwärmung erbarmungslos zu.
Die globalen Verursacher von Überschwemmungen, Versteppungen, Überfischungen und Landraub können durch ihr Geld die Konsequenzen der Ressourcenverprassung kompensieren. Wir bauen Deiche, Klimaanlagen, importieren Lebensmittel.

[…..]  Der sogenannte Welterschöpfungstag war eigentlich für Ende Juli prognostiziert, doch 2020 ist alles anders: Durch die Corona-Pandemie und den wirtschaftlichen Lockdown hat sich der Ressourcenverbrauch in den meisten Ländern schlagartig verringert. Eberhard Brandes, geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland: „Die Corona-Pandemie hat uns die Verletzlichkeit unseres Zusammenlebens und Wirtschaftens gezeigt. Der im Kalender 2020 nur kurz verzögerte Welterschöpfungstag ist keine Trendwende, sondern eine Warnung: Der Verlust von natürlichen Ökosystemen und biologischer Vielfalt bringt nicht nur die Gesundheit unseres Planeten, sondern auch unsere eigene Gesundheit in Gefahr. Wir müssen aufhören, die Natur für unseren verschwenderischen Lebensstil zu zerstören. Um unsere Lebensgrundlagen besser zu schützen, brauchen wir zügig Gesetze, die Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umweltschutz auch entlang von Lieferketten verbindlich regeln.“  […..]
(WWF)

[…..] Bildlich gesprochen lebt die Weltbevölkerung derzeit so, als hätte sie 1,6 Erden zur Verfügung. Die Menschen nutzen die Natur also 1,6-mal schneller, als Ökosysteme sich generieren können. Mit vielfältigen Folgen für die Umwelt, wie u.a. Klimawandel, Artensterben oder schrumpfende Wälder. Noch 1987 fiel der Earth Overshoot Day auf den 19. Dezember. Durch das hohe Konsumniveau in Industrie- und Schwellenländern sowie das schnelle Bevölkerungswachstum ist der Tag im Kalender immer weiter nach vorne gerückt, auch wenn er in dem Ausnahmejahr 2020 durch die Corona-Pandemie einige Wochen nach hinten verschoben wurde.
Damit der Earth Overshoot Day zukünftig später im Jahr stattfindet, sind alle gefragt. Denn jede und jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten: Energie sparen, das Auto öfter stehen lassen, saisonale Lebensmittel und langlebige Produkte mit Recyclingmaterialien kaufen und Abfälle generell vermeiden. Würden beispielsweise allein die Nahrungsmittelabfälle weltweit halbiert, würde der Earth Overshoot Day 11 Tage später stattfinden. Eine Halbierung des CO2-Ausstoßes würde das Datum um 89 Tage verschieben. [….]