Ist das öde; seit Jahrzehnten die gleiche Leier: Die konservative Medienwelt beginnt zu schreien und zu quieken, wenn ein Linker, Migrant oder gar eine Frau, an die Spitze einer Millionenstadt gewählt wird. 2019 kam es ganz hart für die Nazis, als Lori Lightfoot ihre vierjährige Regentschaft über die drittgrößte US-Stadt Chicago (im Großraum leben 10 Millionen Menschen) übernahm. Die erfolgreiche Juristin und Staatsanwältin ist a) eine Frau, b) schwarz und c) lesbisch.
Unvorstellbar für FOX-News: Die Menschen flohen dennoch nicht aus Chicago; die Stadt behielt ihre enorme Anziehungskraft.
Es ist wie die Heulerei der CDUCSUAFDP über den angeblichen Exodus deutscher Unternehmer, falls Steuerprüfungen forciert, oder gar Vermögenssteuer eingeführt würde.
“We're running out of rich people in this country” jammerte die berüchtigte GOP-Abgeordnete Michele Bachmann 2009, als man sie noch (zusammen mit Sarah Palin) für die dümmst-mögliche Politikerin aller Zeiten hielt und sich nicht vorstellen konnte, dieses unterirdische intellektuelle Niveau könne jemals von Myriaden komplett enthirnten MAGAs unterboten werden. Immer wieder sagten sie den Millionärs-Exodus aus New York voraus, immer geschah das diametrale Gegenteil.
Deutschland hat keine derartigen Weltstädte. Berlin ist, verglichen mit Paris, London, Rom, Madrid und Barcelona, tiefste Provinz. Die drei (oder vier, wenn man Köln mitzählt) deutschen Millionenstädte, werden niemals in der Liga LA, NY, Tokio, Shanghai, Singapur, Peking, Delhi oder Kairo mitspielen.
Aber auch die deutschen Millionenstädte sind allesamt Anziehungspunkte, obwohl sie doch eindeutige Nachteile gegenüber dem Dorfleben haben: Kriminalität, Lärm, Schmutz, Wohnungsmangel, sehr viel höhere Lebenshaltungskosten. Für die Mehrheit der Menschen überwiegen aber dennoch die Vorteile: Ökonomische, soziale und kulturelle Angebote. Liberalerer Geist, finanzielle Möglichkeiten, medizinische Versorgung, Verkehrsanbindungen.
[….] Weltweite Verstädterung
Wir suchen eine Wohnung. Für zwei Milliarden Leute.
Die Welt braucht massenhaft neuen Wohnraum. Die globale Bauindustrie aber ist der größte Umweltsünder der Welt. Man könnte vieles verbessern, doch kaum jemand interessiert sich dafür.
Wenn ein heute geborenes Kind im Jahr 2050 seinen 25. Geburtstag feiert, werden fast 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. Da es heute erst 55 Prozent sind, kommt in den kommenden Jahren einiges auf uns zu. Es ist allerdings nicht unbedingt das, was man sich als hasenfüßiger Europäer beim Thema Urbanisierung immer gleich ausmalt.
Die Erde wird nicht mit qualmenden Molochen oder Megacities Marke Los Angeles oder Chengdu zugestellt sein. Sie wird eher den deutschen Verhältnissen ähnlicher, die schon seit den Sechzigerjahren als verstädtert gelten, weil seither mehr als 70 Prozent der Einheimischen hierzulande in Städten leben. Die mögen dann Kulmbach, Paderborn oder Parchim heißen, gelten aber auch als mehr oder minder urbane Räume. Wenn sich die Landflucht im Weltmaßstab vollzieht, machen sich nicht ein paar Tausend, sondern Hunderte Millionen Menschen auf den Weg. Das bringt Herausforderungen mit sich, deren Dimensionen geradezu aberwitzig erscheinen. […..]
(Ullrich Fichtner, 08.11.2025)
Es zeigt sich wieder einmal, wie richtig Helmut Schmidt schon vor Jahrzehnten lag, wenn er den Bevölkerungszuwachs als größtes Problem des Planeten anprangerte. Wir sind einfach zu viele Homo Sapiens auf dieser Primaten-Kugel.
Der maximal irrsinnige Pronatalismus weißer US-Rassisten, wie Elon Musk, ist die Apotheose des Scheiterns der Menschheit.
Pronatalismus, gespeist aus Ignoranz und Egoismus, wird sich nicht austreiben lassen. Bis wir unsere eigene Anzahl durch Pandemie, Erdüberhitzung oder Atomkrieg selbst drastisch reduzieren, fehlen also Milliarden Wohnungen. Ausgerechnet. Denn Beton- und Zement-Herstellung sind die größte Klimapest überhaupt. In den USA sorgt Trump sogar dafür, daß Beton maximal schmutzig hergestellt wird. Der menschliche Irrsinn kennt keine Grenzen.
Wohnungsbau ist aber nicht nur extrem umweltschädlich, sondern auch so abenteuerlich teuer, daß er von Normalverdienern nicht zu bewältigen ist. Hier treffen also Interessen superreicher Unternehmer auf eine elementare Not: Den Wohnungsmangel. Am Ende werden Klima und Mieter bluten. Zu groß ist die Macht der Reichen, um das zu ändern.
Wenn sich Möglichkeiten ergeben, aus der Not anderer Profit zu schlagen, können Konservative nicht widerstehen. Das zeigen exemplarisch die Maskendeals der CDUCSU-Politiker, die aus der tödlichen Corona-Gefahr, ihren Honig zu saugen wußten und Millionen Euro in ihre eigenen Portemonnaies leiteten, statt sich wie grüne und rote Politiker, um die Not der Bürger zu kümmern.
Natürlich sind die großen Wohnungskonzerne raffgierige asoziale Konstrukte, die zerschlagen gehören.
Man muss Mieter und Umwelt nicht so rücksichtslos ausbeuten. Das zeigen die zahlreichen kleinen Privatvermieter, die eher um ein gutes Verhältnis mit ihren Mietern bemüht sind und sich scheuen, im laufenden Mietverhältnis die Miete zu erhöhen.
Aber Mieter sind eben auch Menschen und daher auch entsprechend raffgierig.
Meine beiden Nachbarn auf meiner Etage sind Untermieter. Die jeweiligen Hauptmieter habe ich seit mehr als zehn Jahren nicht gesehen. Die erkannten schnell, was es für eine Goldgrube sein kann, in begehrter Lage eine (relativ) günstige Wohnung zu ergattern und vermieten ihre Buden für deutlich mehr, als das, was sie selbst zahlen, unter.
Es ist schon ein sagenhaft parasitäres Verhalten, wenn man als Stamm-Mieter Reibach macht, während der eigentliche Wohnungseigentümer alle Risiken trägt und Reparaturen zahlen muss.
Wie weit das rechtlich zulässig ist, bebrütet gerade der Bundesgerichtshof.
[…] Die Mietpreisbremse ist seither ein Politikum. Sie soll die überhitzten Wohnungsmärkte in gefragten Ballungsgebieten abkühlen, indem sie eine Obergrenze für das monatliche Entgelt bei Neuvermietungen vorsieht. Im Wesentlichen stehen sich beim Streit um das Regulierungsinstrument zwei Seiten gegenüber: Auf der einen Seite Vermieterinnen und Vermieter, die sich in ihrer wirtschaftlichen Betätigung beschränkt sehen und um ihre Gewinne fürchten, und auf der anderen Mieterinnen und Mieter, die ob der prekären Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht ausgebeutet werden wollen.
Besonders relevant ist die Mietpreisbremse im gefragten Berlin. Doch gerade dort hat nun ein Mieter die Sache auf den Kopf gestellt: Er selbst wohnte seit 2009 in einer Zweizimmerwohnung in der Hauptstadt und zahlte dort zuletzt eine Nettokaltmiete von 460 Euro pro Monat. Seit Juni 2015 gilt in seinem Wohngebiet die Mietpreisbremse nach § 556d BGB. Als er Anfang 2020 vorübergehend für längere Zeit ins Ausland ging, kündigte der Mann seinen Mietvertrag jedoch nicht, sondern vermietete die Wohnung selbst für monatlich 962 Euro kalt unter. Seine Vermieterin hatte er vorher nicht um Zustimmung gebeten. Nach der Mietpreisbremse wäre bei Neuvermietung der Wohnung eigentlich nur eine maximale Nettokaltmiete von 748 Euro erlaubt gewesen.
Dies führte offenbar zu Streit mit der Vermieterin, die an den Einnahmen partizipieren wollte. Als er das verweigerte, erklärte sie, nicht mit der Untervermietung einverstanden zu sein, und mahnte ihn ab. Schließlich erklärte sie die ordentliche Kündigung des Mietvertrages aufgrund vertragswidrigen Verhaltens (§ 573c Abs. 2 Nr. 1 BGB). Der Streit um diese Kündigung hat inzwischen den VIII. Zivilsenat des BGH erreicht, der sich am Mittwoch in der Verhandlung mit der Frage beschäftigen wird, ob auch Mieterinnen und Mieter an die Mietpreisbremse gebunden sind, wenn sie ihre Wohnung untervermieten – und ob sie ihre Vermieterinnen und Vermieter bei lukrativen Untervermietungen am Gewinn beteiligen müssen. [….]
Hier überholt wieder einmal die Realität die Satire.
[…..] Du, Berliner Mieter,
wohntest ab 2009 in einer Zweizimmerwohnung für 460 Euro im Monat. Als Du 2020 für längere Zeit ins Ausland gegangen bist, hast Du die Wohnung untervermietet – für 962 Euro monatlich, also für mehr als das Doppelte. Ob das rechtens war oder gegen die Mietpreisbremse verstieß, klärt aktuell der Bundesgerichtshof.
Doch schon jetzt ist klar: Solche Aktionen gehen gar nicht! Wie kannst Du nur Geld mit der Vermietung von Wohnraum verdienen wollen? Ist Dir überhaupt klar, dass Dein Gewinn allein auf der Tatsache basiert, dass Deine Mitmenschen auf eine Wohnung angewiesen sind? Du machst nichts anderes, als eiskalt ihre Abhängigkeit auszunutzen! Stell Dir mal vor, andere Leute würden so etwas tun!
Schäumt vor Wut: Titanic […..]
(Titanic, November-Heft; Briefe an die Leser)



