Zum
Glück bin ich jetzt in einem Alter, in dem meine weiblichen Schulfreunde
langsam die biologische Fruchtbarkeitsgrenze erreichen und meine anderen
Freunde sind eher älter.
Das
bedeutet, daß die Kinderkriegerei in meinem Umfeld erst mal vorbei sein dürfte.
Ohnehin
trennen sich ja die Sphären von Eltern und Vernünftigen ziemlich vollständig,
weil 90% der Menschen, die Kinder bekommen ganz ganz seltsam werden.
Monothematisch und ermüdend.
Wer
hat noch nicht diesen Alptraum erlebt, wenn man Besuch von einer alten
Freundin, bzw einem alten Freund bekommt, der es für eine gute Idee hielt
sind kleines Balg mitzubringen.
Den Abend kann man dann getrost vergessen, weil das Gör 99,5% der Aufmerksam absorbiert und man keine Chance mehr auf eine richtiges Gespräch hat.
Den Abend kann man dann getrost vergessen, weil das Gör 99,5% der Aufmerksam absorbiert und man keine Chance mehr auf eine richtiges Gespräch hat.
Nachdem
ich die ersten Male schwer von diesen monothematisch auf ihr Blag fixierten
Eltern genervt wurde, fragte ich natürlich meine Mutter, wie sie das damals mit
mir gemacht hat.
Es
gibt ja Photos von mir, die beweisen, daß ich auch zu anderen Menschen
mitgeschleppt wurde.
Aber
meine beiden Eltern schworen; und zwar unabhängig voneinander; daß es das
Problem damals nicht gab, weil ich ein angenehmes Kind war.
Ich
quengelte nicht in der Öffentlichkeit rum und verlangte nicht ununterbrochen
nach Aufmerksamkeit.
Ich
konnte mich schon immer wunderbar allein beschäftigen; gewissermaßen die
Inkarnation der Kontemplation.
Es
gibt davon viele Geschichten; auch solche, die später meine Mutter erschaudern
ließen.
So
besuchten wir zu unserer New Yorker Zeit sehr oft am Wochenende die besten
Freunde meiner Eltern. Ein schwules Paar in Clinton, New Jersey.
Von
Jack, dem Typ mit dem „What a way to spend Easter“-Spruch habe ich schon mal erzählt.
Da
gibt es die Geschichte, wie Tammox Nüsse isst.
In
Jacks Arbeitszimmer stand eine große Schale Wal- und Paranüsse. Ich konnte
gerade laufen, taperte alle fünf Minuten in sein Zimmer und holte genau eine
Nuss.
So
ging es den ganzen Tag, bis ich wohlgesättigt war.
Meine
Eltern, die draußen saßen, nahmen natürlich an, daß Jack die Nüsse für mich
öffnete. Das tat er aber nicht wie sich später herausstellte und man wunderte
sich wie ich das wohl stattdessen angestellt hatte. Also spionierte mein Vater
mir nach und sah mich mit jeweils einer Nuss durchs ganze Haus bis in die Küche
laufen, wo der große Bernhardiner von Jacks Mann rumlag. Dem Köter stopfte ich
immer eine Nuss ins Maul, ließ ihn zubeißen und dann teilten wir uns die
Krümel.
Mein
Vater schwitzte Blut und Wasser, daß meine Mutter das nicht rausbekam. Sie
hatte offenbar ganz andere Vorstellung von der Hygiene der Nahrung ihres
Erstgeborenen als Nüsse in Dreck und Hundespeichel.
Es
gibt viele dieser Geschichten; offenbar wußte ich in jeder Umgebung irgendwas
mit mir anzufangen, ohne Erwachsenen auf die Nerven zu gehen.
Laut
meiner Eltern waren Kinder zwar auch immer dabei, aber da sie damals
noch ganz ADHS-frei vom Storch geliefert wurden, mußte man sich in der
Öffentlichkeit auch nicht für sie schämen.
Als
ich in das Alter kam, daß die ersten Freunde selbst Kinder hatten, begann aber
der Telefonalptraum. Es war immerhin noch die Zeit vor Internet und Simsen. Um
zu kommunizieren, telephonierte man. Bei denen, die kleine Kinder hatten,
mußte man aber befürchten, daß dieselben abnahmen. Gerne in dem Alter bevor
sich richtig sprechen konnten und dann minutenlang sinnfrei in den Hörer
glucksten, während man Mama und Papa im Hintergrund kichern hörte.
Oder
noch schlimmer: Man sprach gerade am Telephon und urplötzlich wurde man an den
zweijährigen Max oder die dreijährige Lena weitergereicht, weil die ja
sooooooooooooooo gerne telephonierten.
Selbst
wenn man fremde Kinder dieses Alters gemocht hätte, wäre allerdings kein Gespräch
möglich gewesen, weil die Gören üblicherweise am Hörer schwiegen und offenbar
debil vor sich hin grinsten – wie man dem jauchzenden Entzücken ihrer Erzeuger
im Hintergrund entnehmen konnte.
Als
ich einmal ein ernstes Gespräch mit einer Freundin führen wollte, war ich so
genervt, weil sie gleichzeitig immer mit ihren vier Kindern sprach, daß ich irgendwann
einfach auflegte. Sie wurde ganz furchtbar böse und fragte mich später, wie ich
dazu käme einfach aufzuknallen.
Aber
ich wußte ja gar nicht, mit wem sie eigentlich redete, weil im Minutentakt die
Gören in ihr Zimmer platzen und irgendwas rausposaunten, worauf die Mutter auch
sofort antwortete.
Alles
rennet, redet, flucht.
Erst
da, ich war sicher schon über 30, fiel mir wieder ein, wie es mir als Kind
ging, wenn meine Mutter telephonierte.
Immer
wieder rannte ich zur Wohnzimmertür, lugte hinein, um zu sehen, ob sie schon
aufgehängt hatte, wenn ich sie um irgendeine Erlaubnis fragen wollte.
Man
unterbrach nämlich Erwachsene nicht am Telephon und wartete, bis sie fertig
waren, bevor man sie störte.
Ich
kann mich nicht an entsprechende Maßregelungen erinnern und fragte später meine
Mutter wieso ich mich eigentlich „so brav“ verhalten hätte, oder ob ich mich
einfach nicht an entsprechende Sanktionen bei Nichtbefolgung der Regeln
erinnerte.
Sie
sagte, das sei alles eine Frage des „Vorlebens“.
Wenn
sich die Erwachsenen entsprechend verhielten, machten die Kinder das
automatisch auch so.
Damit
sind wir bei der Bitte-und-Danke-Frage. Wieso können so viele Kinder das heute
nicht mehr? Bringen ihre Eltern ihnen das nicht mehr bei?
Nein,
sie tun es eben selbst nicht.
Das
sind die Wichtig-Mütter, jene unerträgliche Latte-Macchiato-Spezies, die sich
an der Käsetheke vordrängt und bei Missfallensäußerungen schnippisch einwirft „Sie
sehen doch, daß ich ein Kleinkind dabei habe!“
Gerne
verlangen die dann auch noch am Käsestand (sic!) ein „Wienerwürstchen auf die
Hand“ – das sei ja wohl üblich, wenn man ein Kind hätte.
So
erzogene Gören tun mir Leid.
Wenn
die seit dem Schlüpfen nur Hoppla-jetzt-komm-ich vorgelebt bekommen, die niemals Rücksichtnahme und Höflichkeitsformeln
kennengelernt haben, dann lernen sie es auch später kaum noch.
Wenn
solche Blagen in der Grundschule durch schlechtes Benehmen und Konzentrationsunfähigkeit
auffallen, sind natürlich die Lehrer Schuld.
Das
Problem an Kinderhirnen ist, daß sie einerseits moralisch völlig verlottert
sind und erst noch langsam lernen müssen was Empathie bedeutet, aber
andererseits diese beneidenswerte Lernfähigkeit haben.
Für
Kleinkinder ist es nicht das geringste Problem trilingual aufzuwachsen. Im
Nachbarhaus wohnt ein Vierjähriger, dessen japanische Mutter und der
amerikanische Vater es ohne große Anstrengung bewirkt haben, daß es völlig
fließend zwischen deutsch, japanisch und englisch switchen kann.
Das
ist der Normalfall bei binationalen Elternhäusern.
Ich
bin der Meinung, man sollte diese besondere Lernfähigkeit der Kinder nutzen und
ihnen soziales Verhalten vermitteln.
Das
ist erheblich sinnvoller, als all die Latte-Macchiato-Mütter, die jeden Nachmittag
ihrer Dreijährigen durchgeplant haben, damit die Kleine schon vor der
Einschulung Mandarin, das Violinspiel und Makramee beherrscht.
Natürlich,
Mandarin lernt man leichter im Krabbelalter.
Aber
auch weniger offensichtlich beeindruckende „Skills“ sind wertvoll.
Wir
denken da an die erschreckenden Ergebnisse der Nürnberger Bildungsforscherin
Stephanie Müller.
Der Verfall der kindlichen Fertigkeiten ist allerdings schon erheblich
weiter fortgeschritten, als man angesichts der Pläne ZUKÜNFTIG auf Handschrift
zu verzichten, vermuten mag.
Das tumbe Konsumieren im frühen Kindesalter – also indem durch Fernsehen
und Co ständig das Gehör und die Augen gereizt werden, ohne daß das Kind
REagiert oder etwa körperlich INTERagiert, führt zur Verkümmerung vieler
feinmotorischer Fähigkeiten. Simpelste Anforderungen wie eine Schleife zu
binden, auf einem Bein zu stehen oder gar mit der Hand schreiben zu können,
werden vermutlich aussterben.
Kleine
Kinder in Deutschland lernen einerseits nicht mehr feinmotorische Fertigkeiten
wie Schreibschrift.
Andererseits
wird auch die Rechtschreibung immer schlechter, weil die richtige Schreibweise
durch verblödete Kultusminister auf „immer später“ verschoben wird.
Neuerdings
meinen viele Bundesländer, man solle die Kinder erst mal „irgendwie“ schreiben
lassen, damit sich ihre Kreativität entwickeln kann und sie nicht durch
orthographische Sanktionen behindert werden.
„Lesen
durch Schreiben“ heißt der bahnbrechende Schwachsinn, den die ohnehin schwachsinnige
KMK ausgebrütet hat. Grundschulexperte Günter Jansen gruselte sich schon
letztes Jahr bei SPON.
SPIEGEL: Sehr viele Grundschüler in Deutschland lernen inzwischen mit Methoden
und Lehrgängen schreiben, die Elemente des Konzepts "Lesen durch
Schreiben" des Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen übernommen haben.
Das sind zum Beispiel die "Rechtschreibwerkstatt", "Tinto",
die "ABC-Lernlandschaft" oder "Konfetti". Was halten Sie
von diesen Verfahren?
Jansen: Nichts,
die Grundannahme dieser Methoden ist falsch. Reichen ging davon aus, dass
Kinder sich die Schriftsprache selbst erarbeiten könnten. Dafür sollen sie
zunächst so schreiben, wie sie sprechen. Ein Unding! Zahllose Fehlschreibungen
- die von Lehrern über ein oder sogar drei Jahre hinweg nicht oder kaum
korrigiert werden - sind vorprogrammiert. Die Kinder dann in der zweiten oder
dritten Klasse wieder umzupolen und ihnen statt der antrainierten chaotischen
Rechtschreibung die richtigen Schreibweisen beizubringen, ist meist unglaublich
schwer. Hirnforscher wissen: Richtig Schreiben lernen wir ähnlich wie
Geigespielen oder Hochsprung. Man weiß: Wenn sich dabei gewisse falsche
Routinen einmal entwickelt haben, sind sie kaum wieder abzutrainieren.
SPIEGEL: Kernstück aller der von Reichen inspirierten Verfahren ist die
sogenannte Anlauttabelle. Darin ist jedem Buchstaben ein Tier oder Gegenstand
zugeordnet, der mit diesem Buchstaben beginnt. Mit Hilfe dieser Bildchen sollen
sich die Kinder die Buchstaben für die Wörter, die sie schreiben wollen, selbst
zusammensuchen. Wenn sie zum Beispiel "Mama" schreiben wollen, finden
sie das "M" neben der Maus, das "A" neben dem Affen. Geht
das?
Jansen: Die
Arbeit mit der Anlauttabelle kann nicht funktionieren. Im Deutschen soll es
etwa 4000 unterschiedliche Laute geben, die alle mit den Buchstaben des
Alphabets in Schrift umgesetzt werden müssen. Das sollte man selber einmal
versuchen. Schon bei "Tomate" hört es auf! Das "e" am Ende,
der sogenannte Schwa-Laut - übrigens einer der häufigsten Laute der deutschen
Sprache - kommt zum Beispiel in Reichens Anlauttabelle gar nicht vor. Mit der
Anlauttabelle kann nur der effektiv arbeiten, der bereits richtig schreiben
kann.
SPIEGEL:
Ein weiteres gemeinsames Merkmal vieler der von Jürgen Reichen inspirierten
Verfahren ist, dass sich jedes Kind aussuchen darf, in welcher Reihenfolge es
die Buchstaben lernen will.
Jansen: Das
ist völliger Unsinn. Es gibt doch strategisch wichtige und weniger wichtige
Buchstaben. Allen diesen Methoden gemeinsam ist die maßlose Überschätzung der
Kinder! Gerade in den ersten Schuljahren sind Kinder noch auf ein hohes Maß an
Unterrichtsführung durch den Lehrer angewiesen. [….]
Ich
verstehe zwar den zugrunde liegenden Gedanken, aber da ich alt und konservativ
bin, halte ich das ganz wie Jansen für ziemlichen Unsinn.
Man
sollte, im Gegenteil, gleich von Anfang lehren RICHTIG zu schreiben. Denn umso
leichter lernt man es.
Aufgeschoben
und ist sonst aufgehoben. Das Konzept ist übrigens auch in Bayern erfolglos
umgesetzt worden.
Die
Gymnasiallehrer beklagen nachlassende Leistungen in der Rechtschreibung. „Das
ist deutlich schlechter geworden, auch in Bayern“, sagt der Präsident des
Bayerischen Philologenverbands (bpv), Max Schmidt.
Einige
häufige Fehler: lib statt lieb, unt statt und, fiele statt viele. Und manche
Buben lieben „Fusball“, während manche Mädchen ihre „Pupe“ bevorzugen.
An
diesem Donnerstag beginnt für 1,7 Millionen bayerische Schüler das neue
Schuljahr, darunter knapp 417.000 Grundschüler. Eine Hauptaufgabe des neuen
Schuljahrs im Ministerium: die geplante Neufassung des Grundschullehrplans, in
dem auch die Lehrmethode für die Rechtschreibung festgelegt wird.
Die
Rechtschreibprobleme haben eine Ursache mutmaßlich in der seit einigen Jahren
praktizierten Lehrmethode „Lesen durch Schreiben“: Erst- und Zweitklässler
sollen keine Angst vorm Schreiben haben und in ihrer Kreativität gefördert
werden.
Deswegen
korrigieren viele Grundschullehrer Rechtschreibfehler in den ersten beiden
Jahren nur noch sehr spärlich. Das Ergebnis: Viele Kinder gewöhnen sich
Falschschreibungen an, die sie sich in späteren Jahren nur mit großen Mühen
oder gar nicht mehr abgewöhnen können.
„Das
schadet vor allem den Kindern von Migranten und aus bildungsfernen Familien“,
kritisiert Philologenpräsident Schmidt. „Kinder aus bildungsnahen Familien
werden nicht so sehr benachteiligt, denn da helfen ja die Eltern mit. Die
achten darauf, dass ihre Kinder richtig schreiben lernen.“ [….]