Sonntag, 28. Oktober 2018

Mit Hessen-Hitler war es einfacher.


Politik ist stimmungsabhängig.
Keiner mag Miesepeter und keiner mag Angsthasen. Und die Meisten sind natürlich modeabhängig. Man schätzt das was gerade en vogue ist.
Und das was einem ein gutes Gefühl gibt.
Ein gutes Gefühl hat man bei Siegertypen; man will die Partei gewählt haben, die nachher auch regiert.
Inhaltliche Politik ist eben nicht so wichtig wie man es immer behauptet.
Die Themen, die von den Umfrageinstituten als Hauptinteressen der Bürger erkannt werden, führen die Topparteivertreter auch stets im Munde. Sichere Renten, bessere Bildung, günstiger Wohnraum.
Genau daran werkelt auch die Groko.
Alle SPD-Minister zählen immer wieder auf wie sie vorankommen. Gute Kitas, paritätische Kassenbeiträge, Rentenverstetigung.
Bei der Groko 2013-2017 hatten die Sozis auch genau darauf gesetzt. Ordentliche Sacharbeit der SPD-Minister zum Wohle der Bürger. Das gelang so gut, daß die CDU zwei Jahre lang maulte, sie käme gar nicht vor in der Regierung.
Wären Wähler rein vernunftorientierte Wesen, hätten sie das honoriert mit einem starken SPD-Zuwachs bei der Bundestagswahl vom 24.09.2017.
Stattdessen hagelte es das schlechteste Ergebnis aller Zeiten.
Daß Andrea Nahles nach der neuen Klatsche von heute – wieder zehn Prozentpunkte Verlust für die SPD; wie schon vor zwei Wochen in Bayern – als einzige Antwort ein lauer Ruf nach Zeitgewinn einfällt, sagt eigentlich alles.


[…..] SPD-Chefin Andrea Nahles fordert in einer ersten Bilanz ein Ultimatum für die Große Koalition im Bund. "Der Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel", sagte sie. Schwarz-Rot müsse nun einen "verbindlichen Fahrplan" vereinbaren - an dessen Umsetzung bis zur "Halbzeitbilanz" der Regierung werde sich entscheiden, ob die SPD in der Koalition noch "richtig aufgehoben" sei. [….]

Selbst wenn das nicht nur ein offenkundiger Versuch wäre Zeit zu gewinnen, so zeigt doch die vorherige Groko, daß ein Fahrplan und das buchhalterisch genaue Abarbeiten der Wahlversprechen der SPD überhaupt nicht helfen.

Es liegt nicht an der Sachpolitik und noch nicht mal an den Ministern.
Das Problem sind der Mehltau über dem Kabinett nach 28 Jahren Merkel ununterbrochen ganz vorn in der Bundespolitik, die allgemeine Verzagtheit, das furchtsame Knieschlottern vor der AfD, das Kriechen vor der Automobillobby, die Ängstlichkeit gegenüber Trump, die Zurückhaltung mit Macron, die generell miese Stimmung.
Es fehlt das oft zitierte Narrativ der SPD. Nahles fällt einfach keine Erzählung ein was sie eigentlich will, wohin es gehen soll und was die genauen Antworten sind.
Ihre Glaubwürdigkeit ist dahin, nachdem sie diverse Durchbrüche und zukunftsweisende große Entscheidungen begeistert vortrug – Rentenstabilität, Mindestlohn, Dieselgipfel, Maaßenrauswurf – und sich wenig später rausstellte, es war immer zu spät, zu wenig, zu ineffektiv.
Wie sollte man ihr heute auch noch glauben, nach fast 30 Jahren in der Spitzenpolitik, daß sie den Aufbruch verkörpern könnte?

Und so bedeutet das Ergebnis von 21 Prozentpunkten Verlust für die Groko-Parteien in Hessen für die Berliner Parteispitzen tatsächlich „irgendwie weiterwurschteln, noch mal mit blauem Auge davon gekommen, Füße stillhalten.“

Unionswähler brauchen generell weniger Aufbruch, sind leichter mit einem „weiter so“ abzufertigen, aber auch ihre Geduld ist offensichtlich nicht unendlich.
Es müssen endlich mal neue Nasen nach vorn. Immer nur Merkel, von der Leyen, Bouffier, Seehofer, Schäuble kann kein Mensch mehr ertragen.

So wie die FDP im Jahr 2010/2011 sind nun alle drei Groko-Parteien unter „Generalverschiss“ (Kubicki) geraten. Selbst ausgezeichnete Konjunktur, sprudelnde Steuereinnahmen und Milliardenwahlgeschenke nützen nichts, wenn jedem Landespolitiker der (ehemaligen) Volksparteien die Berliner Groko wie Scheiße am PR-Schuh klebt.

Mit ruhiger konventioneller Sachpolitik lockt man keine Wähler mehr hervor. Auch nicht, wenn man die Themen der Brüllaffen von rechts aufbauscht.
Die Union versuchte es in Bayern mit einem bei der AfD abgekupfterten radikal Asylanten-feindlichen Anti-Merkelkurs und bekam dafür MINUS ZEHN PROZENTPUNKTE! Die Union in Hessen versuchte es mit dem diametralen Gegenteil. Man regierte in großer Harmonie in einer Kuschelkoalition mit den Grünen. Bouffier ist der treueste Unterstützer von Angela Merkel und bekam dafür MINUS ZEHN PROZENTPUNKTE!
Inhalte, oder zumindest Flüchtlingstrara können also nicht die Lösung aus dem CDUCSUSPD-Dilemma sein.

Die Grünen haben im Moment drei Riesenvorteile.

1.) Die mediale Stimmung ist großartig. Kein Journalist, der Artikel über die Grünen nicht mit positiven Triggerworten wie „Höhenflug“, Gewinner“, „frisch“, „modern“ und „erfolgreich“ spickt.
2.) Die Grünen haben seit 13 Jahren nicht mehr im Bund regiert und leiden daher nicht unter dem Image.
3.) Mit Habeck und Baerbock ist ihnen ein mustergültiger Generationenwechsel gelungen. Niemand wurde mit ruppigen Methoden ausgebootet, beide gelten als sympathisch und sind unverdächtig immer die gleichen Polititsprechblasen abzulassen. Bei CDU und CSU herrschen hingegen schon ewig die gleichen Geronten. Die SPD hat zwar eine neue Vorsitzende, aber das ist bedauerlicherweise Andrea Nahles, die seit Jahrzehnten eindrucksvoll beweist, daß sie Politik einfach nicht kann.

Die Welt ist ungerecht gegenüber drögen Sacharbeitern wie Thorsten Schäfer-Gümbel, der fleißig und ordentlich arbeitet, alles weiß, sich für die richtigen Dinge einsetzt und persönlich bescheiden bleibt.
Wäre sein Gegenspieler ein widerlicher rechter Lügner wie Roland Koch, würde ihm das als Wahlargument ausreichen.
Damals war alles leichter. Die korrupte revanchistische Hessen-CDU (Dregger, Hohmann, Steinbach, Kanther, Koch) und die fest in ihrem Mastdarm sitzende FDP waren für anständige Menschen unwählbar. So kam man automatisch zu SPD oder Grünen, die auch als  solche zusammenarbeiten würden.
Aber jetzt gibt es so viel mehr Auswahl. Es ist so unklar wer anschließend mit wem regiert. Und Kochs Nachfolger ist so weichgespült, daß er der Wunschpartner der Grünen ist.
Nun braucht man eine echte Motivation, um noch die SPD zu wählen. Oder zumindest einen charismatischen Kandidaten. Aber die Sozis haben halt nur TSG, Klingbeil und Nahles….