Politik ist stimmungsabhängig.
Keiner mag Miesepeter und keiner mag Angsthasen. Und die
Meisten sind natürlich modeabhängig. Man schätzt das was gerade en vogue ist.
Und das was einem ein gutes Gefühl gibt.
Ein gutes Gefühl hat man bei Siegertypen; man will die
Partei gewählt haben, die nachher auch regiert.
Inhaltliche Politik ist eben nicht so wichtig wie man es
immer behauptet.
Die Themen, die von den Umfrageinstituten als
Hauptinteressen der Bürger erkannt werden, führen die Topparteivertreter auch
stets im Munde. Sichere Renten, bessere Bildung, günstiger Wohnraum.
Genau daran werkelt auch die Groko.
Alle SPD-Minister zählen immer wieder auf wie sie
vorankommen. Gute Kitas, paritätische Kassenbeiträge, Rentenverstetigung.
Bei der Groko 2013-2017 hatten die Sozis auch genau darauf
gesetzt. Ordentliche Sacharbeit der SPD-Minister zum Wohle der Bürger. Das
gelang so gut, daß die CDU zwei Jahre lang maulte, sie käme gar nicht vor in
der Regierung.
Wären Wähler rein vernunftorientierte Wesen, hätten sie das
honoriert mit einem starken SPD-Zuwachs bei der Bundestagswahl vom 24.09.2017.
Stattdessen hagelte es das schlechteste Ergebnis aller
Zeiten.
Daß Andrea Nahles nach der neuen Klatsche von heute – wieder
zehn Prozentpunkte Verlust für die SPD; wie
schon vor zwei Wochen in Bayern – als einzige
Antwort ein lauer Ruf nach Zeitgewinn einfällt, sagt eigentlich alles.
[…..] SPD-Chefin Andrea Nahles fordert in einer ersten Bilanz ein Ultimatum
für die Große Koalition im Bund. "Der Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel",
sagte sie. Schwarz-Rot müsse nun einen "verbindlichen Fahrplan"
vereinbaren - an dessen Umsetzung bis zur "Halbzeitbilanz" der
Regierung werde sich entscheiden, ob die SPD in der Koalition noch
"richtig aufgehoben" sei. [….]
Selbst wenn das nicht nur ein offenkundiger Versuch wäre
Zeit zu gewinnen, so zeigt doch die vorherige Groko, daß ein Fahrplan und das
buchhalterisch genaue Abarbeiten der Wahlversprechen der SPD überhaupt nicht
helfen.
Es liegt nicht an der Sachpolitik und noch nicht mal an den Ministern.
Das Problem sind der Mehltau über dem Kabinett nach 28
Jahren Merkel ununterbrochen ganz vorn in der Bundespolitik, die allgemeine Verzagtheit,
das furchtsame Knieschlottern vor der AfD, das Kriechen vor der Automobillobby,
die Ängstlichkeit gegenüber Trump, die Zurückhaltung mit Macron, die generell
miese Stimmung.
Es fehlt das oft zitierte Narrativ der SPD. Nahles fällt einfach keine Erzählung ein was sie eigentlich will, wohin es gehen soll
und was die genauen Antworten sind.
Ihre Glaubwürdigkeit ist dahin, nachdem sie diverse Durchbrüche
und zukunftsweisende große Entscheidungen begeistert vortrug –
Rentenstabilität, Mindestlohn, Dieselgipfel, Maaßenrauswurf – und sich wenig
später rausstellte, es war immer zu spät, zu wenig, zu ineffektiv.
Wie sollte man ihr heute auch noch glauben, nach fast 30
Jahren in der Spitzenpolitik, daß sie den Aufbruch verkörpern könnte?
Und so bedeutet das Ergebnis von 21 Prozentpunkten Verlust
für die Groko-Parteien in Hessen für die Berliner Parteispitzen tatsächlich „irgendwie
weiterwurschteln, noch mal mit blauem Auge davon gekommen,
Füße stillhalten.“
Unionswähler brauchen generell weniger Aufbruch, sind
leichter mit einem „weiter so“ abzufertigen, aber auch ihre Geduld ist offensichtlich
nicht unendlich.
Es müssen endlich mal neue Nasen nach vorn. Immer nur
Merkel, von der Leyen, Bouffier, Seehofer, Schäuble kann kein Mensch mehr
ertragen.
So wie die FDP im Jahr 2010/2011 sind nun alle drei
Groko-Parteien unter „Generalverschiss“ (Kubicki) geraten. Selbst
ausgezeichnete Konjunktur, sprudelnde Steuereinnahmen und Milliardenwahlgeschenke
nützen nichts, wenn jedem Landespolitiker der (ehemaligen) Volksparteien die
Berliner Groko wie Scheiße am PR-Schuh klebt.
Mit ruhiger konventioneller Sachpolitik lockt man keine Wähler
mehr hervor. Auch nicht, wenn man die Themen der Brüllaffen von rechts
aufbauscht.
Die Union versuchte es in Bayern mit einem bei der AfD abgekupfterten
radikal Asylanten-feindlichen Anti-Merkelkurs und bekam dafür MINUS ZEHN
PROZENTPUNKTE! Die Union in Hessen versuchte es mit dem diametralen Gegenteil.
Man regierte in großer Harmonie in einer Kuschelkoalition mit den Grünen.
Bouffier ist der treueste Unterstützer von Angela Merkel und bekam dafür MINUS
ZEHN PROZENTPUNKTE!
Inhalte, oder zumindest Flüchtlingstrara können also nicht
die Lösung aus dem CDUCSUSPD-Dilemma sein.
Die Grünen haben im Moment drei Riesenvorteile.
1.) Die
mediale Stimmung ist großartig. Kein Journalist, der Artikel über die Grünen
nicht mit positiven Triggerworten wie „Höhenflug“, Gewinner“, „frisch“, „modern“
und „erfolgreich“ spickt.
2.) Die
Grünen haben seit 13 Jahren nicht mehr im Bund regiert und leiden daher nicht
unter dem Image.
3.) Mit
Habeck und Baerbock ist ihnen ein mustergültiger Generationenwechsel gelungen.
Niemand wurde mit ruppigen Methoden ausgebootet, beide gelten als sympathisch
und sind unverdächtig immer die gleichen Polititsprechblasen abzulassen. Bei CDU
und CSU herrschen hingegen schon ewig die gleichen Geronten. Die SPD hat zwar
eine neue Vorsitzende, aber das ist bedauerlicherweise Andrea Nahles, die seit
Jahrzehnten eindrucksvoll beweist, daß sie Politik einfach nicht kann.
Die Welt ist ungerecht gegenüber drögen Sacharbeitern wie
Thorsten Schäfer-Gümbel, der fleißig und ordentlich arbeitet, alles weiß, sich
für die richtigen Dinge einsetzt und persönlich bescheiden bleibt.
Wäre sein Gegenspieler ein widerlicher rechter Lügner wie
Roland Koch, würde ihm das als Wahlargument ausreichen.
Damals war alles leichter. Die korrupte revanchistische
Hessen-CDU (Dregger, Hohmann, Steinbach, Kanther, Koch) und die fest in ihrem
Mastdarm sitzende FDP waren für anständige Menschen unwählbar. So kam man
automatisch zu SPD oder Grünen, die auch als
solche zusammenarbeiten würden.
Aber jetzt gibt es so viel mehr Auswahl. Es ist so unklar
wer anschließend mit wem regiert. Und Kochs Nachfolger ist so weichgespült, daß
er der Wunschpartner der Grünen ist.
Nun braucht man eine echte Motivation, um noch die SPD zu
wählen. Oder zumindest einen charismatischen Kandidaten. Aber die Sozis haben
halt nur TSG, Klingbeil und Nahles….