Freitag, 12. Oktober 2018

Ich hatte Recht!


Im Jahr 2016 wurden die Grünen im sehr konservativen und über viele Jahrzehnten CDU-regierte Baden Württemberg fast dreimal so stark wie die SPD.

Auch nebenan in Bayern lässt die CSU gewaltig Federn.


Bei der Landtagswahl in Bayern könnten die Grünen womöglich doppelt so stark werden wie die SPD. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, daß die grüne Spitzenkandidatin Katharina Schulze die nächste Bayerische Ministerpräsidentin wird.


Eiskunstläufer Blume und sein derber evangelischer Chef Söder verstehen die Welt nicht mehr und setzen wie Trump auf eine Angstkampagne. Die Grünen wären nicht koalitionsfähig.


Zwei Wochen später, am 28. Oktober wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt.
Vor nicht allzu langer Zeit war die Welt noch in Ordnung. Die CDU regierte unangefochten in Wiesbaden und die Grünen, die es wagten einen Migranten mit derart exotischem Namen wie Al Wazir in die erste Reihe des Parlaments zu setzen, mussten sich von der zeternden Koch-CDU rabiate xenophobe Sprüche gefallen lassen.

[….] Mit einem Zwischenruf hat der CDU-Abgeordnete Clemens Reif gestern im hessischen Landtag einen Eklat provoziert: Während einer aktuellen Stunde zur CDU-Spendenaffäre hielt Reif dem grünen Fraktionsvorsitzenden Tarek Al-Wazir entgegen: „Geh doch zurück nach Sana’a!“ Al-Wazir, der in Offenbach geboren wurde, besitzt einen deutschen und einen jemenitischen Pass. Der Vater ist Jemenite, die Mutter Deutsche.
Es gab tumultartige Szenen. SPD und Grüne verlangten vom Parlamentspräsidenten umgehend eine Rüge. Reif habe eine „Sauerei an der rechten Ecke angezettelt“, sagte etwa SPD-Fraktionschef Armin Clauss. „Solche Äußerungen sind mit die Ursache dafür, dass hier rechtsradikale Schlägerbanden Ausländer verfolgen und ermorden.“ [….]

Die Hessischen Grünen und die stramm rechte Landes-CDU („Jüdische Vermächtnisse“, Kanther, Dregger, Koch, Steinbach) waren wie Feuer und Wasser, der strikt ausländerfeindliche Kurs des pockennarbigen Roland Koch kam so gut an, daß seine Partei bei der folgenden Landtagswahl am 2. Februar 2003 sogar die absolute Mehrheit holte.

Und jetzt? In welchem Loch versteckt sich der gedemütigte Al Wazir? Ist er deprimiert in den Jemen gegangen?
Nicht ganz.
Der Grüne amtiert seit 2014 als Stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung im Kabinett Bouffier II. Er ist der beliebteste Politiker Hessens, seine Grünen wandern in Richtung 20%, während es für die CDU bergab geht.
Durchaus möglich, daß Tarek Al-Wazir nächster Ministerpräsident wird.

[….] Anders als in Bayern, wo die Grünen am Sonntag als Favorit für Platz zwei ins Rennen gehen, ist der hessische Höhenflug bislang relativ unbemerkt geblieben. Dabei könnte Al-Wazir sogar ein besseres Ergebnis erzielen als die Parteifreunde im Süden.
Noch wiegelt Al-Wazir in Sachen Ministerpräsident ab: "Das Chaos in Berlin hilft uns, wir werden als seriöse, konstruktive Alternative wahrgenommen", sagt er dem SPIEGEL. [….]
Die Grünen haben einen Lauf.
Offensichtlich profitieren sie extrem von einer Groko-Nein Danke-Stimmung.

Das hat nicht unbedingt etwas mit der realen Performance der amtierenden Minister zu tun. Für den grandiosen ökonomischen Erfolg der ersten Kretschmann- Koalition in Hessen (Grün-Rot) war maßgeblich der hervorragende und unprätentiöse SPD Chef Nils Schmid als Stellvertretender Ministerpräsident und
Super-Minister für Finanzen und Wirtschaft verantwortlich.
Genützt hat er gar nicht; er wurde abgestraft und landete bei der nächsten Wahl in der Opposition.

Ein weiterer SPD-Vizeregierungschef besticht durch außerordentlich gute Leistungen: Bundesfinanzminister Olaf Scholz, dem wir in Hamburg heute noch dankbar sind.

Geschickt hatte er den durch Volksabstimmungen erzwungenen Rückkauf der Hamburger Fernwärmenetze für 950 Millionen ermöglicht und damit womöglich einen 150-Miiilionen-Gewinn für die Steuerzahler erzielt.

[….] Die Opposition ging bereits auf die Barrikaden, selbst Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) wetterte vor Wochen gegen den von Alt-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ausgehandelten Vertrag mit Vattenfall.
Das klingt inzwischen anders. „Asche auf mein Haupt. Ich habe Olaf Scholz unterschätzt“, sagt Kerstan und lacht. Dazu hat er auch allen Grund: Ein neues Gutachten der Beratungsgesellschaft LBD kommt zu dem Ergebnis, dass das Fernwärmenetz plötzlich 1,1 Milliarden Euro wert ist! [….]

Allein, es nützt nichts.
Gute Sacharbeit der SPD-Minister wird nicht vom Wähler belohnt, weil die Partei in allen Berichterstattungen durch die Totalverschiss-Brille beschrieben wird.
Es wäre die ureigene Aufgabe der Parteivorsitzenden diesem katastrophal negativen Narrativ entgegen zu wirken.
In der aktuellen ARD-Sonntagsfrage-Bund fiel die SPD auf niemals auch nur vorstellbare 15% und damit auf Platz vier hinter CDU (26%), Grünen (17%) ind AfD (16%) zurück.
Die Nahles-Pressepolitik ist ein nie dagewesenes Desaster.
Wenn sie persönlich Politik macht, läuft es immer gleich:
Da nichts mehr vorausschauend oder konzentriert ohne Zeitdruck erarbeitet wird, kommt es immer wieder zu langen Last-Minute-Nachtsitzungen.
Irgendwann tritt Nahles mit ihrem debilen Klon Dobrint vor die Presse und verkündet „Durchbrüche“, die ganz wesentlich und positiv klingen.
Damit ist dann eins klar: Die Deppin hat wieder Unsinn verzapft, für den es einen Shitstorm geben wird. In spätestens einer Woche wird der völlige Murx (Maaßen-Koalitionsgipfel, Dieselgipfel) einkassiert und die SPD rutscht einen weiteren Prozentpunkt ab.
Mit dieser Frau ist die SPD unter Generalverschiss geraten.

(….) Es wird dabei immer noch fahrlässig geringgeschätzt, daß diese Groko durchaus arbeitet und dabei auch geschätzt wird.
Diese Nase voll hat man hingegen von den Führungs-Flitzpiepen Nahles, Merkel, Seehofer, Dobrindt, Schäuble. Es müssen unbedingt einige dieser seit vielen Jahrzehnten in der ersten Reihe sitzenden Apparatschiks abtreten. Selbst wenn sie etwas völlig richtig machen, nützt es ihnen nichts mehr, weil sie nur noch negativ konnotiert werden. Man muss nur den Namen „Nahles“ erwähnen und schon winken die Menschen entnervt ab.
Das ist partiell ungerecht, weil sie gar keine Chance hat es besser zu machen. Aber es ist auch nicht zu ändern. Ein politisches Reset gibt es nicht durch das Platzenlassen dieser Groko, sondern durch tabula rasa der Führungsebene.

[….] Merkel, Nahles und Scholz finden keine Sprache und keinen Sound, der noch zu vernehmen wäre.  [….]

Ich sehe angesichts der gegenwärtigen Umfragen nur zwei Möglichkeiten:

1.) CDU, CSU und SPD tauschen radikal das Führungspersonal aus, schmeißen möglichst jeden, der länger als zehn Jahre im Bundestag sitzt aus der Regierung und regieren mit ganz neuen Gesichtern weiter.
2.) CDU, CSU und SPD stellen gemeinsam fest, daß sie nicht miteinander regieren wollen, lassen ein konstruktives Misstrauensvotum scheitern und bitten Steinmeier Neuwahlen einzuleiten, bei denen dann aber keiner der Spitzenkandidaten von 2017 mehr antritt. Dann müssen Maas, Spahn, Habeck, Kipping und Nicht-Lindner für ganz andere Koalitionen werben und aufgrund ihrer Frische auf volatilere Umfragen hoffen.