Dienstag, 18. August 2015

Ossis, I Gitt.


Es sind ja nicht ALLE Sachsen schlecht, obwohl das ganze Bundesland eigentlich gescheitert ist.
Obwohl die schlimmsten xenophoben, antimuslimischen, homophoben und antisemitischen Vorkommnisse immer wieder aus Dresden berichtet werden.

Wenn man beispielsweise linke Bundestagsabgeordnete aus Tillichs Freistaat fragt, wieso es dort so viele gewalttätige Nazis, fremdenfeindliche Angriffe und Pegida gibt, erklären sie das mit einem bürgerrechtlichen Manko durch die DDR-Kultur.
Dort sei eben immer der Staat für alles zuständig gewesen; man hätte nie gelernt sich zu engagieren und sich mit Neuem zu arrangieren.
Sind die 40 Jahre Staatssozialismus à la Honecker wirklich eine hinreichende Erklärung dafür?
Das ist eine Frage an Soziologen, die dazu forschen.
Ich bin aber nicht recht überzeugt, denn diese braunen Hotspots gibt es auch in westlicheren Bundeländern.
Neben Sachsen hat beispielsweise auch Baden-Württemberg einen evangelikalen Biblebelt, der sich fanatisch gegen Homosexualität wehrt. Der Stuttgarter Landtag war schon vor 1990 der Erfolgsgarant für Nazi-Parteien.
1952-1964 waren revanchistische Gruppen („BHE“ Block der Heimatvertriebenen) im Landtag, 1968 zog die NPD mit fast zehn Prozent ein.
Später gab es neun Jahre eine Republikaner-Fraktion in Stuttgarter Landtag.

Die DDR-Keule kann auch schlecht erklären, wieso von allen 16 Bundesländern Bayern bei Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit und Homophobie vorn liegt.

Es sind 18 Aussagen, mit drastischem Inhalt: "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken" oder: "Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute als großen Staatsmann ansehen". Mit ihnen überprüfen Forscher der Universität Leipzig in ihrer "Mitte"-Studie seit 2002 im Zwei-Jahres-Turnus, wie verbreitet rechtsextreme Einstellungen in Deutschland sind. Die Teilnehmer sollen angeben, ob sie die Aussagen ablehnen, ihnen teilweise zustimmen, oder sie bejahen.
Für Bayern sind die Ergebnisse besorgniserregend: Jeder Dritte (33,1 Prozent) hier teilt ausländerfeindliche Einstellungen, jeder Achte (12,6 Prozent) stimmt antisemitischen Aussagen zu. Damit sind ausländerfeindliche und antisemitische Einstellungen in Bayern so weit verbreitet wie in fast keinem anderen Bundesland.

Bei Indolenz gegenüber den Nöten anderer Menschen und der physischen Gewalttätigkeit mit xenophober Motivation stehen aber die Ostländer derzeit ganz vorn in Deutschland.

Es dreht sich einem der Magen um, wenn man die täglich neuen Meldungen über sächsische Attacken auf Flüchtlinge zur Kenntnis nehmen muß.

[….] Gewalttaten aus Fremdenhass werden überproportional in den östlichen Bundesländern und Berlin verübt - zu diesem Ergebnis kommt laut einem Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung" das Bundesinnenministerium. Auch die Anzahl dieser Gewalttaten ist demnach deutlich gestiegen.
Fast die Hälfte aller rassistisch motivierten Gewalttaten in Deutschland im vergangenen Jahr wurde laut einem Zeitungsbericht in Ostdeutschland inklusive Berlin verübt. Obwohl die Ostdeutschen nur knapp 17 Prozent der Gesamtbevölkerung stellten, seien dort 47 Prozent der rassistischen Gewalttaten registriert worden. [….]
Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten - also solcher, die sich nicht nur gegen Migranten richteten - lag demnach mit 1029 wesentlich höher. [….]

Da ist etwas zusammengewachsen, das nicht zusammengehört.

(Titanic 2007)

Während sich Politiker aller Couleur zum Entsetzen der jungen Generation ausschweigen, gibt es in den nördlichen, alten Bundesländern eine Welle der Hilfsbereitschaft.
Tausende Menschen gehen auf die Flüchtlinge zu, heißen sie willkommen, spenden, bieten ihre Hilfe an.

Panorama hat die unterschiedlichen Reaktionen auf Flüchtlinge in Boogstedt und Freital zusammengeschnitten. In Sachsen regiert der blanke Hass, in Schleswig-Holstein breitet man hingegen die Arme aus.

Während sich im sächsischen Freital Neonazis mit normalen Bürgern gegen Asylbewerber verbünden, heißt man die Flüchtlinge im holsteinischen Boostedt herzlich willkommen.


Natürlich betone ich auch an dieser Stelle, daß man nicht pauschalisieren darf und daß auch in Sachsen Menschen bewundernswert gegen Nazis engagiert sind.
Aber die NPD-, Pegida- und AfD-Hetzer sind in Sachsen auf breiter Front mit den Normalbürgern und der regierenden CDU verquickt.

Es fällt tatsächlich schwer diesen bürgerlichen Abschaum in Freital anzusehen, ohne sich auf eine gedankliche Stufe mit ihnen herab zu begeben, indem man die Sachsen auch so intensiv ablehnt, wie sie ihrerseits gegen vor Not und Terror Geflohene agitieren.

Die beiden Ossis, die in dieser causa ein besonders mieses Bild abgeben und somit das Bild von dem asozialen, antibürgerlich DDR-geprägten Klischee-Ostzonalen erfüllen, heißen Merkel und Gauck.

Europa und Deutschland stehen vor einem gewaltigen Jahrhundertproblem, das unter anderem auch den übelsten dumpfdeutschen Rassismus hervorlockt, aber Kanzlerin und Präsident finden es unnötig sich dort einzumischen.
Statt auch nun ein einziges mal klar Position zu beziehen, sich selbst mit all ihrer Macht und Autorität vor die geschundenen Flüchtlinge zu stellen, tun sie so, als ob es sie nichts angeht.
Der Pfarrer und die Pfarrerstochter halten es wohl mit dem unseligen Pegida-Freund Bischof Bohl und dem Kölner Kardinal Woelki, der ebenfalls heute rabiate Abschiebungen fordert – als ob man damit irgendein Problem lösen könnte.
Nächstenliebe à la Kardinal!
Sonst müßten die RKK am Ende noch was von ihrem Reichtum abgeben.
Gerade Woelki hat ja was zu verlieren - seine Diözese nimmt im Jahr 3,5 Mrd Euro ein und sitzt auch einem Immobilienvermögen.

[….] Man wird das 21. Jahrhundert einmal daran messen, wie es mit den Flüchtlingen umgegangen ist. Man wird es daran messen, was es getan hat, um die Staaten im Chaos wieder zu entchaotisieren. Man wird es daran messen, welche Anstrengungen unternommen wurden, um entheimateten Menschen ihre Heimat wiederzugeben. Das ist eine gigantische Aufgabe, die von Politik und Wirtschaft ein radikales Umdenken verlangt. Die Flüchtlingszahlen, die Deutschland im Sommer 2015 beunruhigen, sind auch Folge dessen, was der Raubtierkapitalismus und die gewachsene Bereitschaft der Geostrategen, Interessenkonflikte mit Gewalt zu lösen, angerichtet haben. Flucht hat Ursachen - aber die Bekämpfung der Fluchtursachen ist zu einer Floskel geworden, mit der man eigentlich nur sagen will: Da kann man nichts machen, "die" sollen doch bleiben, wo sie sind.
[….] Im Übrigen versteckt sich hinter der Chiffre "Flüchtlinge aus den Balkanstaaten", für die in Bayern zentrale Aufnahmelager errichtet und Schnellverfahren etabliert werden sollen, ein Problem, das mit Aufnahmelagern und Schnellverfahren nicht zu lösen ist: Die Roma haben kein Zuhause - nicht auf dem Balkan, nicht in Deutschland, nicht in Frankreich. Sie sind überall ungern gelitten. Es ist nötig, Europa für die Roma zum Zuhause werden zu lassen. Aber dazu hört man weder von Horst Seehofer etwas noch von der EU-Kommission. Die aktuelle Debatte raunt, man würde gern Roma loswerden und dafür Syrer aufnehmen.
Aber: Menschen sind keine Bauklötzchen, die man schnell austauschen kann. Und: Es geht einem Menschen, dem es schlecht geht, nicht schon deswegen besser, weil es einem anderen Menschen noch schlechter geht. Sinti und Roma dürfen in der neuen Flüchtlingsdebatte nicht unter die Räder kommen. Die Sorge um die Zukunft von Sinti und Roma muss Deutschland, auch aus historischer Verantwortung, in die EU tragen. Es handelt sich um ein Armuts- und Klassenproblem, das durch rassistische Zuweisungen verdrängt wird. Es gilt, einem Volk eine Zukunft zu geben. [….]

Während 1989 nicht die Rede davon war abzuschieben und neue Grenzzäune zu errichten, als Millionen Ossis nach Westdeutschland strömten, wollen die Ossis Merkel und Gauck nun mit Härte, Abschreckung und Abschiebung die Menschen, die in unendlich viel größerer Not sind, loswerden.  Das ist fremdenfeindlicher Populismus, wie es Manuela Schwesig zu Recht de Maizière vorwirft.

Widerlich, wie Merkels Partei Stimmung gegen diejenigen gemacht wird, die alles verloren haben und vor dem IS-Terror fliehen mußten.

Ich schäme mich für die deutsche Staatsspitze!

[….] Sollen zusätzliche Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden? Ist es richtig, Asylbewerber direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland zu trennen - nach dem Motto "legitim oder nicht"? Müssen, zur Abschreckung, die Leistungen für Flüchtlinge geändert werden? Und ganz grundsätzlich: Ist Deutschland wirklich an der Grenze seiner Belastbarkeit angesichts der neuen Flüchtlingszahlen?
Man wüsste gerne, was Angela Merkel zu all diesen Fragen denkt, die im Moment diskutiert werden. Bis zu 750.000 Flüchtlinge könnten dieses Jahr nach Deutschland kommen, ein Rekord. Aber leider schweigt die Kanzlerin.
[….] Aber in der Flüchtlingsfrage muss Merkel endlich Positionen beziehen. Viel mehr: Sie hätte es längst tun müssen. [….]  In diesen Zeiten ist die Kanzlerin gefragt, zumal in der Person einer so rationalen Politikerin wie Merkel.
Aber sie hat bisher nicht einmal eine Unterkunft von Flüchtlingen betreten. "Ich werde sicherlich auch ein Flüchtlingsheim einmal besuchen", sagte sie nun wolkig. [….]