Ganz so
abwegig war meine pessimistische Prognose von gestern
also nicht.
Die
Grünen sind stärker als ich dachte. Vermutlich gab es einige taktische
Denkende, die annahmen, daß Frau Merkel als Kanzlerin ohnehin nicht zu
verhindern ist, denen Lindner höchst unsympathisch ist. Unter den Prämissen
kann man als linksliberal Denkender der CDU das Leben am schwersten mit machen,
wenn Grüne in den Jamaika-Verhandlungen möglichst stark sind.
Daher
haben 400.000 SPD-Wähler von 2013 diesmal für grün gestimmt.
Außerdem
scheinen die Sozis mit knapp 21% nicht ganz so dramatisch abgestürzt wie ich
befürchtete. Dennoch ist es das schlechteste Ergebnis überhaupt seit 1949
und es erstaunt mich schon, wie sehr Herr Schulz in seiner Zustimmungsblase
hockt und ihm gar nicht in den Sinn kommt zurückzutreten.
Seit er
im Amt ist, gab es krachende Niederlagen in drei Landtags- und der Bundestagswahl.
[….]
Mehr als 40 Millionen Bürger wurden
Anfang 2016 von Rot-Grün regiert. Nach einem Verlust Niedersachsens wären es
nicht einmal mehr 2,5 Millionen. [….] Noch
Anfang des vergangenen Jahres wurden sechs Länder von Koalitionen aus SPD und
Grünen regiert. Kein anderes Bündnis kam häufiger vor, selbst große Koalitionen
gab es damals lediglich in fünf Ländern. Ein Jahrzehnt nach dem Ende der
Bundesregierung Schröder/Fischer hatte Rot-Grün wieder Konjunktur. In
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hamburg
und Bremen zeigte sich eine erstaunliche Renaissance des lange als
"Projekt" idealisierten Bündnisses von SPD und Grünen. Wenn man Schleswig-Holstein
dazuzählt, dort konnten SPD und Grüne mithilfe des kleinen SSW regieren, kommt
man sogar auf sieben Bundesländer, in denen Rot-Grün damals reüssierte. [….]
Doch seitdem gab es einen beispiellosen
Niedergang. [….]
Aus mehr als 40
Millionen Bürgern, die in einem Bundesland mit rot-grüner Regierungsmehrheit
leben, wurden innerhalb eines guten Jahres weniger als 2,5 Millionen. Nur in
den Stadtstaaten Hamburg und Bremen hat das Bündnis überlebt. Der Absturz ist
auch ein Fanal für SPD und Grüne im Bund. [….]
Nach gut
20% für die SPD bei der Bundestagswahl 2017; Schröder holte 1998 noch 41%;
sollte man sich als Chef fragen, ob man der Richtige ist.
Martin
Schulz betonte heute, er habe die volle Rückendeckung der Parteiführung.
Als ob
sich jetzt irgendjemand vordrängen würde.
53% der
SPD-Wähler fanden nach ARD-Zahlen Schulz im Wahlkampf "hilfreich."
Bei der
CDU sind es umgekehrt 91%, die Merkel für hilfreich halten.
Selbst
die eigenen SPD-Anhänger trauen ihm nicht zu der Partei zu nützen.
Zudem
wird heute immer wieder gemeldet, Herr Schulz werde am Mittwoch Andrea Nahles
als neue SPD-Fraktionsvorsitzende vorschlagen.
Einen Hinweis
darauf bekamen wir schon, als Schulz im Willy-Brandt-Haus vor die Presse ging
und Nahles, obwohl sie kein Parteiamt hat, direkt neben ihm stand und im
Gegensatz zu den anderen SPD-Größen auf der Bühne ununterbrochen breit grinste.
Glückwunsch;
mit sicherem Griff pickt sich Herr Schulz unter 150 Abgeordneten die Ungeeignetste
und Unbeliebteste heraus. Eine extrem schlechte Rednerin, die selbst in der
eigenen Partei nicht gemocht wird,
Ausgerechnet
also die Frau, die politisch für das Thema, welches der SPD nicht mehr
zugetraut wird, nämlich die Sozialpolitik zuständig ist.
Und nun?
Bleibt nur Jamaika?
Manuela Schwesig
gab schon um 18.01 Uhr die Wortwahl vor, an die sich auch alle anderen Sozis hielten:
Ein Wahlergebnis gegen die GroKo, wir nehmen die Oppositionsrolle an.
Aber
keiner schließt die GroKo definitiv aus.
Schulz tat
es auch in der Berliner Runde nicht!
Gut
möglich, daß ein, zwei Monaten alles anders aussieht.
In drei
Wochen ist Landtagswahl in Niedersachsen. Bis dahin wird kein Sozi das Wort „Groko“
in den Mund nehmen.
Aber die
SPD muss nur abwarten, da die Koalitionsverhandlungen mit CSU und FDP extrem schwer
werden. Schon früher waren es Seehofer und Lindner in den jeweiligen Parteien,
die sich 2009-2013 wie die Pest hassten (Gurkentruppe,
Wildsäue).
Dazu noch die Grünen, die es ausgerechnet mit einer frustrierten CSU zu
tun haben, die mit ihrer AfD-Imitationspolitik auf 38% in Bayern abgestürzt ist („man
wählt immer das Original“) und nun noch rechtslastiger auftreten will.
[….] Laut Prognose des Bayerischen Rundfunks
landet die Partei von Horst Seehofer bei 38,5 Prozent - ein Verlust von 10,8
Prozentpunkten gegenüber 2013. Das wäre das schlechteste Bundestagswahlergebnis
der CSU seit 1949. [….] "Wir
hatten eine offene rechte Flanke auf der rechten Seite", sagt Seehofer.
"Es kommt darauf an, dass wir diese Flanke schließen. Mit klarer Kante und
klaren Positionen." Verkehrsminister Alexander Dobrindt sprach von einem
bitteren Wahlabend. Für die CSU bedeute dies, dass sie ihre Themen - vor allem
die Migrations- und Flüchtlingspolitik - in anstehenden Koalitionsverhandlungen
noch stärker deutlich machen müsse. […]
Mit den
Orban-umarmenden Obergrenze-Bayern wollen nun Özedemir und Göring-Kirchentag
ins Bettchen?
[….]
Der schleswig-holsteinische
Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz ist ebenfalls skeptisch:
"Der Weg nach Jamaika ist viel weiter noch als in Schleswig-Holstein, weil
er über München geht", sagte Notz, der zuletzt Vizefraktionschef der
Grünen im Bundestag war. [….]
(dpa,
24.09.17)
Das wird lange dauern und sehr unerfreulich sein. Währenddessen bleibt die GroKo im Amt, möglicherweise viele Monate, in denen die Kanzlerin täglich mit SPD-Ministern im Kabinett zusammentrifft.
Ich
halte es für möglich, daß Merkel die sozialdemokratischen Minister dabei doch
noch weichkocht, möglicherweise aufgrund des miesen CDU-Ergebnisses einen
zusätzlichen Ministerposten oder sogar den Finanzministerjob anbietet.
In der
Berliner Runde sprach die Kanzlerin ausdrücklich von „meiner Staatsministerin“ Aydan
Özoğuz, nahm also die SPD-Vizechefin gegen die AfD in Schutz. Zudem verwies sie auf die ganz großen Krisenherde der Welt, nannte die Türkei, Russland und Nordkorea. Wäre es da nicht besser einen SPD-Außenminister im Amt zu haben, statt eines FDP-Windeis?
Insbesondere
Armin Laschet wirbt heute schon intensiv um die SPD.
Während
die alte Groko noch im Amt ist, erlebt
aber die SPD schon wie es sich mit den Opposition-Partnern Linke und AfD lebt,
die insbesondere mit einer derart schlechten Rednerin wie Nahles leichtes Spiel
haben werden jede SPD-Forderung populistisch von links und rechts zu
übertrumpfen.
Merkel
wird in der Zeit jeden Tag Außenminister Gabriel und Co ausmalen wie gefährdet
die EU mit Lindner und seinen Greenhorns ist – wer soll eigentlich
Ministersessel in der FDP übernehmen?
Die Europapolitik wird extrem kompliziert bei Jamaika, weil Lindner den ESM ablehnt, Griechenland aus dem Euro schubsen will und auf extremen Gegenkurs zu Macrons Ideen über eine gemeinsame EU-Finanzpolitik geht.
Die Europapolitik wird extrem kompliziert bei Jamaika, weil Lindner den ESM ablehnt, Griechenland aus dem Euro schubsen will und auf extremen Gegenkurs zu Macrons Ideen über eine gemeinsame EU-Finanzpolitik geht.
Das ist
eigentlich komplett inkompatibel zu Merkel und erst recht zu den Grünen.
Ich
befürchte, Martin Schulz ist intellektuell überfordert mit Parteipolitik und strategischer
Planung.
So
erklärte er vorhin in der Berliner Runde, die SPD werde ihrer staatsbürgerlichen
Verantwortung für das Land in der Opposition nachkommen und behauptete
gleichzeitig, Jamaika werde vier Jahre eine Politik der Lähmung bedeuten.
Was für
eine Steilvorlage für Christian Lindner, der sich sofort als seriöser Staatsmann
inszenierte und Schulz – leider ZU RECHT – vorhielt, wie er aus „staatspolitischer
Verantwortung“ eine „Regierung der Lähmung“ befürworten könne.
Es
gefällt mir gar nicht, wenn ausgerechnet Lindner in so einer wichtigen Sendung
auf Kosten der SPD punktet.
Zu allem
Übel legte dann Joachim Herrmann, CSU, („Roberto Blanco war immer so ein netter
Neger“) nach und fuhr eine wüste Attacke gegen ARD und ZDF, die mit ihrer
Themenwahl die AfD erst stark gemacht hätten.
Das schreibe
ich seit zwei Jahren!
Muß es ausgerechnet ein rechter CSU’ler sein, der das den Hauptverantwortlichen der öffentlich Rechtlichen ins Gesicht schleudert?
Wieso fiel das Schulz nicht während des Duells mit Merkel ein?
Muß es ausgerechnet ein rechter CSU’ler sein, der das den Hauptverantwortlichen der öffentlich Rechtlichen ins Gesicht schleudert?
Wieso fiel das Schulz nicht während des Duells mit Merkel ein?
Für die
SPD und die CSU war die Bundestagswahl ein Debakel - sagt Heribert Prantl.
Recht
hat er, der Prantl, aber Jamaika ist auch so übel, daß ich mich frage, ob Harakiri
nicht besser für das Land wäre.