Anfang
der 80er gab es all diese Kohl-Witze-Bücher.
Herausgeber war oft Claus Staeck.
„Birnes
Abendteuer“, „Birnes Welt“ und dazu natürlich jede Menge Zitatesammlungen. Was
blieb einem auch anders übrig.
Nach
zwei fließend englischsprachigen Kanzlern,
die international hoch angesehen waren – ein Friedensnobelpreisträger und ein „Weltökonom“,
der noch Jahrzehnte dem Interaction Council vorsitzen sollte – kam auf einmal
dieser extrem überfressene Provinzler, der kein Wort einer Fremdsprache verstand
und die simpelsten ökonomischen Zusammenhänge nicht begriff.
Ein Typ,
der im Ausland zielsicher von Fettnapf zu Fettnapf stapfte, Reagan auf einen
SS-Friedhof zerrte, Thatcher zum Saumagen-Fressen zwang, dem gottgleichen Tenno
einfach auf die Schulter schlug, den Ana-Berg erklomm, Gorbatschow mit Goebbels
verglich und dergleichen mehr.
Man
schämte sich wieder für Deutschland und behalf sich unterdessen mit Zynismus.
Die
Kabarettisten hatten es leicht. Anfang der 1990er Jahre war ich in einem
riesigen Saal der Kampnagelfabrik bei einem Matthias Riechling-Abend. Damals
machte er noch kaum Politiker-Parodien, sondern zitierte fast den ganzen Abend
Helmut Kohl – immer wieder versichernd, dieser habe das „wörtlich, wirklich
wörtlich!“ so gesagt. Wir im Publikum lagen fast am Boden vor Lachen.
So war
das mit dem ewigen Bundeskanzler.
Ab 1998
wurde alles völlig anders.
Plötzlich
wagte Deutschland etwas ganz Neues. Erstmals kam eine grüne Partei in die Bundesregierung.
Kanzler
und Vizekanzler waren auf einmal Typen, die schon einiges erlebt hatten, die
gut sitzende Anzüge trugen, auf ihre Jobs mit einer umfangreichen Agenda
vorbereitet waren, die man wirklich herzeigen konnte, die was von Kunst und
Kultur verstanden, denen nicht mehr die Provinzialität aus alle Knopflöchern
guckte.
Es
wurden bis dahin völlig undenkbare Dinge beschlossen: Deutschland wollte
endlich die Zwangsarbeiter entschädigen, mit Polen harmonieren, die Beziehungen
zu Russland extrem intensivieren, ehrlich mit Prostitution umgehen,
Schwangerschaftsunterbrechungen entkriminalisieren, die Homoehe erlauben.
Deutschland sollte ein modernes Zuwanderungsrecht bekommen (in letzter Minute von
Merkel und Koch über den Bundesrat verhindert) und begann aus der Atomenergie
auszusteigen.
Man
hörte und staunte über Bonn, bzw später Berlin.
Joschka
Fischer schaffte das Kunststück sich als Vermittler im Nahen Osten zu
empfehlen, weil es ihm durch geniale Diplomatie gelang gleichermaßen in Israel
wie auch in den arabischen Anrainerstaaten höchste persönliche Anerkennung zu
gewinnen.
Gleichzeitig
wurden die Beziehung zu den westlichen Nachbarn nochmals intensiviert. Schröer
und Fischer waren überzeugte Europäer, banden den konservativen französischen
Präsidenten so stark ein, daß sich der deutsche und der französische Regierungschef
sogar gegenseitig auf Gipfeln vertraten. Die Politik war so intensiv
abgestimmt, man vertraute sich so sehr, daß man zusammen voranging.
Gleichzeitig
gewannen die Deutschen auch noch die Herzen von Bill Clinton und Madeleine
Albright. Noch heute sind Fischer und Albright enge persönliche Freunde.
Natürlich
können auch gute Außenpolitiker nicht mit jeder Krise fertig werden.
Nach dem
Massaker von Srebrenica im Juli 1995, als Ratko Mladić bis zu 10.000 Bosniaken
umbringen ließ, konnte man dem nicht mehr zusehen.
Das war ein
Genozid mitten in Europa und Slobodan Milošević dachte gar nicht daran damit in
Zukunft aufzuhören.
Joschka
Fischer reiste immer wieder zu ihm und verhandelte in harten langen
Vieraugengesprächen mit ihm, malte ihm aus, was sein Kurs für Serbien für
Konsequenzen haben würde.
Es war
eine sehr harte, aber richtige Entscheidung, die Deutschland dann traf.
Deutschland durfte einem Genozid in Europa nicht weiterhin zusehen.
Und bis
heute habe ich von denjenigen, die damals so extrem den angeblichen Kriegskurs
der rotgrünen Bundesregierung kritisierten keinen einzigen Satz dazu gehört,
was sie denn an der Stelle der Schröder-Fischer-Regierung gemacht hätten –
außer mit bequemen Abstand zusehen wie weiterhin Myriaden Menschen massakriert
werden.
Es
sollte noch schlimmer kommen für Berlin; es folgte der katastrophale amerikanische
Wahlabend vom 7. November 2000, bei dem der spätere Nobelpreisträger Al Gore
einen deutlichen Stimmenvorsprung errang, aber dennoch am Ende das Alptraum-Duo
Bush/Cheney ins Weiße Haus einzog.
Diese
schwachsinnigen Politamateure wollten keine Zusammenarbeit mit irgendjemand.
Sie stolperten tumb und blind in den 11. September 2001, verhöhnten anschließend
den sich gerade öffnenden Iran für dessen Hilfsangebote und belogen in ihrem
fanatischen Drang Kriege anzuzetteln die UN und die ganze Welt.
Außer
wirklich, wirklich miesen Typen wie Aznar, Berlusconi, Blair, einer gewissen
Angela M., ihrem schmierigen Vize Wolfgang S. und der noch kriegstreiberischen
US-Rektalzyste Friedbert P., konnte niemand mit Rice, Rumsfeld und Co
zusammenarbeiten.
Schröder
und Fischer blickten durch, prophezeiten für den Fall eines Irakkrieges exakt das
was auch passierte.
Da
konnte und durfte man nicht mitmachen.
Peter
Scholl-Latour und die gesamte Springerpresse rebellierten. Deutschland dürfe
sich unter keinen Umständen gegen Amerika stellen.
Eine
totale Blamage wäre garantiert. Am Ende würde man zum Welt-Paria, weil
Deutschland im UN-Sicherheitsrat als einziges Land neben Syrien gegen die USA
stimmen würden.
Aber
wieder brillierte die deutsche Bundesregierung.
Während
Fischer unablässig die damals im UN-Sicherheitsrat vertretenen nichtständigen Mitglieder
bearbeitete, indem er mehrfach in jede der Hauptstädte flog und mit Engelszungen
auf die Regierungen einredete, warf sich Schröder an die ständigen Mitglieder und
schaffte das vorher für unmöglich Gehaltene: Deutschland, das angeblich völlig
allein stehende Sicherheitsratsmitglied, holte ich gleich zwei der fünf mächtigen
Vetomächte ins Boot.
Zusammen
mit Russland und Frankreich war Deutschland nun nicht mehr überstimmbar.
Zusätzlich brachte Fischer sogar eine Mehrheit der 15 Länder auf seine Seite.
Die USA
waren düpiert, bekamen keine Erlaubnis in den Krieg zu ziehen.
Das war
schon ein weltgeschichtliches Highlight:
Während die
CDU-Chefin schleimspurziehend auf den Knien nach Washington rutschte und mit
ihrem bellizistischen Beraterling Friedberg Pflüger erklärte, daß Deutschland
unter ihrer Führung an GWBs Seite in den Irak zöge, verkündete der ebenfalls Irakkriegsbegeisterte
Wolfgang Schäuble, daß selbst ein Schröder es nicht wagen könne Deutschland so
total zu isolieren, um an Ende im UN-Sicherheitsrat allein mit Syrien gegen 13
andere Nationen zu stehen.
Was für eine
Fehleinschätzung.
In den Monaten
vor dem März 2003 verließ Joschka Fischer kaum noch den Regierungsairbus und
klapperte alle anderen 14 Mitgliedsstaaten des UN Security Councils ab. Er
versuchte alles, drohte, warnte, lockte.
Die
christlichste aller christlichen Regierungen im Weißen Haus, weigerte sich mit
der gewählten deutschen Regierung zu sprechen und empfing stattdessen Angela
Merkel und Roland Koch als ihre wahren Freunde.
Schäuble und
andere CDU-Außenpolitiker wie Pflüger haben sich bis heute nicht davon
distanziert, daß sie das US-Junktim an Saddam – entweder du rückst die
Massenvernichtungswaffen raus, oder es gibt Krieg – unterstützten!
Das war mal
eine tolle Alternative für jemanden, der schlicht und ergreifend die Wahrheit
sagte, daß er nämlich keine Massenvernichtungswaffen hatte!
(„Nun kann sich
ein Mann wie Schäuble wohl nicht vorstellen, daß auch mal jemand die Wahrheit
sagt“ – Volker Pispers)
Zur
Wehrkundetagung in München Januar 2003 kursierte ein George W.
Bush-Unterstützerbrief der zehn europäischen USA-Unterstützer, als
Außenminister Fischer Donald Rumsfeld entgegen schleuderte „Excuse me Sir I am
not convinced“.
Da bebte sie
wieder, die in einen Hosenanzug gezwängte uckermärkische Empörung.
Merkel,
Christian Schmidt und Pflüger, die ebenfalls im Auditorium anwesend waren,
erhoben sich und schleimten Rumsfeld mit Tränen in den Augen an, daß
Deutschland selbstverständlich die USA militärisch unterstützen würde, wenn die
CDU die Wahl (2002) gewonnen hätte.
(Ich habe die
Übertragung auf Phoenix damals live gesehen).
Fischers Erfolg
war erstaunlich, denn er zog nicht nur die beiden Vetoländer Russland und
Frankreich auf die deutsche Seite, sondern betrieb mit Dominique de Villepin
und Igor Iwanow sogar de facto den
Hauptwiderstand gegen Washington.
Sie setzten Amerika mit Memoranden so stark unter Druck,
daß Merkels und Schäubles Voraussagen gegenstandslos wurden und GWB schließlich
eine geballte Mehrheit der Welt gegenüberstand.
Washington
versuchte alles, ging sogar so weit, daß Amerika zu einer der größten Blamagen
aller Zeiten hingerissen wurde.
Unter dem
persönlichen Vorsitz Joschka Fischers, trat der US-Außenminister Powell am
05.02.2003 im Sicherheitsrat auf und bereitete seiner Nation eine kaum wieder
gut zu machende Schmach, indem er log, daß sich die Balken bogen.
In der
Folge des beeindruckenden deutschen Antikriegsengagements wuchs Berlins Ansehen
in der Welt noch einmal gewaltig.
Deutschland
wurde zum interessantesten Auswanderungsland für junge Israelis.
2005 kam
es zu einer erneuten Zeitenwende. Erst abgemildert durch Profis wie Steinbrück
und Steinmeier im Boot. Ab 2009 aber die volle Katastrophe mit den
Inkarnationen der Peinlichkeit Niebel und Westerwelle.
Darüber
stets eine präsidierende Kanzlerin, die sich eben nie engagiert.
Das
Ergebnis ist schon klar.
Das
Verhältnis zu Russland ist total zerrüttet.
Ebenso
ist der engste Partner Frankreich düpiert. Die Franzosen trauen den Deutschen
nicht mehr.
Mit
Obama kann Merkel ebenfalls nicht, obwohl sie sich peinlich-devot bezüglich der
NSA-Spionage zeigt.
Während
das rotgrüne Deutschland von 1998/99 sich modern gab und in gesellschaftlichen
Dingen eine Vorreiterrolle übernahm, steht Merkel nun für das Ewiggestrige. Mit
hoher gesellschaftlicher Akzeptanz verbunden wird gerade in Amerika und Irland
die Ehe vorbehaltsfrei für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, während die
tumbe deutsche Regierungschefin diese Woche noch einmal verkündet hier sei man noch lange nicht so weit.
Deutschland
hinkt dem stockkatholischen Irland und auch Gods Own Country USA bei den
Schwulenrechten hinterher.
Was für
eine Peinlichkeit.
Es ist
aber noch viel schlimmer.
Durch
Merkels und Schäubles Politik, ist nun weltweit das Image vom häßlichen Deutschen zurück.
Der
bösartige Ideologe Wolfgang Schäuble wird inzwischen als der gefährlichste Mann Europas
angesehen.
Da
passte es nur zu gut, daß sein Schwiegersohn CDU-Vize Thomas Strobl „der
Grieche hat jetzt lang genug genervt“ kommentierte.
Europa
hat nicht nur wieder Angst vor Deutschland; nein, man beginnt es zu hassen.
Merkel
ist dabei in vielerlei Hinsicht schlimmer als ihr Vorvorgänger Kohl.
Dieser
war einfach nicht intelligent genug, um bemerken wie peinlich er auffiel.
Er hat
Deutschland eher aus Versehen geschadet und interessierte sich wirklich für
Europa.
Merkel
könnte es besser.
Sie will
aber nicht.