Samstag, 18. Juli 2015

Die häßliche Deutsche. Eine Entwicklung.

Anfang der 80er gab es all diese Kohl-Witze-Bücher. 
Herausgeber war oft Claus Staeck.


„Birnes Abendteuer“, „Birnes Welt“ und dazu natürlich jede Menge Zitatesammlungen. Was blieb einem auch anders übrig.


Nach zwei  fließend englischsprachigen Kanzlern, die international hoch angesehen waren – ein Friedensnobelpreisträger und ein „Weltökonom“, der noch Jahrzehnte dem Interaction Council vorsitzen sollte – kam auf einmal dieser extrem überfressene Provinzler, der kein Wort einer Fremdsprache verstand und die simpelsten ökonomischen Zusammenhänge nicht begriff.
Ein Typ, der im Ausland zielsicher von Fettnapf zu Fettnapf stapfte, Reagan auf einen SS-Friedhof zerrte, Thatcher zum Saumagen-Fressen zwang, dem gottgleichen Tenno einfach auf die Schulter schlug, den Ana-Berg erklomm, Gorbatschow mit Goebbels verglich und dergleichen mehr.
Man schämte sich wieder für Deutschland und behalf sich unterdessen mit Zynismus.
Die Kabarettisten hatten es leicht. Anfang der 1990er Jahre war ich in einem riesigen Saal der Kampnagelfabrik bei einem Matthias Riechling-Abend. Damals machte er noch kaum Politiker-Parodien, sondern zitierte fast den ganzen Abend Helmut Kohl – immer wieder versichernd, dieser habe das „wörtlich, wirklich wörtlich!“ so gesagt. Wir im Publikum lagen fast am Boden vor Lachen.
So war das mit dem ewigen Bundeskanzler.

Ab 1998 wurde alles völlig anders.
Plötzlich wagte Deutschland etwas ganz Neues. Erstmals kam eine grüne Partei in die Bundesregierung.
Kanzler und Vizekanzler waren auf einmal Typen, die schon einiges erlebt hatten, die gut sitzende Anzüge trugen, auf ihre Jobs mit einer umfangreichen Agenda vorbereitet waren, die man wirklich herzeigen konnte, die was von Kunst und Kultur verstanden, denen nicht mehr die Provinzialität aus alle Knopflöchern guckte.
Es wurden bis dahin völlig undenkbare Dinge beschlossen: Deutschland wollte endlich die Zwangsarbeiter entschädigen, mit Polen harmonieren, die Beziehungen zu Russland extrem intensivieren, ehrlich mit Prostitution umgehen, Schwangerschaftsunterbrechungen entkriminalisieren, die Homoehe erlauben. Deutschland sollte ein modernes Zuwanderungsrecht bekommen (in letzter Minute von Merkel und Koch über den Bundesrat verhindert) und begann aus der Atomenergie auszusteigen.
Man hörte und staunte über Bonn, bzw später Berlin.
Joschka Fischer schaffte das Kunststück sich als Vermittler im Nahen Osten zu empfehlen, weil es ihm durch geniale Diplomatie gelang gleichermaßen in Israel wie auch in den arabischen Anrainerstaaten höchste persönliche Anerkennung zu gewinnen.
Gleichzeitig wurden die Beziehung zu den westlichen Nachbarn nochmals intensiviert. Schröer und Fischer waren überzeugte Europäer, banden den konservativen französischen Präsidenten so stark ein, daß sich der deutsche und der französische Regierungschef sogar gegenseitig auf Gipfeln vertraten. Die Politik war so intensiv abgestimmt, man vertraute sich so sehr, daß man zusammen voranging.
Gleichzeitig gewannen die Deutschen auch noch die Herzen von Bill Clinton und Madeleine Albright. Noch heute sind Fischer und Albright enge persönliche Freunde.
Natürlich können auch gute Außenpolitiker nicht mit jeder Krise fertig werden.
Nach dem Massaker von Srebrenica im Juli 1995, als Ratko Mladić bis zu 10.000 Bosniaken umbringen ließ, konnte man dem nicht mehr zusehen.
Das war ein Genozid mitten in Europa und Slobodan Milošević dachte gar nicht daran damit in Zukunft aufzuhören.
Joschka Fischer reiste immer wieder zu ihm und verhandelte in harten langen Vieraugengesprächen mit ihm, malte ihm aus, was sein Kurs für Serbien für Konsequenzen haben würde.
Es war eine sehr harte, aber richtige Entscheidung, die Deutschland dann traf. Deutschland durfte einem Genozid in Europa nicht weiterhin zusehen.
Und bis heute habe ich von denjenigen, die damals so extrem den angeblichen Kriegskurs der rotgrünen Bundesregierung kritisierten keinen einzigen Satz dazu gehört, was sie denn an der Stelle der Schröder-Fischer-Regierung gemacht hätten – außer mit bequemen Abstand zusehen wie weiterhin Myriaden Menschen massakriert werden.
Es sollte noch schlimmer kommen für Berlin; es folgte der katastrophale amerikanische Wahlabend vom 7. November 2000, bei dem der spätere Nobelpreisträger Al Gore einen deutlichen Stimmenvorsprung errang, aber dennoch am Ende das Alptraum-Duo Bush/Cheney ins Weiße Haus einzog.
Diese schwachsinnigen Politamateure wollten keine Zusammenarbeit mit irgendjemand. Sie stolperten tumb und blind in den 11. September 2001, verhöhnten anschließend den sich gerade öffnenden Iran für dessen Hilfsangebote und belogen in ihrem fanatischen Drang Kriege anzuzetteln die UN und die ganze Welt.
Außer wirklich, wirklich miesen Typen wie Aznar, Berlusconi, Blair, einer gewissen Angela M., ihrem schmierigen Vize Wolfgang S. und der noch kriegstreiberischen US-Rektalzyste Friedbert P., konnte niemand mit Rice, Rumsfeld und Co zusammenarbeiten.
Schröder und Fischer blickten durch, prophezeiten für den Fall eines Irakkrieges exakt das was auch passierte.
Da konnte und durfte man nicht mitmachen.
Peter Scholl-Latour und die gesamte Springerpresse rebellierten. Deutschland dürfe sich unter keinen Umständen gegen Amerika stellen.
Eine totale Blamage wäre garantiert. Am Ende würde man zum Welt-Paria, weil Deutschland im UN-Sicherheitsrat als einziges Land neben Syrien gegen die USA stimmen würden.
Aber wieder brillierte die deutsche Bundesregierung.
Während Fischer unablässig die damals im UN-Sicherheitsrat vertretenen nichtständigen Mitglieder bearbeitete, indem er mehrfach in jede der Hauptstädte flog und mit Engelszungen auf die Regierungen einredete, warf sich Schröder an die ständigen Mitglieder und schaffte das vorher für unmöglich Gehaltene: Deutschland, das angeblich völlig allein stehende Sicherheitsratsmitglied, holte ich gleich zwei der fünf mächtigen Vetomächte ins Boot.
Zusammen mit Russland und Frankreich war Deutschland nun nicht mehr überstimmbar. Zusätzlich brachte Fischer sogar eine Mehrheit der 15 Länder auf seine Seite.
Die USA waren düpiert, bekamen keine Erlaubnis in den Krieg zu ziehen.
Das war schon ein weltgeschichtliches Highlight:

Während die CDU-Chefin schleimspurziehend auf den Knien nach Washington rutschte und mit ihrem bellizistischen Beraterling Friedberg Pflüger erklärte, daß Deutschland unter ihrer Führung an GWBs Seite in den Irak zöge, verkündete der ebenfalls Irakkriegsbegeisterte Wolfgang Schäuble, daß selbst ein Schröder es nicht wagen könne Deutschland so total zu isolieren, um an Ende im UN-Sicherheitsrat allein mit Syrien gegen 13 andere Nationen zu stehen.
Was für eine Fehleinschätzung.
In den Monaten vor dem März 2003 verließ Joschka Fischer kaum noch den Regierungsairbus und klapperte alle anderen 14 Mitgliedsstaaten des UN Security Councils ab. Er versuchte alles, drohte, warnte, lockte.

Die christlichste aller christlichen Regierungen im Weißen Haus, weigerte sich mit der gewählten deutschen Regierung zu sprechen und empfing stattdessen Angela Merkel und Roland Koch als ihre wahren Freunde.

Schäuble und andere CDU-Außenpolitiker wie Pflüger haben sich bis heute nicht davon distanziert, daß sie das US-Junktim an Saddam – entweder du rückst die Massenvernichtungswaffen raus, oder es gibt Krieg – unterstützten!
Das war mal eine tolle Alternative für jemanden, der schlicht und ergreifend die Wahrheit sagte, daß er nämlich keine Massenvernichtungswaffen hatte!
(„Nun kann sich ein Mann wie Schäuble wohl nicht vorstellen, daß auch mal jemand die Wahrheit sagt“ – Volker Pispers)

Zur Wehrkundetagung in München Januar 2003 kursierte ein George W. Bush-Unterstützerbrief der zehn europäischen USA-Unterstützer, als Außenminister Fischer Donald Rumsfeld entgegen schleuderte „Excuse me Sir I am not convinced“.

Da bebte sie wieder, die in einen Hosenanzug gezwängte uckermärkische Empörung.

Merkel, Christian Schmidt und Pflüger, die ebenfalls im Auditorium anwesend waren, erhoben sich und schleimten Rumsfeld mit Tränen in den Augen an, daß Deutschland selbstverständlich die USA militärisch unterstützen würde, wenn die CDU die Wahl (2002) gewonnen hätte.
(Ich habe die Übertragung auf Phoenix damals live gesehen).

Fischers Erfolg war erstaunlich, denn er zog nicht nur die beiden Vetoländer Russland und Frankreich auf die deutsche Seite, sondern betrieb mit Dominique de Villepin und  Igor Iwanow sogar de facto den Hauptwiderstand gegen Washington.
Sie setzten Amerika mit Memoranden so stark unter Druck, daß Merkels und Schäubles Voraussagen gegenstandslos wurden und GWB schließlich eine geballte Mehrheit der Welt gegenüberstand.
Washington versuchte alles, ging sogar so weit, daß Amerika zu einer der größten Blamagen aller Zeiten hingerissen wurde.
Unter dem persönlichen Vorsitz Joschka Fischers, trat der US-Außenminister Powell am 05.02.2003 im Sicherheitsrat auf und bereitete seiner Nation eine kaum wieder gut zu machende Schmach, indem er log, daß sich die Balken bogen.

In der Folge des beeindruckenden deutschen Antikriegsengagements wuchs Berlins Ansehen in der Welt noch einmal gewaltig.
Deutschland wurde zum interessantesten Auswanderungsland für junge Israelis.

2005 kam es zu einer erneuten Zeitenwende. Erst abgemildert durch Profis wie Steinbrück und Steinmeier im Boot. Ab 2009 aber die volle Katastrophe mit den Inkarnationen der Peinlichkeit Niebel und Westerwelle.
Darüber stets eine präsidierende Kanzlerin, die sich eben nie engagiert.

Das Ergebnis ist schon klar.
Das Verhältnis zu Russland ist total zerrüttet.
Ebenso ist der engste Partner Frankreich düpiert. Die Franzosen trauen den Deutschen nicht mehr.
Mit Obama kann Merkel ebenfalls nicht, obwohl sie sich peinlich-devot bezüglich der NSA-Spionage zeigt.
Während das rotgrüne Deutschland von 1998/99 sich modern gab und in gesellschaftlichen Dingen eine Vorreiterrolle übernahm, steht Merkel nun für das Ewiggestrige. Mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz verbunden wird gerade in Amerika und Irland die Ehe vorbehaltsfrei für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet, während die tumbe deutsche Regierungschefin diese Woche noch einmal verkündet hier sei man noch lange nicht so weit.
Deutschland hinkt dem stockkatholischen Irland und auch Gods Own Country USA bei den Schwulenrechten hinterher.
Was für eine Peinlichkeit.

Es ist aber noch viel schlimmer.
Durch Merkels und Schäubles Politik, ist nun weltweit das Image vom häßlichen Deutschen zurück.
Der bösartige Ideologe Wolfgang Schäuble wird inzwischen als der gefährlichste Mann Europas angesehen.
Da passte es nur zu gut, daß sein Schwiegersohn CDU-Vize Thomas Strobl „der Grieche hat jetzt lang genug genervt“ kommentierte.
Europa hat nicht nur wieder Angst vor Deutschland; nein, man beginnt es zu hassen.
Merkel ist dabei in vielerlei Hinsicht schlimmer als ihr Vorvorgänger Kohl.
Dieser war einfach nicht intelligent genug, um bemerken wie peinlich er auffiel.
Er hat Deutschland eher aus Versehen geschadet und interessierte sich wirklich für Europa.

Merkel könnte es besser.
Sie will aber nicht.