Mittwoch, 1. Januar 2014

Impudenz des Jahres 2013


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender einen „1.1.“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Jahres zu küren.

Und es ist, wieder einmal, die Urteilsschwäche der wahlberechtigten Bürger!

Anschließend an meine Ausführungen von gestern, die darlegten, wie Deutschland zu einer Demokratie der Besserverdienenden wird, sei darauf hingewiesen wie leicht man die Bürger zwischen Flens- und Freiburg zufrieden stellen kann.

Es reicht dem Urnenpöbel offenbar als Sympathiekriterium, wenn überhaupt irgendeiner im Amt ist.

In der TNS-Forschungsumfrage (1000 Befragte ab 18 Jahren 17.-18. 12.13 für den SPIEGEL 1/2014) purzeln die Beliebtheitsrekordmarken nur so.
„Beliebt“ ist demnach ein Politiker, von dem sich die Befragten wünschen er möge „zukünftig eine wichtige Rolle spielen“.
Auf Platz 1 schoß die Kanzlerin mit 78% (+11 Prozentpunkte)!
Es folgen Gauck mit 76% und Schäuble mit 69% (+9 Prozentpunkte).
Von der Leyen, die totale verteidigungspolitische Laiin, die durch extreme Wissenslücken bei ihrem vorweihnachtlichen Blitzbesuch in Afghanistan auf sich aufmerksam machte, legte acht Prozentpunkte auf nun 64% Beliebtheit zu.
Für mich als Sozi noch erstaunlicher ist aber der ungeheure Gabriel-Boost.
Der bisher als Urnengift geltenden Parteichef mit dem Loser-Image legte unfassbare 24 Prozentpunkte auf nun 62% zu und ist plötzlich der sechstbeliebteste Politiker Deutschlands.
Was mich während der SPD-Mitgliederbefragung und der Koalitionsverhandlungen störte – der unehrliche Umgang mit uns, so daß uns Ministernamen und alle konkreten Absichten vorenthalten wurden; was mich so sehr störte, daß ich schließlich bereit war den Parteiselbstmord zu riskieren und mit „Nein“ stimmen ließ, hat also dem Urnenpöbel besonders gut gefallen.
Die Partei wird durch Lügen in einen Vertrag gezwungen, der laut Wahl-O-Mat mehr Gemeinsamkeiten mit PBC, AfD, CDU, FDP und Republikanern als der SPD hat und alle sind glücklich.
So ist das Volk der Deutschen. 
Wenn man sie wie Champions behandelt – also im Dunkeln läßt und mit Scheiße füttert – fühlen sie sich wohl und gedeihen.

Die Wähler mögen die Gewählten, weil sie gewählt sind.
So einfach ist das. Merkel ist nun in ihrer dritte Periode und das reicht aus, um vor ihr im Staub zu liegen.

Dabei betrügt sie kontinuierlich das Volk und bricht laufend ihren Amtseid, indem sie ihre verfassungsgemäßen Aufgaben verweigert.

[….] Seit 2005 ist sie Bundeskanzlerin. Seitdem könnte sie die Richtlinien der Politik bestimmen. Aber tut sie das auch? Zweifel sind erlaubt. Das Handlungsmuster der Regierungschefin, es besteht in erster Linie aus Zaudern und Abwarten. Bis sie Gewissheit hat, dass eine inhaltliche Festlegung, wenn sie denn nicht mehr zu vermeiden ist, ihre Macht nicht gefährdet. Sie ist eine Last-Minute-Entscheiderin.
[….] Exemplarisch lässt sich Merkels mangelnde Führungskraft am Management der Euro-Krise ablesen, der größten Herausforderung ihrer gesamten Kanzlerschaft. Die Geschichte von Merkels Krisenmanagement ist die Geschichte des Leugnens, des Lavierens und des Revidierens. Immer dann, wenn sie sich schließlich doch zu einer Entscheidung durchrang, reagierte sie lediglich auf den Druck der Märkte oder anderer politischer Mächte. Niemand weiß, wofür die Kanzlerin in der Europapolitik eigentlich steht. Ihre Politik erklärt hat sie den Bürgern nicht. Merkels Europapolitik ist eine unverstandene Abfolge von Kurskorrekturen.

Man steht hilflos und verzweifelt davor: Auch im Jahr Neun ihrer Kanzlerschaft drückt sich Merkel in grotesker Weise um ihren Job.
Beispiel Snowdensche Enthüllungspapiere.

[….] Der Inhalt der Papiere übersteigt praktisch jede abseitige Verschwörungstheorie, die für verwirrt gehaltene Nerds in den letzten Jahren in dunklen Chats und anonymen Kellern geäußert haben mögen. Wanzen in USB-Steckern, Postpakete, die geöffnet werden, um Spähgut einzubauen, spionierende Monitorkabel, völlig neue Arten von Überwachungsgerät, die auch offline funktionieren und per Radar aktiviert und ausgelesen werden können und in der Lage sind, Stimmen aufzuzeichnen, der Einbau von sogenannten Backdoors in die Hardware praktisch aller großen US-Tech-Unternehmen von Dell bis IBM, ein eigenes, sekundäres NSA-Internet neben dem bekannten Internet, das nur für die weltweite Bürgerüberwachung existiert. Und so weiter. Denn es wird noch weiter gehen.
"Zeit Online" hat es in einer Überschrift aufpunktiert: Das Internet gehört der NSA. [….] Leider findet die spät, aber doch aufkommende Skepsis des Souveräns, der Wählerschaft, so gar kein Echo bei der Person, die genau dafür verantwortlich wäre. Der vorab an Medien verschickte Text der Neujahrsansprache von Kanzlerin Merkel behandelt eine Reihe von Themen, die 2013 und 2014 relevant waren und sind…[….] Der Spähskandal, die größte digitale Gesellschaftskrise des 21. Jahrhunderts, kommt in der verbreiteten Version mit keinem Wort vor. Schlimmer noch: Im Text steht wirklich, ernsthaft - nach einem solchen Jahr! - der Satz: "Das ist auch der Grund für die vielen guten Nachrichten in diesem Jahr." [....]
Merkels Schweigen macht aggressiv, weil es ein aggressiver Akt ist. Diese Impertinenz, diese regelrechte Verachtung der Öffentlichkeit: Merkel vergleicht gegenüber Obama am Telefon die NSA-Aktivitäten stocksauer mit der Stasi und erklärt der Bevölkerung, wie irre gut das Jahr gelaufen sei. Angela Merkel spielt der Öffentlichkeit vor, alles sei in Ordnung, während sie selbst ganz offensichtlich längst anderer Überzeugung ist. Stasi-Vergleiche gegenüber einem US-Präsidenten, das ist auf der Merkel-Skala der Entrüstung von eins bis zehn eine gute Zwanzig. Um es einzusortieren: Gerhard Schröder wäre zu seiner Amtszeit bei Bekanntwerden eines solchen Vergleichs von der CDU mit Wutschaum und Rücktrittsforderungen bespritzt worden. [….]

So einfach ist das in Deutschland: Man verweigert sträflich die Arbeit und wird dafür auf Händen getragen.

Und dann die Bayern, die gerade mit ihrem xenophoben Anti-Europakurs Furore machen.

WO HOCH DIE KANZEL UND NIEDRIG DER VERSTAND
DA IST DAS BAYERISCHE OBERLAND
(Urban Priol, Tilt! 2013)

Auch Horst Seehofer legte gehörig im Politiker-Beliebtheitsranking zu und ist nun mit 51% Zustimmung in der Top Ten.
Die absolute Mehrheit holte er in Bayern natürlich für seine CSU zurück.

Liebe CSU,
Eure Landeshauptstadt wurde von einem Braunschweiger gegründet, Euer Land von einem Schwaben, Eure heutigen Landesgrenzen von einem Franzosen definiert, der wirtschaftliche Aufschwung Eures Landes wurde von Preußen bezahlt, genau wie Eure touristischen Attraktionen. Eure Religion kommt aus dem Nahen Osten und Eure Kirche aus Italien.
Ihr habt wirklich allen Grund, auf alles Fremde zu schimpfen...
Ein kleiner Nachtrag. Bayern ist heute kein souveräner Staat, weil sich das Königreich Bayern nicht gegen das mächtige Preußen behaupten konnte.
Das mächtige Preußen war nicht immer groß. Es war ein kleiner Loser-Staat, der im Gegensatz zum restriktiven Bayern durch eine liberale Einwanderungspolitik und durch Religionsfreiheit einen einzigartigen Aufstieg realisierte.
Quod erat demonstrandum, Hasis.

Das Einzige, das noch absurder als die obrigkeitsgeile Liebe der Deutschen zu ihren Führern daher kommt, ist der Umstand des demoskopisch wieder gemessenen Einzugs der FDP in den Bundestag.
WIESO DAS????

Die FDP kommt erstmals seit der Bundestagswahl einer Umfrage zufolge wieder auf fünf Prozent. Kurz vor ihrem traditionellen Dreikönigstreffen gewinnen die Liberalen in der am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage für das Magazin "Stern" und den Sender RTL zum zweiten Mal in Folge einen Punkt hinzu.
Damit könnte die FDP, die im September an der Fünfprozenthürde gescheitert war, wieder in den Bundestag einziehen, wenn am Sonntag gewählt würde. [….]

Oh Deutsches politisches Urteilsvermögen!
Geh doch zu Hause, du alte…