Dienstag, 11. September 2012

Je dümmer, desto rechts.




Wer wählt eigentlich was und warum?
Nach meiner persönlichen Überzeugung ist das leicht zu beantworten: 
Je dümmer, desto rechts.

Im echten Leben ist es einen Tick komplizierter.

Das geht schon mit der Frage „was ist eigentlich rechts?“ los. 
Auch SPD und Linke haben an ihrer Basis einen rechten Bodensatz, der „Griechen raus aus der EU!“-Parolen unterstützt und begeistert Sarrazin zujubelt, wenn er von den minderbemittelten, aber umso gebärfreudigeren „Kopftuchmädchen“ spricht. 
Zweifellos ganz rechts, sogar reaktionär ist Papst Benedikt XVI - und dem haben sie im Bundestag fast alle zugejubelt. Der Mann, der behauptet Kondome verschlimmerten das AIDS-Problem, Schwule wären ungeordnete Sünder und Protestanten gar keine Kirche wird von den eher linken SPD-Politikern Thierse und Nahles adoriert und beworben. 
Völlig unklar auch, wo man im rechts-links-Schema die Bewerberin um die Grüne Spitzenkandidatur Kathrin Göring-Kirchentag einordnen soll. 
Sie trampelt genüsslich auf Arbeitnehmerrechten herum, indem sie die arbeitsrechtlichen Kirchenprivilegien beibehalten will. 
Außerdem kämpft sie zusammen mit vielen anderen Grünen für ultrakonservative Freiheitsrechts-feindliche Anliegen, wie das Verbot der Sterbehilfe oder der verbindlichen Patientenverfügung. 

Bei Homorechten und Patientenverfügung ist man als Linker in der wirtschaftlich scharf rechten FDP besser aufgehoben.

Der Urnenpöbel ist davon auch schon ganz verwirrt und wählt gerne gegen seine Interessen. 
Während der Schröder-Kanzlerzeit bekam die CDU die meisten Stimmen von Arbeitslosen und den Ungebildetsten.
Die Grünen-Anhänger zogen in die Speckgürtel der Städte, machten Karriere und stellten die Wählergruppe mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen.

FDP-Wirtschaftsminister hatten von 1982 bis 1998 die Steuersätze auf absolute Rekordwerte hochgesetzt  - Eingangssteuersatz 25,9% und Spitzensteuersatz 56% - realisiert von Schwarzgelb. 
Das würde sich heute noch nicht mal die Linke zu fordern trauen. 
Anschließend sorgte Rot-Grün für eine ebenfalls noch nie dagewesene SteuerSENKUNG (Eingangssatz 15%, Spitzensteuersatz 42%). 
Die Wähler empfanden es als „viel zu hohe Abgaben“ und setzten bei nächster Gelegenheit eben jene FDP, die von 1969 bis 1998 ununterbrochen SteuerERHÖHUNGEN durchgepaukt hatte, als Steuersenkungspartei ins Bundeskabinett.

Das alles erinnert an den Hamburger Uraltwitz:
Kommt ein Mann zum Bezirksamt Altona und sagt: „Ich möchte bitte meinen Namen ändern!“
Sagt der Beamte: „Das ist nicht so leicht und wieso überhaupt. Wie heißen sie denn?“
„Karl Arsch!“
„Oh, das verstehe ich aber, daß sie DEN Namen ändern möchte. Wie wollen sie denn stattdessen heißen?“
„GUSTAV Arsch!“

Trotz offensichtlicher Fehlentwicklungen und miserabler Politik sieht derzeit vieles danach aus, als ob uns Angie Merkel wie einst der ewige Kanzler Kohl noch ein paar Legislaturperioden länger heimsuchen wird.
 Deutsche sind nahezu unfähig einen echten Regierungswechsel zu wählen. 

Angela Merkel wurde vor 22 Jahren erstmals als Ministerin Mitglied der Bundesregierung. 
Jürgen Trittin wurde vor 28 Jahren in den Niedersächsischen Landtag gewählt und dort vor 22 Jahren Minister.
Wolfgang Schäuble, den Merkel eben als Neuerung auf die Position des Euro-Gruppensprechers hieven wollte, amtierte schon 1984 (sechs Jahre vor der deutschen Vereinigung!) als Bundesminister und wurde 1972, also vor 40 Jahren, in den Bundestag gewählt. 
Er hockt dort also schon zehn Legislaturperioden.
Auch Rainer Brüderle, der mächtige FDP-Fraktionsvorsitzende ist ein Politdinosaurier. Schon vor einem Vierteljahrhundert, 1987, wurde er Wirtschaftsminister in Mainz.
 Da ist es wenig verwunderlich, daß es in den nachfolgenden Generationen pressiert.
Die Omen und Open der Parteien scheinen noch ewig weitermachen zu wollen.

Daß eine Regierung durch völlig neue Parteien ersetzt wurde (und nicht bloß ein Koalitionspartner wechselte) geschah in den 17 Bundestagswahlen seit 1949 gerade EINMAL!
Und zwar 1998 unter besonderen Umständen, als Kohl nach 16 Jahren Dauerkanzlerschaft nicht begreifen wollte, daß er endlich mal abtreten müsse und die Opposition a) sehr geschlossen war und b) einen sehr starken Kandidaten hatte.
Wäre 1998 eine Lusche à la Steinmeier angetreten und hätte die CDU früher auf einen Nachfolger Schäuble gesetzt, wäre Schwarzgelb noch lange nicht abgewählt worden. 
Der Urnenpöbel mag eigentlich nur das, was er schon kennt - so geschehen in 16 Bundestagswahlen.
 
Wer sind die Wähler, die was wählen? 

Dazu gibt es, mal ganz was Neues, eine aktuelle STUDIE:

Die Erhebung entstand Im Auftrag der Medizinischen Psychologie unter Leitung von Prof. Dr. Elmar Brähler und PD Dr. Oliver Decker. Sie wird am 13. September bei einer Veranstaltung unter dem Titel "Die Parteien und das Wählerherz" erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Im Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte Juli 2012 wurden bundesweit rund 2.400 Wahlberechtigte im Alter zwischen 18 und 91 Jahren zu sozial- und medizinpsychologischen Themen befragt. Gängige Überzeugung ist, dass Selbstständige FDP wählen, Juristen die CDU und Angestellte die SPD.

Es gibt schon vorab veröffentlichte Ergebnisse. Einiges war zu erwarten: 
Die CDU hat die älteste Wählerschaft, die Piraten die Jüngste. 
Die, die eine Änderung der Verhältnisse am dringendsten nötig hätten, die Armen und Arbeitslosen gehen gar nicht zur Wahl. 
Schön doof. 
Das betrifft ebenso Migranten der zweiten Generation und Russlanddeutsche - sie gehenebenfalsl nicht wählen.
Schön doof. 
Männer wählen Linke, FDP und ganz rechts. Frauen wählen Grün oder gar nicht. (CDU und SPD haben ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis) 

Haushaltseinkommen: Die reichsten Wähler haben FDP und Grüne, deutlich weniger Einkommen haben die Wähler von SPD und Linken. Die Einkommensunterschicht mit einem Einkommen unter 1.000 Euro monatlich ist verstärkt unter den Nichtwählern oder den Wählern der Piraten anzutreffen […]
Bildungsstand: Wähler mit einem formal hohen Bildungsabschluss trifft man nach wie vor besonders unter den Wählern der FDP und der Grünen an, neuerdings auch unter den Piraten-Wählern. Aber auch in der Gruppe der Unentschlossenen treten sie deutlich hervor.

Arbeitslosigkeit: Kein einziger Arbeitsloser in der aktuellen Studie will FDP wählen. Vielmehr geht ein Drittel der Arbeitslosen überhaupt nicht zur Wahl, 20 Prozent wählen SPD, nur 3,5 Prozent Rechts, aber auch die Grünen wollen nur knapp 6 Prozent wählen.

[…]  Konfessionen: Über 60% der Linken-Wähler sind konfessionslos, was sich mit der regionalen Verteilung im Osten deckt, wo nach wie vor die meisten Konfessionslosen anzutreffen sind. Auch bei den Rechten dominieren die Konfessionslosen. Katholiken bevorzugen die CDU/CSU und meiden rechtsextreme Parteien, FDP und die Linken. Protestanten präferieren eher die SPD und meiden ebenfalls rechtsextreme Parteien, die Linken und die FDP.

[…]  Ängstlichkeit und Depressivität: Nichtwähler beschreiben sich auffallend ängstlichst, gleich gefolgt von den Wählern rechtsextremer Parteien. Am wenigsten ängstlich geben sich die FDP-Wähler und die Unentschlossenen, die noch nicht wissen, wen sie wählen sollen und länger abwägen.

Nichtwähler und Rechte-Wähler zeigen eine ausgeprägt depressive Grundstimmung. Am wenigsten depressive Stimmung berichten die Piraten-Wähler.
Kontakt zu Ausländern: Wer in Familie, Nachbarschaft oder Beruf Kontakt zu anderen Nationalitäten hat, wählt weniger extrem Rechts oder Links, sondern vermehrt die Grünen und vor allem die Piraten.

Das deckt sich mit dem Antisemitismus, der dort am höchsten ist, wo es gar keine Juden gibt.

Wie erwartet fällt auch die Aufschlüsselung nach Mediennutzung auf:
FDP- und CDU-Wähler bevorzugen klassische Informationsquellen wie Zeitungen und TV. 
Grüne und Piraten haben Smartphones und Internetflatrate. 

Sozis sind Internetmuffel und Rechte informieren sich gar nicht……