Klotzen
und nicht kleckern, so offenbar das heutige Motto Sigmar Gabriels.
Eine
ganzseitige TTIP-Anzeige auf Seite 5 der Wochenendausgabe der SZ des bmwi. Das
ist richtig teuer.
Ich
schätze mal, im hohen sechsstelligen, wenn nicht gar im siebenstelligen
Bereich.
Gut so,
als großer Anhänger der Print-Zeitungen freue ich mich über diese Finanzspritze
für den Süddeutschen Verlag.
Wie
kommt es zu dieser PR-Initiative des Vizekanzlers?
Die
Deutschen sind ein unberechenbares Volk. Die größten Ungerechtigkeiten nehmen
sie achselzuckend hin und bekunden dennoch bei jeder Umfrage zufrieden wie nie
zu sein.
Milliardäre, die keine Steuern zahlen, Hundertausende Insassen von Pflegeheimen, die misshandelt werden, Zweiklassenmedizin, Waffenexporte, Durchmarsch von Lobbyisten in den Parlamenten, hunderte rechtsradikale Terroranschläge – all das stört niemand.
Milliardäre, die keine Steuern zahlen, Hundertausende Insassen von Pflegeheimen, die misshandelt werden, Zweiklassenmedizin, Waffenexporte, Durchmarsch von Lobbyisten in den Parlamenten, hunderte rechtsradikale Terroranschläge – all das stört niemand.
Ausgerechnet
das Freihandelsabkommen TTIP regt den deutschen Michel aber gar fürchterlich
auf.
Satte
drei Millionen Unterschriften wurden dagegen in Europa gesammelt und heute
marschierte der träge Teutone auf den Straßen Berlins.
Alle gegen TTIP
[….]
Noch während auf der Bühne Vertreter von
Gewerkschaften, Grünen, Linkspartei, Kirchen, Umweltverbänden und
globalisierungskritischen Gruppierungen reden, muss sich der Zug in Bewegung zu
setzen, um Platz zu machen für die, die im Bahnhofsgebäude darauf warten, sich
anzuschließen. Von 250 000 Teilnehmern sprechen die Veranstalter später, die
Polizei schätzt, es seien mindestens 150 000 gewesen. [….] An
diesem Samstag in Berlin wird deutlich, dass der Protest gegen TTIP die
unterschiedlichsten Gruppen zusammenbringt. [….] Und alle miteinander kritisieren, dass TTIP hinter verschlossenen Türen
ausgehandelt werde und nicht einmal Abgeordnete der nationalen Parlamente das
Recht hätten, die Verhandlungsunterlagen einzusehen. Dafür Lobbyisten aus der
Wirtschaft - so der Vorwurf. Auch die Kritik an den internationalen
Schiedsgerichten, die die TTIP-Entwürfe vorsehen, eint die Demonstranten.
[….]
Auf der Bühne mühen sich die Sprecher ab,
diesem Eindruck entgegenzutreten. "Wir sind gegen TTIP, nicht gegen die
USA", sagt etwa Thilo Bode von der Verbraucherschutzorganisation
foodwatch. Schließlich schwäche das Abkommen nicht nur die Rechte europäischer
Parlamente, sondern auch die Rechte der US-Parlamentarier. Neben deutschen
TTIP-Gegnern sprechen auf der Demonstration auch ein kanadischer
Gewerkschaftsführer, ein US-amerikanischer Umweltaktivist und eine
Anti-TTIP-Aktivistin aus Kamerun. [….]
Viele
Leute empören sich gegen Sigmar Gabriel, der sich vom einstigen strammen
TTIP-Befürworter nun zum öffentlichen Beschwichtiger gewandelt hat.
Anders
als seine Kollegin Merkel, der dank ihrer politischen Teflon-Beschichtung
(fast) nie etwas übel genommen wird, merkt es der SPD-Chef an seinen
Umfragewerten wie unpopulär TTIP ist. Merkel und ihre CDU treten viel massiver
für TTIP ein, ohne daß sie dafür abgestraft werden.
Dabei
lügen die TTIP-Fans der Kanzlerinnenpartei, insbesondere der
wirtschaftspolitische Sprecher Dr. Joachim Pfeiffer und der parlamentarische Geschäftsführer
Michael Grosse-Brömer, so dreist, daß selbst ich über die
Chuzpe der CDU-Männer staune.
Sigmar Gabriel
hingegen gehört zum Lager der TTIP-Freunde, die nicht mehr mit der Brechstange
vorgehen, sehr wohl aber eine Gefahr für das Abkommen sehen und daher ihre
PR-Mannschaft ausschwärmen lassen.
[….]
Im Vorfeld der morgigen Großdemonstration
gegen das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA haben Politik
und Industrie ihre Anstrengungen verstärkt, für das umstrittene Vertragswerk zu
werben. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) veranstaltete Ende September
gemeinsam mit der US-amerikanischen Handelskammer in Deutschland und dem
deutsch-amerikanischen Elitenverband "Atlantik-Brücke" ein Symposion
zu dem Kontrakt. Zudem überzog der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
die Hauptstadt unmittelbar vor der Protest-Kundgebung mit einer Plakataktion,
welche die angeblichen Vorzüge der Vereinbarung herausstellt. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion widmete dem Thema einen Kongress, an dem auch der
US-amerikanische EU-Botschafter Anthony Gardner teilnahm. Überdies gaben die
Unionsparteien eigens ein TTIP-Positionspapier heraus. Vor allem der
CDU-Parlamentarier Joachim Pfeiffer verschärfte zuletzt den Ton gegenüber den
Gegnern des Vertrags: In der Bundestagsdebatte zu TTIP Anfang Oktober sprach er
von einer demokratisch nicht legitimierten, durch eine
"Empörungsindustrie" initiierten Kampagne. In einem Zeitungsbeitrag
warf er gleichzeitig namentlich den TTIP-Gegnern Campact, Attac und foodwatch
vor, das Abkommen lediglich als Mobilisierungsinstrument für ihre eigenen
Zwecke zu nutzen und bewusst Ängste zu schüren.[….] Mitte September drängte auch die Bundeskanzlerin erneut auf ein höheres
Tempo bei den Gesprächen: "Überall um uns herum werden Freihandelsabkommen
verhandelt - wir sollten nicht die Allerletzten sein." [….]
Gabriel
schreibt in seiner Maxi-Zeitungsanzeige ebenso wie auf der Website seines
Ministeriums, die Demonstranten hätten ja schon viel erreicht. Alles sei nun
viel transparenter und er werde weiterhin dafür sorgen Transparenz zu schaffen.
…..heute wird in
Berlin gegen TTIP demonstriert, weil sich viele Menschen Sorgen machen, dass
die zwischen Europa und den USA zurzeit verhandelte „Transatlantische Handels
und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) die Lebensqualität in Europa und damit
auch in Deutschland verschlechtern wird.
Die Umwelt und
Verbraucherverbände, die Gewerkschaften und viele engagierte Bürgerinnen und
Bürger haben schon viel erreicht: Sie haben die Öffentlichkeit und die Politik
aufmerksam gemacht. Sie haben für
deutlich mehr Transparenz in den Verhandlungen gesorgt. Und sie haben klargemacht,
dass in Europa demokratisch gewählte Parlamente über Verbraucher und Umweltschutz,
soziale Sicherheit und kulturelle Vielfalt entscheiden müssen. Und sonst
niemand.
Lieber
Herr Wirtschaftsminister! Natürlich ist es geschickt die TTIP-Skeptiker nicht
einfach plump wie die CDU zu beschimpfen, sondern zu versuchen sie zu umgarnen,
indem man sie ernstnimmt und auf ihre Sorgen eingeht.
So eine
Strategie könnte funktionieren, wenn man TTIP will.
Aber so
sagenhaft dreist zu lügen, in schwarz auf weiß gedruckten Offenen Briefen zu
schreiben, es wäre bereits für Transparenz gesorgt, geht natürlich nicht, wenn
man noch einen Hauch von Glaubwürdigkeit behalten will.
Gabriels
„Sie
haben für deutlich mehr Transparenz in den Verhandlungen gesorgt“ sieht in der Praxis so aus:
[….]
Abgeordnete müssen leider draußen bleiben
[….]
Wahrscheinlich
gibt es kein Abkommen, das in Deutschland mit größerem Argwohn betrachtet wird
als TTIP. An diesem Samstag findet in Berlin eine Großdemonstration gegen das
geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA statt. Die Veranstalter
erwarten mehr als 50 000 Teilnehmer. [….]
TTIP steht vor allem
wegen der intransparenten Verhandlungen in der Kritik. Nicht einmal die
Bundestagsabgeordneten dürfen Einsicht in die Verhandlungstexte nehmen.
Entsprechend groß ist die Verärgerung vieler Parlamentarier über die
"Transatlantic Trade and Investment Partnership". Seit 18. Mai gibt
es in der US-Botschaft in Berlin zwar einen Leseraum, in dem die
"konsolidierten Verhandlungstexte" eingesehen werden können - das
sind Texte, die sowohl die Position der EU als auch die der USA kenntlich
machen.
Aber der Zugang zu dem
Raum ist streng reglementiert. Die Modalitäten wurden zwischen EU-Kommission
und US-Seite verhandelt und festgelegt. Demnach dürfen nur Regierungsvertreter
den Leseraum nutzen. [….]
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU)
beklagt den Ausschluss der Parlamentarier aus dem Leseraum schon länger. Im
Juli beschwerte er sich beim US-Botschafter, aber ohne Erfolg. [….] Lammert nutzte deshalb einen Besuch bei
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker Mitte September, um das Thema noch
einmal anzusprechen. [….] Aus der
Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Nachfrage der Grünen-Abgeordneten
Katharina Dröge geht aber hervor, dass sich immer noch nichts getan hat. [….]
Für Dröge ist das ein "untragbarer
Zustand". Seit einem halben Jahr würden "in dem Leseraum nur wenige
Meter vom Bundestag entfernt zentrale TTIP-Dokumente liegen", aber
"wir Abgeordneten müssen aller schönen Worte zum Trotz weiter draußen
bleiben".
Ich
würde so gerne mehr Positives über Sigmar Gabriel schreiben, denn der Mann hat
durchaus auch gute Seiten.
Aber sich
angesichts dieser völlig absurden Geheimniskrämerei in so einer wichtigen
Angelegenheit öffentlich zu brüsten, er habe für Transparenz gesorgt, ist …,
äh, suboptimal.