Montag, 26. Mai 2014

Scherbenhaufen


Nun stehen wir vor einem EU-Wahlergebnis, welches jede Menge Radikale und Verrückte in Parlament spülte.

 
Verursacht wurde es von fahrlässig apathischen Deppen-Europäern, die zu 57% gar nicht erst den Hintern von der Couch bekamen, um wählen zu gehen.

Diese Bewohner der Insel der Glücksseligkeit sollten sich schämen. Was ist bloß los mit den osteuropäischen Ländern, die doch so sehr von der EU profitieren und unbedingt Mitglieder werden wollten?
30% der Letten wählten, 28,9% der Ungarischen Wahlberechtigten nahmen teil, 25,1 % der Kroaten, 22,7% der Polen, 21,0 % der Slowenen, 19,5% der Tschechen und nur armselige 13 Prozent der Slowaken schleppten sich in ein Wahllokal.

Es wäre vielleicht an der Zeit die Zahl der nach Brüssel geschickten Volksvertreter einer Nation mit dem Faktor Wahlbeteiligung zu multiplizieren.
In dieser Hinsicht stehe ich dem Orban-Fan Igor Janke (Leiter des unabhängigen Thinktanks Instytut Wolnosci in Polen) nahe.

"Es ist in den Köpfen der Menschen ja egal, wie viele Wähler zu den Urnen gehen. Durch die Wahlbeteiligung ändert sich nicht der Anteil der polnischen Mandate im Europaparlament. Ob 20 Prozent oder 90 Prozent wählen gehen, es sind gleichbleibend 61 polnische Mandate."
(Janke via Welt.de)

Es würde mich sehr interessieren, ob die CDU auch so ostentativ desinteressiert Wahlkampfphrasen abließe und ihren Spitzenkandidat versteckte, wenn sie befürchten müßte bei mieser Wahlbeteiligung deutlich weniger Mandate (und damit hochdotierte Jobs für verdiente Parteimitglieder) zu vergeben hätte.
Merkels immer wieder verwendete Strategie der asymmetrischen Demobilisierung bekäme dadurch einen extremen Schönheitsfehler.

In Deutschland wurde die mit Abstand niedrigste Wahlbeteiligung in den ostbayerischen Landkreisen gemessen.
Die große Mehrheit der Wahlberechtigten ging dort nicht wählen und verhagelte Crazy Horst auf diese Weise sein Wahlergebnis.
Er hatte immer geschworen, daß auch zukünftig acht CSU-Mitglieder im EU-Parlament sitzen müßten. Nun werden es nur fünf, weil die CDU durch die höhere Wahlbeteiligung in ihren Bundesländern relativ mehr ins Gewicht fiel. Drei Bayern aus Ferbers Gang rausgekegelt – wenn das kein gutes Ergebnis ist!
Big Horst is pissed und die CDU’ler reiben ihm genüsslich etwas Salz in seine Wunden.

"Die CSU hat offenkundig dramatisch verloren. Es ist schon so, dass die Wähler wohl lieber wissen wollen, wofür wir Wahlkampf machen und nicht wogegen wir alles sind", sagte die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht am Montag vor der Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Ähnlich äußerte sich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.
"Ich glaube, dass man Europawahlen nur gewinnen kann, indem man offen für Europa wirbt", mahnte der CDU-Vize Armin Laschet. Der Vorsitzende des NRW-Landesverbandes verwies darauf, dass die Euro-Gegner der AfD in seinem Bundesland unterdurchschnittlich abgeschnitten hätten. In Bayern erzielte die AfD dagegen ein Ergebnis über dem Bundesschnitt. "Ich glaube, dass man in der Auseinandersetzung mit der AfD offen für Europa werben muss, und nicht deren Sprüchen auf den Leim gehen sollte", sagte Laschet.
[….]  Der CDU-Europapolitiker Herbert Reul warf der CSU Fehler im Wahlkampf vor: "Man kann nicht den Versuch machen, eine andere Partei, die das Original ist, zu kopieren", sagte er mit Blick auf die AfD. [….]

Mehr oder weniger elegant verschweigen die CDUler damit wie wenig überzeugt sie sich selbst von Europa gezeigt hatten, wie gerne sie sich hinter Phrasen versteckten, oder gar, wie die Parteichefin selbst, die AfD bewarben, indem sie gegen eine angebliche „Sozialunion“ polemisierte und ihren Innenminister die Grenzen für Flüchtlinge zumachen ließ.
Man darf gespannt sein, ob der Bayerische Imperator nun seine Obstruktionsstrategie überdenkt und sich einer verlässlicheren Politik verschreibt. Sehr wahrscheinlich ist das nicht bei dem Mann, der zu allem mindestens drei Meinungen hat. Zunächst einmal übernimmt Seehofer formal Verantwortung und stellt gleichzeitig klar, daß es keine Konsequenzen (für ihn) geben wird.

Einfach ist dieser Tag für Horst Seehofer nicht. Von einem "schmerzlichen Wahlergebnis" spricht der CSU-Chef. Es ist der Tag nach der Europawahl, der Tag, nachdem die Partei das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. 40,5 Prozent der Stimmen hat die CSU bekommen. [….]  Die letzten Stunden hätten jedenfalls "nicht zu den schönsten meiner politischen Laufbahn" gehört, sagt Seehofer. Auch wenn der Politiker immer wieder betont, dass die genaue Analyse erst in einigen Wochen stattfinden werde.
[….] Was genau "Verantwortung übernehmen" jedoch heißt, lässt er offen. Erst wolle man die genaue Analyse des Wahlergebnisses abwarten. Nur eines macht er klar: Personelle Konsequenzen im Vorstand werde es nicht geben. Und auch bei ihm nicht. Er sei für die gesamte Legislatur gewählt und werde diese auch zu Ende bringen. "Flucht ist kein anständiger Umgang." Das steht für ihn fest. [….]

Statt sich selbst zu bedauern, sollte sich CDU und CSU mit einem „mea maxima culpa“ an ihr Wahlvolk wenden und sich öffentlich dafür schämen die Antieuropäer à la Lucke groß gemacht zu haben.
Es tröstet nur wenig, daß die Parteien anderer Europäischer Nationen genauso zwischen Phlegma und Nazis-Nachplappern mäanderten.
Ihr schlaffen Parteien! Es genügt nicht immer nur mit vollen Hosen vor den Demoskopen zu stehen und stets danach zu schielen es möglichst vielen recht zu machen.

 […] So ähnlich wie die Schafe haben sich im Europawahlkampf etliche etablierte Parteien der gemäßigten Rechten und Linken verhalten. Bedrängt von radikalen, populistischen Europa-Gegnern wurden sie nervös. Sie brachen aus ihrer früheren europafreundlichen Politik aus, schoben alle Schuld für Missstände auf Brüssel und plapperten Parolen der Radikalen nach. Bürgerliche Parteien, etwa die CSU in Bayern, agitierten gegen Einwanderer. […] Doch so fielen die Etablierten erst recht unter die Wölfe. Euro-Feinde und EU-Skeptiker wurden bei dieser Wahl so richtig satt.
Europa ist anders geworden seit dem Sonntag. In sein Parlament, das bisher die Spielwiese der Europa-Freunde war, sind viele entschlossene Gegner eingezogen. Die Wähler haben griechische Neofaschisten und Linksradikale, italienische Fundamental-Oppositionelle, britische Brachial-Nationalisten, Wahre Finnen und antisemitische Ungarn zu Europaabgeordneten gemacht. In Frankreich, Gründerland und Säule Europas, triumphierte der rechtsradikale Front National von Marine Le Pen als stärkste Partei.
Der Grundkonsens ist dahin, jetzt triumphieren die Radikalen
[…] Die Folgen: Viele Europa-Freunde verzagen. Der Untergang des Einigungswerks wird prophezeit, oder zumindest sein massiver Rückbau. […] Es muss nicht so kommen. Denn es gibt Beispiele, wie man Extremisten besiegt. Matteo Renzi hat gerade eines gegeben. Der junge italienische Regierungschef erzielte mit seinen Sozialdemokraten ein sensationelles Ergebnis. Er erhielt 41 Prozent der Stimmen, fast doppelt so viel wie sein großer Konkurrent, der demagogische Komiker Beppe Grillo. Noch nie hat in Italien eine Partei bei Europawahlen so gut abgeschnitten wie am Sonntag die Sozialdemokraten. […] schwankte.  Wie hat Renzi das gemacht? Und lässt sich von ihm lernen? Renzi zeigte Courage. Er stellte sich den Europa-Skeptikern und führte einen selbstbewussten, europafreundlichen Wahlkampf. Er bekannte sich zum Euro und zu seriöser Haushaltsführung und sagte den Italienern, dass sie ihr Land nicht Europa zuliebe, sondern für sich selbst reformieren müssten. Renzi suchte die Schuld nicht in Brüssel. Renzi übernahm Verantwortung. Renzi ging rasch Reformen an, auch wenn das in Rom besonders schwer ist. Er verjüngte die politische Klasse. Er weckte Hoffnung, wo lange keine mehr war. […]

Ihr Kanzler und Ministerpräsidenten müßt auch mal vorangehen und das Richtige tun! In den Politkommentaren des heutigen Tages steht dazu erstaunlich viel Richtiges. Es wäre schön, wenn sich die Regierenden daran hielten.
Aber wie soll das gehen, wenn phlegmatische Aussitzer wie Merkel regieren?????? Also liebe Politkommentatoren; Ihr habt da was richtig erkannt, aber dann müßt Ihr auch die Kanzlerin viel radikaler kritisieren und ihr nicht immer achselzuckend ihr Nichthandeln durchgehen lassen! Merkel hat den Tranquilizer Barroso durchgesetzt - einfach, weil sie damit den regierenden Kanzler Schröder ärgern wollte. Es war pure Obstruktion dieser ökologisch-außenpolitischen Nero-Strategin, die für den kurzen eigenen machtpolitischen Vorteil jeden Schaden in Kauf nimmt. So geht das nicht. Das muß auch die Presse scharf kritisieren und nicht immer nur mit Gefälligkeitsartikeln Merkel bejubeln.

[…] Rattenfängerparteien wie der Front National oder Ukip haben so ein leichtes Spiel mit ihren Früher-war-alles-besser-Sprüchen. Umso wichtiger ist politische Führung. Nicht weniger, sondern mehr Europa ist die Antwort auf den Angriff der Einfältigen. Die europäische Integration muss vorangetrieben werden. Wenn sich die Europa-Freunde nun vor den Gegnern der EU verkriechen, droht das gesamte Projekt zu scheitern. Gegenwehr fängt damit an, dass sich die Beteiligten nun schnell auf einen - Achtung: guten - Kandidaten für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten verständigen. Bitte ärgert den Kontinent nicht schon wieder mit einer blassen Kompromissnase wie Noch-EU-Chef José Manuel Barroso. […] Deutschland kann sich nicht auf den eigenen Erfolgen ausruhen.
Die Wirtschaft wächst, selbst die Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl ist hoch. Toll. Aber Deutschland ist mit dieser positiven Entwicklung ziemlich allein in Europa. Nur weil es bei uns gut läuft, dürfen wir nicht vergessen, dass wir auf ein funktionierendes Europa angewiesen sind. Wenn sich die politische und wirtschaftliche Krise des Kontinents verschärft, werden auch wir in diesen Sog geraten. Etwas mehr Großzügigkeit und Offenheit bei der Diskussion um Beistand für andere EU-Staaten würde den Deutschen gut anstehen. […]