Wenn ich eins nicht mehr
hören kann, dann sind das die ewigen Unkenrufe darüber, daß alle Parteien
ohnehin gleich sind und sich Politiker nicht mehr unterscheiden.
Das ist Bullshit.
CDU und SPD sind
programmatisch und habituell Antipoden.
Die Union ist ein klassischer
Kanzlerwahlverein, der zufrieden ist, wenn die Schwarzen an der Macht sind. CDU-Größen
sind daher stets bemüht ihren Anhängern zu vermitteln, daß alles gut sei, wie
es ist. Es soll sich nichts ändern, es wird schon nicht so schlimm kommen.
Typische CDU-Kanzlerparolen sind „die Karawane zieht weiter“, „Keine
Experimente!“, „Kurs halten“ oder „alternativlos.“
Bei Sozialdemokraten ist
es genau umgekehrt.
Schließlich wird man Sozialist, weil man etwas ändern
möchte.
Sozis sind nie mit dem
Ist-Zustand zufrieden; sie sind immer auf dem Sprung den Status Quo zu
verändern. Für ihre Chefs ist es daher viel schwieriger im Amt zu sein. Ihre
Sozen-Parteifreunde sind nämlich ungeduldig und kritisch. Sie fragen ständig
nach, kritisieren ihre Bosse und erwarten schnellere Fortschritte.
Eine CDU-Chefin kann sich
den Luxus leisten alle zwei Jahre vor ihren Parteitag zu treten und dort eine Stunde lang NICHTS zu sagen.
Mit grauen Allgemeinplätzchen, Eigenlob und
Apellen an Gefühliges wie Nation und Religion, kann sie ihr Delegiertenvolk
einschläfern und sich 98% Zustimmung abholen. Ihr Fußvolk würde alles und jeden
absegnen, der, die, das den Machterhalt sichert.
„Die Kanzlerschaft von Frau Merkel ist der einzige verbliebene Markenkern der CDU geworden.“ (Steinbrück)
Bei der SPD läuft das ganz
anders. Parteivorsitzende müssen nicht unbedingt wiedergewählt werden. Scharping erlebte
das im Jahr 1995, als er sich mit einer durchschnittlichen Rede um die
Wiederwahl als Bundesvorsitzender bewarb und sich flugs abgesägt sah, als
Kollege Lafontaine die Delegierten mit einer programmatischen Rede umstimmte.
Wenn einer sich vor so
einen Parteitag stellt und ein gutes Ergebnis als Vorsitzender oder
Kanzlerkandidat haben möchte, muß er eine inhaltlich stringente und substantielle
Rede halten.
Er darf sich eben nicht im Ungefähren verlieren, kann nicht mit
Luftblasen beruhigen.
So eine Rede hielt der
jetzige Vorsitzende Gabriel 2009 in Dresden, als die Partei am Boden lag.
So eine Rede hielt heute
der mit 93,5 % zum Spitzenkandidaten erkorene Peer Steinbrück, der sich den
albernen Schablonen, die ihm die Springerpresse aufzwingen will, entzog und
eine inhaltliche dichte, mit Programmatik gespickte und kurzweilige
Zweistundenrede hielt.
Er benennt klar Alternativen und macht jedermann
deutlich, wie er konkret die fatale Lobbyistenbeglückungspolitik, das
gefährliche Dahinwurschteln der Kanzlerin subsituieren will.
So soll das sein und so
einen will ich als Kanzler.
Rund 100 Minuten redet Steinbrück. Er reißt die Delegierten nicht mit. Aber sie sind angetan von ihm, was auch daran liegt, dass er immer wieder auf rote Kernthemen zu sprechen kommt. Steinbrück entwirft detailliert seine Vorstellungen einer gerechten Gesellschaft. Er spricht über die Renaissance der sozialen Marktwirtschaft, über Steuererhöhungen, die Stärkung der Kommunen, den Mindestlohn und bezahlbaren Wohnraum.
"Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich", ruft Steinbrück. Seine Leute danken es ihm mit zehn Minuten Applaus. Steinbrück ist in die Familie aufgenommen, wer hätte das gedacht.
Steinbrück ist links und
gibt den Kurs vor: Rot-Grün und nichts anderes.
Steinbrück redet und redet, die Delegierten klatschen und klatschen. Nach fast jedem Satz, jedem Gedanken. Selbst wenn sie noch so besoffen wären von seiner Kandidatur: Wäre es keine gute Rede, gäbe es auch weniger Beifall. Hier hat Steinbrück seine Kritiker überzeugt. Jene die glauben, er könne nur über Finanzmarktkrisen sprechen. Das hat er so gut wie gar nicht getan, sich ausufernde Monologe zu Bankentrennung und Finanzinstrumenten gespart. "Das kennt ihr alles schon von mir".
Stattdessen war dies das gesellschaftspolitische Manifest eines Mannes, der das Land regieren will, der Kanzler werden will. Ein Mann, der auch gegen eine Frau in den Ring steigt und in der Lage ist gnadenlos zuzuschlagen.