Es
macht ja immer Spaß über nationale Eigenschaften zu räsonieren und zu ergründen
wieweit solche Vorurteile eigentlich berechtigt sind.
Schotten
und Schwaben sind geizig, Rheinländer sind alle Frohnaturen, Italiener
wunderbare Liebhaber und Spanier temperamentvoll. Isländer sind kreativ und
Iren können alle singen.
Ich
weiß natürlich, daß das alles Unsinn ist.
Man kann nicht Millionen Menschen
über einen Kamm scheren. Aber wenn man erst mal so eine Denkschablone im Kopf hat,
registriert man jeden einzelnen Fall, der so ein Vorurteil bestätigt dreifach.
Mittlerweile bin ich beispielsweise ernsthaft davon überzeugt, daß die Masse
der Deutschen einen grottigen Musikgeschmack hat.
Ein weiteres der Klischees, an das ich
glaube, ist das von den exzentrischen Briten.
Eine
sympathische Volkseigenschaft, wie ich finde.
Menschen, die ihren Individualismus kultivieren
und es nicht nötig haben in uniformen Äußerlichkeiten zu einem homogenen
Kollektiv zu werden.
Die
Deutschen sind das diametrale Gegenteil.
Es
gilt das Sprichwort: Wenn zwei Deutsche sich treffen, dann gründen sie einen
Verein.
Sie
stehen einfach auf Uniformen und völlige optische Eintönigkeit.
Da
reicht schon ein Fußballspiel und schon ziehen sich alle Fans haargenau gleich
ein.
Letzten Sonntag sah man in Dortmund 70.000 Menschen, die sich zusammen
rotteten und alle ganz und gar in schwarzgelb gekleidet waren.
Eine
Farbkombination, die ich aus politischen Gründen niemals anziehen würde.
Noch
schlimmer wird es demnächst auf den deutschen Straßen aussehen, wenn elf
Blonde, die auch noch alle die gleiche Frisur tragen, in Kiew Charkiw und
Breslau einem Ballspiel nachgehen werden.
Die
Supermärkte und Kioske sind schon voller primitiver Schwarz-Rot-Gold-Outfits.
Zwischen
Glücksburg und Garmisch wird man wieder 37 Millionen Plastikfähnchen in
Nationalfarben ans Auto kleben und sich wie ein Haptiker auf Extasy freuen,
wenn man andere Karren mit der gleichen Deko sieht.
Deutsche
lieben die Konformität und versuchen mit allen Tricks in der Masse
unterzugehen.
Setzt man sie in Gruppen in Bierzelte auf Gartenbänke fangen sie
automatisch an zu schunkeln und sich unterzuhaken.
Versammelt man ein paar hundert
Zuschauer in einem TV-Studio reichen zwei Takte, um die Patschehändchen aller
Anwesenden zum unrhythmischen Klatschen zu zwingen.
(Daß man bei der
Zuschauer-Klatsch-klatsch-klatsch-Kulisse die Stimme des Sängers kaum noch
verstehen kann, ist bei der Qualität der deutschen Volksmusik nicht von
Nachteil.)
Setzt
man Deutsche in ein rundes oder ovales Stadion, überfällt sie sofort ein
Massentrieb die „La-Ola“ zu starten.
Der
tiefe Drang sich „wie ein Mann“ zu gerieren ist inzwischen so groß, daß bei
Sportveranstaltungen die Karten im Stadion längst viel zu knapp geworden sind.
Aber allein zu Hause die Übertragung zu
verfolgen ist dem teutonischen Michel viel zu individuell - also geht man zum „public
viewing“ (engl. = Leichenschau).
Dort legen dann auch die Männer einheitliche Schminke
auf.
Der
Wunsch zu einem möglichst großen Kollektiv zu gehören, erschöpft sich aber
nicht in einzelnen Veranstaltungen.
Nein, der Deutsche will auch offiziell, „auf
dem Papier“ ein Gleichgesinnter sein.
Der
ADAC, der Münchner Club der Autofreunde, zählt 18 Millionen Mitglieder und ist
damit der zweitgrößte Auto-Verein der Erde.
Dem
DFB, dem deutschen Fußball Bund gehören 6,8 Millionen Menschen an. Davon
gehören allein 170.000 Mitglieder dem FC Bayern an.
Auch
das DRK, deutsches Rotes Kreuz, ist ein Verein mit 4,7 Mio Mitgliedern.
Der
größte deutsche Verein ist der DSB, der deutsche Sport Bund mit 27 Millionen
Mitgliedern.
Das übertrumpft sogar die religiösen Vereine RKK-Deutschland und
EKD, denen jeweils ca 24 Millionen zahlende Mitglieder angehören.
Und
auch der DGB, der Deutsche Gewerkschaftsbund bringt es noch auf 6,2 Millionen
Mitglieder. Darunter sind die IG Metall mit 2,2 Millionen und ver.di mit 2,1
Millionen Mitgliedern die Größten.
Auch
die Altparteien verfügen noch über Massen von Mitgliedern.
495.000 Menschen
besitzen so wie ich ein SPD-Parteibuch und ganz knapp dahinter liegt die CDU
mit 489.000 Mitgliedern.
Man
sollte also meinen, es sei nichts einfacher als Deutsche zum Masseneintritt in
eine offiziell gemeinnützige Organisation mit einem leicht zu merkenden Buchstabenkürzel zu bewegen.
Da
kostet es schon viel Mühe und destruktive Energie die teutonischen
Schwarmfische dazu zu bringen die wohlige Wärme des Massenvorkommens zu
verlassen.
Gewerkschaften,
Kirchen und Parteien haben allerdings beträchtliche Fähigkeiten entwickelt ihre
Mitglieder so nachhaltig zu vergraulen, daß ihre zahlenden Fans austreten.
Die
Kirchen in Deutschland hatten noch in den 60er Jahren rund 95% der Deutschen als Mitglieder und
sind inzwischen auf relativ erbärmliche gute 60% abgeschmolzen.
Die
Sozis knackten in den 1970er Jahren sogar die Millionen-Grenze und haben
seitdem trotz 18 Millionen potentieller neuer Interessenten (1990) ihre
Parteigänger halbiert.
Nachdem
sie CDU 1990 zwei ehemals kommunistische SED-folgende Blockparteien
wegfusioniert hatte, stieg ihre Mitgliederschaft immerhin auf über 800.000, von
denen in Rekordzeit über 300.000 vergrault wurden.
Der
DGB hatte sich in den 1980ern an die 8 Mio-Mitglieder-Grenze gearbeitet,
übernahm dann den alten DDR-Gewerkschaftsbund und verfügte 1990 sogar über stolze 12
Millionen Anhänger.
Eine Anzahl, die inzwischen halbiert wurde.
Eigentlich
ist es erstaunlich mit welcher Indolenz die Chefs dieser Massenvereine, seien
es Bischöfe, Parteivorstände oder Gewerkschaftschefs auf diesen dramatischen
Kräfteverfall reagieren.
Dabei
sind die Gründe für die Massenflucht der Mitglieder oft ganz offensichtlich:
Ewig gestrige Ansichten, bürokratische und vollkommen Charisma-befreite Führungscrew, unfähige PR, behäbige Struktur, größtmögliche Intransparenz, Ignorieren der Interessen der Vereinsmitglieder, etc.
Dennoch
wird kein einziges Manko korrigiert.
Man schmilzt einfach wie der Seehofer’sche
Eisbecher in der Sonne dahin und sieht tatenlos dem eigenen Tod auf Raten zu.
Also ich denke, wenn man die Situation der Kirchen in den 90er-Jahren und auch jetzt nach 2000 mit der Situation in den 50er- oder 60er-Jahren vergleicht, dann ist das überhaupt keine Frage. Die Kirche hat enorm an Einfluss verloren, an Prägekraft verloren. Also bei den evangelischen Kirchentagen in den 50er-Jahren - 1954, 55, 56 -, da saßen Hunderte, Tausende von jungen Menschen zu Füßen der Bischöfe und haben gelauscht, wenn die eine Bibelauslegung gemacht haben, haben mitgeschrieben. Das ist heutzutage geradezu unvorstellbar, dass man also das Wort der Kirche so ernst nimmt, dass man meint, davon Wegweisung zu bekommen.
Das
Kirchenschrumpfen begrüße ich natürlich, aber statt ver.di und SPD sähe ich
lieber DFB und ADAC konsequent absterben.
But you can’t have them all.