Gäbe es auch ein noch so kleines, rudimentäres, winziges, latentes
Restvertrauen in die Verfassungstreue des US-Präsidenten, müsste man sich heute
sehr wundern.
Trump holte den Strippenzieher des Impeachmentsverfahrens,
den Mann, der die Kontakte mit Russland zur Manipulation der amerikanischen
Präsidentschaftswahlen von 2016 koordinierte und damit den innersten Kern der
US-Verfassung sabotierte aus dem Knast.
[…..] Trump pfeift auf die Justiz
Mit dem Straferlass für seinen alten Kumpel zeigt der US-Präsident
einmal mehr, dass für ihn das Gesetz nur gilt, wenn es ihm nutzt. Dass die
Republikaner Trump das durchgehen lassen, ist der eigentliche Skandal dieser
unwürdigen Präsidentschaft.
Roger Stone wird keinen Tag seiner Strafe im Gefängnis verbringen
müssen. Er war wegen Meineides gegenüber dem Kongress, Justizbehinderung und
Zeugenbeeinflussung zu 40 Monaten Haft verurteilt worden. Alles stand im Zusammenhang
mit den Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller in der
Russland-Affäre.
Am kommenden Dienstag hätte Stone seine Strafe antreten müssen. Aber
Stone hat anders als andere Verbrecher einen mächtigen Verbündeten: seinen
langjährigen Kumpel und Geschäftspartner, den Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Amerika, Donald J. Trump.
Es klingt wie eine dieser üblichen Geschichten aus einer mittelmäßigen
Diktatur. Das Staatsoberhaupt erlässt einem verurteilten Kriminellen die
Haftstrafe, einzig weil er ein Freund ist, ein über Jahrzehnte loyaler Vasall.
[…..] Trumps Entscheidung, Stone die Strafe zu erlassen, ist aber vor allem
ein ausgestreckter Mittelfinger für den Supreme Court, das Oberste Gericht der
USA. Dieses hatte diese Woche entschieden, dass der US-Präsident nicht über dem
Gesetz steht. Dass die US-Verfassung dem Amt keine unbegrenzte Macht und
Immunität vor dem Gesetz zubilligt. Aber Trump pfeift auf die Justiz. Seine
mehrfach öffentlich bekundete Amtsauffassung ist es, dass er als Präsident
machen könne, "was immer ich will". […..]
Müsste ein Thriller-Autor ein Blockbusterszenario ausdenken,
in dem der Rechtsstaat und das Vertrauen in denselben möglichst effektiv zerstört
wird, könnte er nichts Perfideres ausdenken als genau das was Barr, Trump und Stone bieten.
Allerdings wären es in einem Hollywood-Actionkracher
sinistere Genies, die gezielte Schritte unternehmen, um zu Gunsten einer
anderen Macht ihr Zerstörungswerk anrichteten.
Die Causa Trump ist noch grotesker, weil er in seiner
unendlichen Borniertheit die US-Verfassung gar nicht kennt, noch weniger
versteht und auch gar nicht dran denkt sich die elementarsten Prinzipien wie „freie
Wahlen, „Gewaltenteilung“, „Pressefreiheit“, „unabhängige Justiz“ erklären zu
lassen.
Ein US-Präsident, der aktiv die US-Verfassung zerstört und
die selbsternannte „Law and Order“-Partei GOP unterstützt ihn offensichtlich
bedingungslos, auch wenn man sich keinen „eklatanteren Fall von Amigowirtschaft“
denken kann:
[…..] Dass der US-Präsident seine Macht zur Begnadigung von verurteilten
Straftätern ausgerechnet dazu einsetzt, um einen seiner ältesten Kumpels vor
dem Gefängnis zu bewahren, erscheint wie ein groteskes Lehrbeispiel von
Amtsmissbrauch und Korruption an höchster Stelle.
Die Reaktionen bei Trumps politischen Gegnern sind entsprechend:
"Mit dieser Entscheidung macht Trump deutlich, dass es zwei Justizsysteme
in den USA gibt, eins für seine kriminellen Freunde und eins für alle anderen
Straftäter", sagte Adam Schiff, der demokratische Vorsitzende des
Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus.
Andere Demokraten legten den Verdacht nahe, Trump könnte Stone nur
deshalb geholfen haben, um so sein Schweigen zu erkaufen. "Kein anderer
Präsident hat seine Macht jemals für so persönliche und eigennützige Zwecke
eingesetzt", urteilten die Abgeordneten Jerry Nadler und Carolyn Maloney.
[…..]