Manche
Weisheiten verlieren mit der Zeit ihre Berechtigung.
„Amerika,
du hast es besser“ gilt jedenfalls nicht mehr für Parlamentarier.
Um
seinen Sitz im Kongress zu behalten, braucht ein Politiker mindestens eine
Million Dollar.
Das bedeutet für ihn jeden Tag Fundraising zu betreiben. Viele
Stunden täglich müssen Spender angebettelt werden, um die Wahlkampfkasse zu
füllen. Viel Zeit für die eigentliche politische Arbeit - beispielsweise für
Gesetzestexte - bleibt da nicht. Stattdessen wird eine Geldsammlung nach der
nächsten organisiert.
Mindestens zwanzig dieser Veranstaltungen finden täglich in Amerikas Hauptstadt und im Rest des Landes statt, schätzen die Experten der Sunlight Foundation, die auf www.politicalpartytime.org Einladungen zu diesen Events ins Netz stellen. Es ist also kein Geheimnis, dass es zwischen 1000 und 2000 Dollar kostet, um mit dem Demokraten Mark Critz ein Baseball-Spiel zu sehen (hier die Einladung) oder mit Senator John Thune ein Konzert von Van Halen zu besuchen (Einladung hier). Der Druck, der auf den Abgeordneten lastet, ist enorm: Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre gewählt, und wer seinen Sitz verteidigen will, benötigt mindestens eine Million Dollar. […] "Heute verbringt ein Abgeordneter mehr als die Hälfte seiner Zeit mit Fundraising", sagt Craig Holman von der Nichtregierungsorganisation Public Citizen im Gespräch mit Süddeutsche.de. […]Allein im Jahr 2010 wurden in den USA 3,5 Milliarden Dollar für Lobbying ausgeben. Die Summen, die von außen in den Wahlkampf gepumpt wurden, stiegen um 427 Prozent, hat das Center for Responsive Politics dokumentiert, eine in Washington ansässige, gemeinnützige Organisation.
In
Deutschland haben es die Abgeordneten etwas besser, da es hier kein
Mehrheitswahlrecht gibt und dementsprechend die Parteien und ihre Wahllisten
darüber entscheiden, wer ins Parlament gelangt.
Für
seinen Bundestags- oder Landtagssitz muß man also lediglich Partei-intern
mauscheln und das geht fast ohne Geld.
„Gespendet“
wird in Deutschland stattdessen für die Parteien insgesamt. Das ist also für
den einzelnen Abgeordneten wesentlich weniger aufwändig.
Für
die Firmen und Lobbyisten, die ihre Interessen durchsetzen wollen ist es
allerdings egal, ob es ein Parteiensystem wie in Deutschland, oder eine
Individual-System wie in Amerika gibt:
Sie geben Geld aus, um sich die
Abgeordneten zu kaufen.
Mehr
oder weniger subtil.
Besonders
umschwärmt sind die Gesundheitspolitiker, die von den milliardenschweren
Lobbyisten mit einem Ampelsystem klassifiziert werden:
Grün
= ist bestechlich
Gelb
= kann möglicherweise gewonnen werden
Rot
= Stimme ist nicht käuflich.
In
die Kategorie „rot“ rutschte sich der bekannteste SPD-Mann auf diesem Gebiet,
Prof. Karl Lauterbach selbst, indem er konsequent jede Einflussnahme, jedes
Geschenk, jede Urlaubseinladung etc an Politmagazine wie „Panorama“ oder „Monitor“
weiterleitete.
Nichts
fürchten Pharmaindustrie, Krankenhausbetreiber, Apothekenverbände und
Ärztefunktionäre mehr als Transparenz. So hörten die schönen, teuren Geschenke
an Lauterbach ziemlich schnell auf.
Ob
Lauterbach damit zu einer Majorität der Abgeordneten oder einer Minorität
gehört, weiß ich nicht, da es niemand an die große Glocke hängt, wenn er „Vergünstigungen“
von Lobbyisten annimmt.
Wenn
man aber hört, daß allein im Verteidigungsausschuss ein Viertel der Mitglieder Rüstungslobbyisten sind, kann man annehmen, daß nicht sehr wenig Volksvertreter
eigentlich etwas anderes vertreten.
Das
Schöne ist, daß Deutschland sich bis heute weigert Abgeordnetenbestechung unter
Strafe zu stellen. Da kann die Korruption so richtig schön gedeihen.
Am Mittwoch ging es in Berlin bei einer Veranstaltung des Wissenschaftsforums des Bundestags um 'Das Problem von strafrechtlicher Immunität und Korruption von Amtsträgern im europäischen Vergleich'. Korruption, so die Grundeinstellung vieler Zuhörer, ist in Osteuropa zu Hause, allenfalls noch in Griechenland. Falsch, sagte der Referent Tilman Hoppe, promovierter Jurist, Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung und derzeit für die Leitung eines Anti-Korruptionsprojekts an den Europarat ausgeliehen. Die Wahrnehmung der Deutschen sei, dass Korruption hierzulande nur in geringem Maße vorzufinden sei. 'Tatsächlich ist sie stärker als in Kroatien oder Georgien', versicherte Hoppe. Und mittendrin steckt der Deutsche Bundestag. In Umfragen habe sich gezeigt, dass die Menschen im Lande die Institution Bundestag für weitaus korrupter hielten als Polizei und Justiz, referierte Hoppe. Zu diesem Image trage auch die Immunität der Parlamentarier vor strafrechtlicher Verfolgung bei. 'Weitreichende Immunitäten nähren den Verdacht auf Korruption', sagte Hoppe.[…] Bislang, so Hoppe, steht Deutschland im internationalen Vergleich schlecht da, was Korruptionsbekämpfung angeht. Nach geltendem Recht ist in Deutschland nur der 'Stimmenkauf' strafbar, wenn sich also Parlamentarier ihr Votum im Plenum oder in einem Ausschuss bezahlen lassen. Bekannt gewordene Parteispendenskandale endeten bisher allenfalls in Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung.