Freitag, 4. März 2022

Glück im Unglück – Teil II

Friedrich Merz verfügt über erstaunliche Fähigkeiten.

Obwohl er der geborene Verlierer ist und es nie vermochte in einer direkten politischen Konfrontation zu siegen, halten ihn seine rechten Unionsfreunde für einen Gewinnertypen. Er unterlag Merkel, er unterlag AKK, er unterlag Laschet und soll nun doch die nächste Bundestagswahl für die Union gewinnen.

Noch verblüffender ist sein zweites Talent. Obwohl er sich in Interviews und Talkshow immer wieder um Kopf und Kragen redet, eklatante ökonomische Wissenslücken offenbart, vermag er es, die Öffentlichkeit glauben zu lassen, er wäre ein wirtschaftliches Genie.

 Daher lautete Loser-Laschets Plan für seine Kanzlerkandidatur, Sexist ‚Friedrich Merz muss ins mein Team‘ und so stand der Mann mit den gesellschaftspolitischen Ansichten aus den 1950ern seinen notorischen ökonomischen Fehlaussagen für den Kanzlerkandidaten. Dabei mangelt es Merz nicht nur an wirtschaftspolitischen Instinkt, indem er seit 20 Jahren Dinge grundsätzlich falsch prognostiziert, sondern dem Juristen vom rechten Parteirand fehlen auch die simpelsten volkswirtschaftlichen Grundkenntnisse. Er ist eine Lachnummer.

[……] Der gefühlte Wirtschaftsexperte.  Friedrich Merz wähnt Deutschland und die EU in der "Liquiditätsfalle" - und erntet Widerspruch von Ökonomen.   Rüdiger Bachmann sagt von sich selbst, er sei jemand, den die CDU "im Prinzip" gewinnen könnte. Der Professor für Makroökonomie lehrt derzeit an der katholischen Privatuniversität Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana, die als konservativ gilt. Nur, am Sonntag hat die CDU alles andere als Werbung für sich gemacht. Der Grund? Ein Tweet des angeblichen Wirtschaftsexperten der Partei, Friedrich Merz.  [……] Deutschland und die EU sind mit ihrer Finanzpolitik angekommen, wo sie niemals hätten hinkommen dürfen: in der Liquiditätsfalle", twitterte er am Sonntag. Huch, fragt man sich da, sitzen die Deutschen in der Falle, weil die da in Berlin und Brüssel keine Ahnung haben?  Doch dann rauscht ein Shitstorm durchs Netz. Wirtschaftspolitiker, Ökonomen und Vertreter des Wahlvolkes sind entsetzt von mangelndem Sachverstand oder einfach empört. Er biete Merz "ein kurzes Briefing in Sachen Geldsystem und Staatsfinanzen" an, "sollte nicht länger als ein Jahr dauern, bis wir Sie so fit haben, dass Sie wieder mitreden können", twittert der Ökonom Maurice Höfgen, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag arbeitet. "Ist schon fast lustig, dass der 'Wirtschaftsexperte Merz' keine Ahnung von wirklich grundlegender Ökonomie zu haben scheint", ein anderer. "Die alte Nummer, den Menschen große Angst vor angeblichen Schulden machen", ärgert sich ein Nutzer.  "Ohgottohgott, dieser Mann tritt in meinem Wahlkreis an. @FriedrichMerz, kommen Sie doch mal rüber in die Altstadt, ich leih' Ihnen meinen Bofinger", bietet jemand an. Auf die "Grundzüge der Volkswirtschaftslehre" von Peter Bofinger verweist auch der Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi, er twittert ein Bild des Lehrbuchs. "Ist das die neue Wirtschaftskompetenz?", fragt er. Und, an Merz gerichtet: "Wissen Sie eigentlich, was eine Liquiditätsfalle ist? Sie scheinen da was verwechselt zu haben." - "Oh Lord Keynes!" [……]

(Cerstin Gammelin, 29.04.2021)

Friedrich Merz trägt nicht nur die Last mit sich, daß er sich in ökonomischen Fragen meistens irrt und groteske Fehlprognosen in die Welt setzt, daß er ein erstaunliches Talent an den Tag legt, alle Fettnäpfchen zu treffen und innerparteilich als Serienverlierer dasteht, sondern immer mehr als ewig-gestriger AfD-Opa gegen Schwule und Gendersternchen wettert.

Auch die Merz-typischen grotesken Fehlprognosen vermögen es nicht, seiner angeblichen Wirtschaftskompetenz zu schaden.

(….) Er sieht die Wirtschafts- und Sozialpolitik noch genauso durch die radikal neoliberale Brille wie vor 20 Jahren:
Sozialausgaben radikal kürzen, alle Regulierungen abschaffen, Steuerrecht ausmisten und massiv von unten nach oben umverteilen, damit die Unternehmer investieren.
  So steht es auch in seinen Prä-Finanzkrise-Büchern „Mut zur Zukunft. Wie Deutschland wieder an die Spitze kommt“ (2002), „Nur wer sich ändert, wird bestehen. Vom Ende der Wohlstandsillusion“ (2004), „Mehr Kapitalismus wagen – Wege zu einer gerechten Gesellschaft“ (2008), in denen er Düsteres prognostizierte.

[…] Die Diagnose, die Merz in dem Buch [Vom Ende der Wohlstandsillusion] macht […]: Deutschland erlebe einen "historischen Niedergang"; die "Position der Exporteure auf den Weltmärkten verschlechtert sich ständig"; der Staat steckt in der "Schuldenfalle"; der Sozialstaat belohnt Faulheit; die "Überregulierung" des Arbeitsmarkts ist "schlicht eine Katastrophe", ebenso wie das böse Tarif- und Verbändekartell; die Lohnfindung ist "verkrustet"; dazu kommt, dass die Unternehmen ohnehin keinen einstellen, weil der Kündigungsschutz zu streng ist; unser Steuersystem ist schlechter als das von Gambia und Uganda; und überhaupt arbeiten wir zu kurz, und die Eliten verstehen nicht den Zusammenhang zwischen Leistung und Lohn; und die Gutmenschen haben uns zu bequem werden lassen. Was es braucht, schien für Merz ebenso klar: die Deutschen müssen (fast) alle irgendwie verzichten. Und "länger arbeiten". Und flexibler. Und im Normalfall ohne Wohltaten vom Staat auskommen. Und ihre Rente am Kapitalmarkt gefälligst selbst verdienen. Für über 50-Jährige sollte es am besten gar keinen Kündigungsschutz mehr geben. Die Leute müssen ihren "Konsum beschränken" (damit - angeblich dann - mehr Geld für die Unternehmen übrig bleibt). Abgesehen davon braucht es weniger teure Beamte. Und weil "die Marktwirtschaft ihre Überlegenheit längst bewiesen hat", muss natürlich irgendwie (fast) alles den Märkten überlassen werden. [….]

(Thomas Fricke, SPON, 30.11.2018)

Es gibt zwei Probleme an dieser hanebüchenen, einseitigen Sichtweise.

Zum einen hält Merz an diesen Rezepten und Prognosen bis heute fest und zeigt damit Starrsinn und Realitätsblindheit.

Zum anderen haben sich alle seine düsteren Unkenrufe als völlig falsch erwiesen. Nichts trat davon ein, obwohl Angela Merkel in 13 Jahren das Gegenteil einer Reformerin war und keine der radikalen Merz-Forderungen umsetze. Hätte Merz Recht behalten, wäre Deutschland inzwischen untergegangen. (….)

(Plädoyer für Friedrich Merz, 16.02.2020

Wir wissen bisher, wie hanebüchen falsch Merzsche Aussagen zur Wirtschafts- und Finanzpolitik sind, wir wissen, daß der Multimillionär sich nicht ansatzweise in die Nöte von Geringverdienern hineindenken kann (er empfahl den von Altersarmut bedrohten Menschen, sich Aktienvermögen anzuschaffen) und wir wissen, wie verletzend der Dampfplauderer agiert, wenn er beispielsweise bei einem Statement zur „Ehe für alle“ sofort Schwulsein mit Pädophilie verknüpft.

Merz ist also ein bißchen doof, unempathisch und hat sich nicht unter Kontrolle. Er ist ein Dampfplauderer, der während des Sprechens gar nicht begreift, welchen Schaden er anrichten kann.

In der gegenwärtigen todernsten Lage, im Ringen mit dem Krieg in Europa, haben wir aber auch Grund glücklich und dankbar zu sein.

Dankbar für den Wahlsieg Olaf Scholz‘, dankbar dafür, daß der Mann im Kanzleramt seine Worte genau abwägt und Dankbarkeit dafür, daß Merz stets in der Opposition sitzt. Merz hat sich nicht unter Kontrolle und merkt gar nicht was er anrichtet.

Besonders drastisch zeigt sich die Merzsche Gefährlichkeit in der Außenpolitik. Der Trump-Fan schaffte es innerhalb weniger Tage zweimal mit totalen Idiotien, die Deutschland schwer schaden, in die Schlagzeilen.

[….] Merz: Swift-Ausschluss Russlands wäre eine Atombombe für Kapitalmärkte!  Kommende Woche wird Außenministerin Baerbock Moskau und Kiew besuchen. Der designierte CDU-Chef warnt davor, Russland aus dem internationalen Zahlungsverkehr auszuschließen. […]

(Handelsblatt, 16.02.2022)

Ohne Not wollte Merz also die drastischste Sanktion gegen Russland abräumen. Putin wird sich die Hände gerieben haben.

Nachdem der Krieg der Drohungen, ein Heißer geworden ist, die SWIFT-Karte längst gespielt wurde und sich alle Welt vor einer Eskalation fürchtet, orakelt der Irre davon, die NATO gegen Russland einzusetzen.

[…] Ukraine-Einsatz der Nato? Merz bekommt harsche Kritik: „Provoziert Ausweitung zum dritten Weltkrieg“  CDU-Chef Friedrich Merz erntet Gegenwind für sein - vorerst rein hypothetisches - Gedankenspiel zu einem Nato-Einsatz in der Ukraine. Deutschland und die Nato dürfen sich militärisch keinesfalls in Russlands Krieg gegen die Ukraine ziehen lassen, sagte die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen am Freitag. Merz rede eine Kriegsbeteiligung der Nato herbei, mache der Ukraine falsche Hoffnungen und provoziere eine „Ausweitung zum dritten Weltkrieg zwischen Nuklearmächten“, warnte sie. Zumindest indirekt warnte auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn vor entsprechenden Plänen. Ein militärisches Einwirken der Nato wäre „eine Weltkatastrophe“, erklärte er - allerdings bezogen auf ukrainische Forderungen nach einer Flugverbotszone über dem Land.  Eine solche No-Fly-Zone müsste von den Vereinten Nationen beschlossen werden und es stelle sich die Frage, wer diese Zone kontrollieren würde, sagte Asselborn vor einem EU-Außenminister-Treffen in Brüssel. Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) erteilte einer Nato-Beteiligung am Konflikt wiederholt eine Absage.  [….]

(Merkur, 04.03.2022)

Was für ein Glück, dass der Dampfplauderer erst zweimal NICHT Parteivorsitzender, dann NICHT Kanzlerkandidat und vor allem NICHT Kanzler geworden ist! Kanzler Merz hätte womöglich schon einen Atomkrieg herbei geredet.