Sonntag, 25. Mai 2014

Was’n Wahltag…



Europawahl heute, Kiew-Wahl heute und auch noch jede Menge Kommunalwahlergebnisse.
Holla, das sind jetzt aber eine Menge Zahlen, die ich jetzt ansehen muß.

Bei so vielen Ergebnissen kann jeder einen für sich angenehmen Blickwinkel finden.

Naja, das SPD-Ergebnis in Hamburg (34%) haut mich jetzt nicht so um, aber ich freue mich, daß Schwarzgelb (zusammen 28%) unendlich weit von einer eigenen Mehrheit entfernt ist, daß RRG mit insgesamt ~ 60% der Stimmen sehr stark ist und daß die Piraten mit ihren extra-dummen Plakaten nur zwei Prozent bekommen haben.
6 Prozent AfD sind sechs Prozent zu viel, aber dafür ist wenigstens die NPD mit 0,4% kaum nachweisbar.

Interessanterweise korreliert das Ergebnis so gar nicht mit der gefühlten Stärke der Parteien, die sich im plakatierten Straßenbild zeigte.
Ich habe nicht ganz Hamburg besichtigt, aber in meiner Umgebung, also im Zentrum Hamburgs, dominierten ganz extrem die CDU-Plakate. Außerdem sah man viele FDP- und Piratenplakate. SPD-Werbung war viel seltener, genau wie AfD. Grüne, bzw Linke habe ich im Straßenbild gar nicht wahrgenommen. Ein ähnliches Bild ergab die Ausbeute meines Briefkastens: Ich erhielt ca zehn Flyer/Briefe/Broschüren von der CDU und zwei von der FDP. Nichts von den anderen Parteien.
Dafür war die AfD in Internet sehr stark und flimmerte unablässig auf YouTube umher. Für Schwarzgelb hat sich der Einsatz offenbar überhaupt nicht ausgezahlt.

Gruselig hingegen der Blick nach Frankreich. Die Faschisten mit 26% stärkste Partei, dann folgen die Konservativen mit 21% und erst an dritter Stelle die Sozialisten mit erbärmlichen 14%!

Nach ersten Schätzungen mehrerer Meinungsforschungsinstitute erreichte die Partei von Marine Le Pen rund 25 Prozent der Wählerstimmen - bei der Europawahl vor fünf Jahren war der FN lediglich auf 6,3 Prozent der Stimmen gekommen. Die Partei von Staatschef François Hollande kam demnach mit rund 14 Prozent nur auf den dritten Platz hinter der konservativen UMP, für die 21 Prozent stimmten. Auch die Konservativen mussten Verluste hinnehmen; 2009 lagen sie noch bei 27,9 Prozent. Die französischen Grünen brachen ebenfalls ein und landeten bei rund neun Prozent. Das Wahlergebnis sei "die erste Etappe des langen Marsches" der Rückkehr zur französischen Souveränität, sagte Le Pen im Anschluss.

Man staunt, daß Demokratie und Medien im Kernland Europas, das so eine  enge politische und ökonomische Verbindung beispielsweise zu Deutschland hat, so extrem versagen können.

In Österreich kommen ÖVP und FPÖ zusammen auf fast die Hälfte der Stimmen, während die SPÖ mit knapp 24% nur zweitstärkste Kraft wird.

In Deutschland beobachtete ich in den letzten Wochen zwar durchaus eine mediale Aufwertung der AfD, die unablässig thematisiert wurde. Über die Piraten hingegen gab es so gut wie gar keine Berichterstattung.
Erstaunlich war aber, daß selbst nicht gerade als seriös bekannte Medien wie die „Hamburger Morgenpost“ oder der Fernsehsender „ntv“ sichtlich bemüht waren einige antieuropäische Vorurteile abzuräumen.
Auffällig oft wurden Mythen vom „Regulierungswahn“ richtig gestellt und betont welche große Vorteile im alltäglichen Leben der Verbraucher durch die EU geschaffen wurden; Stichworte Roaminggebühren, Handyaufladekabel, oder auch „sparsamere Elektrogeräte.“

CDU und CSU entzogen sich, wieder einmal, dem menschlichen Anstand und wollten dem Weg der Wahrhaftigkeit nicht folgen. Ehrlichkeit und Aufklärung lag ihnen nicht.
Stattdessen wurden nicht zur Wahl stehende Nebelkerzen gezündet – in Form von einer omnipräsent grinsenden Kanzlerin mit wolkigen Sinnlosfloskeln – oder aber gleich die hetzerischen Phrasen der Europa-feindlichen Rechten nachgeplappert.

Genützt hat es offensichtlich nicht viel; ganz so doof (wie ich gelegentlich auch meine) war der Urnenpöbel nicht und wählte dann lieber gleich das Original.
Für mich ist es zwar unverständlich wie in dieser Gemengelage die CDU/CSU erneut stärkste Kraft werden konnte, aber in Relation zur letzten Wahl ergeben sich doch interessante Wählerwanderungen.

Die Union verlor zwar rund 470.000 Stimmen an Luckes Populistenbande, aber sogar noch mehr Stimmen an Rot/Grün (310.000 an die SPD und 240.000 an die Grünen.)
Haben die Wähler etwa Seehofers und Merkels schäbiges Spiel verstanden?

Spannend auch das absolut gerechtfertigte Ausbluten der FDP, die nicht etwa all ihre Stimmen an die AfD verlor, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.
Tatsächlich haben die Ratten das gesunkene Schiff in alle Richtungen verlassen.
50.000 FDP-Wähler von 2009 gingen zu den Rechten, aber immerhin 30.000 gingen zur CDU und sogar 70.000 zur SPD! Die FDP verlor sogar mehr Stimmen an die Grünen (40.000) als an die CDU.

Unterm Strich bedeutet das, die FDP verliert neun ihrer bisherigen 12 EU-Sitze, die Union immerhin sieben von 42 Sitzen.

Erschreckend, aber nach der massiven Wahlhilfe durch den rechtspopulistischen CSU (und CDU-) Wahlkampf nicht überraschend gewinnt die rechte Hetzpartei AfD sieben Sitze im EU-Parlament und ist damit stärker als manch ein ganzes Land (Luxemburg, Zypern, Malta und Estland schicken je sechs Parlamentarier in die EU.)

Neben den sieben Lucke-Epigonen und drei FDP-Rudimentariern sind sechs (sic!) weitere deutsche Kleinstparteien im EU-Parlament vertreten und zwar jeweils mit einem Abgeordneten: Freie Wähler, NPD, Familienpartei, ÖDP, Piraten und Tierschutzpartei.
Man hätte die 5%-Hürde beibehalten sollen und damit übrigens auch Graf Lambsdorff verhindert.

Der Verlierer des Abends sind neben Christian Lindner, dem es trotz seiner extrem überproportionalen Medienpräsenz nicht gelang den nahenden Tod seiner Partei aufzuhalten, die Piraten und die CSU.

Die Piraten wurden inhaltlich überhaupt nicht mehr ernst genommen und liegen nun mit bundesweit 1,4% sogar hinter den Freien Wählern (1,5%). Das ist die Größenordnung NPD (1%) und Tierschutzpartei (1,2%).

Seehofers Eiertanz, changierend zwischen Rechtspopulismus und Beliebigkeit, bleibt nicht ohne Folgen.
Ähnlich wie bei der Bundestagswahl liegt die CSU nun mit 5,1 % DEUTLICH hinter Gysis Linken (7,4%) und traf in Bayern gerade mal die 40%-Marke.
Crazy Horst kann also offenbar selbst seinen Bayern nicht mehr alles zumuten und verliert gegenüber 2009 rund acht Prozentpunkte.

Seehofer kriegt die Krise
Der Anti-Europa-Kurs zahlte sich nicht aus: Mit nur 40 Prozent erzielt die CSU bei der Europawahl eines ihrer schlechtesten Ergebnisse. Dass ihr Wahlkampf nicht richtig aus den Startlöchern kam, lag auch an der Strategie von Parteichef Seehofer.
Parteichef Horst Seehofer berichtet aus einem politischen Katastrophengebiet. [….]  Er spricht von einer "bitteren Stunde", und dass man jetzt "zusammenstehen" müsse. Land unter im CSU-Land. 40,5 Prozent - es ist das schlechteste Ergebnis überhaupt für die CSU bei einer Europawahl.
Die Partei leidet wie schon lange nicht mehr. Die Berliner Statthalterin der Partei, Gerda Hasselfeldt, sagt: "Ich kann das noch gar nicht glauben." [….]   Weniger süffisant hört sich die Kritik von Erwin Huber an, dem früheren Parteichef. Der weiß aus eigener Erfahrung, was verlieren heißt: "Die Ursache für diese Katastrophe liegt in der Politik der letzten fünf Jahre." Was Europa angeht, sei "sowohl dafür als auch dagegen" alles andere als eine "glaubwürdige, klare Linie". [….] Richtig heftig ging es zu Jahresbeginn zu, als die CSU mit ihrer "Wer betrügt, der fliegt"-Kampagne Stimmung gegen Rumänen und Bulgaren gemacht hatte.
[….]  "Man weiß, die Zeit von Seehofer geht zu Ende. Man weiß nicht wann. Man weiß nicht wie", orakelt einer aus der Parteiführung, der sich bereits an die Stoiber-Dämmerung erinnert fühlt. [….] Seehofer kriegt gerade die Krise.