Samstag, 12. April 2025

Was passiert mit Jens Spahn?

Wie immer bei Regierungsbildungen, wenn man auf die Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag wartet, wird wild spekuliert, wer Minister wird.
Ich nehme mich nicht aus; in erster Linie interessiert mich die Ressortverteilung. Dann kommen die Namen und erst an dritter Stelle die inhaltlichen Details. Es fühlt sich an, wie die Katze im Sack zu kaufen, wenn ich dem K.O.alitionsvertrag zustimme und gar nicht weiß, welche Minister ich mir damit ans Bein binde.

Die Parteichefs wissen natürlich um dieses Problem und befürchten das Ausbrechen eines allgemeinen Hühnerhaufen-Modus. Antipathien könnten die Ratio überlagern. Oder frustrierte Mitglieder von der Abstimmung fernhalten, wenn sie ihren Liebling übergangen sehen. Daher erklärt man uns gebetsmühlenartig, es komme in erster Linie auf die Inhalte an. Das funktioniert als recht effektives Totschlagargument, denn wer will schon zugeben, daß ihm Inhalte weniger wichtig als Personalien sind?

In Wahrheit kann man Inhalte gar nicht von Personen trennen. Der Ampel-Koalitionsvertrag wurde bezüglich der Verteidigungspolitik nie verändert, aber die Verteidigungspolitik schon! Erstens durch den 24.02.2022 und zweitens durch den Rücktritt von Christine Lambrecht am 17. Januar 2023 und die Ernennung von Boris Pistorius zwei Tage später. Der Koalitionsvertrag kann gar nicht auf alle auftretenden Problem a priori Antworten geben. Vieles hängt von den Fähigkeiten und der Integrität des Amtsinhaber ab.

Wenn eine Pandemie ausbricht, fühle ich mich wohler unter Gesundheitsminister Lauterbach, als unter Gröhe oder Spahn. Nicht nur, weil Lauterbach vom Fach ist, sondern weil Spahn erwiesenermaßen charakterlich nicht integer ist. Es gibt eine lange Liste mit Mauscheleien und privaten Bereicherungen, die er schon im jungen Alter füllte.

Die wesentlichen Dinge, die das Gesundheitssystem so ungerecht machen, wie das Verweigern einer Bürgerversicherung und das Festhalten an der Zweiklassenmedizin für wenige Reiche und viele Arme, wurden im Koalitionsvertrag festgeschrieben und sind in der Entscheidung des Urnenpöbels für die Parteien, welche strikt für Zweiklassenmedizin eintreten, begründet.

Daran ändert die Personalie des Gesundheitsminister nichts. Aber ein anständiger Minister wie Lauterbach, kann dennoch den Unterscheid machen, indem er beispielsweise den Zugang von Lobbyisten auf Gesetze beschränkt, während die  FDP-Gesundheitsminister Rösler und Bahr Pharma- und PKV-Vertreter nicht nur ins Ministerium holten, sondern diese auch die sie betreffenden Gesetze gleich selbst schreiben ließen.

Jens Spahn ließ als Finanz-Staatssekretär unter Schäuble und als Bundesgesundheitsminister zweifelsfrei erkennen, daß er in der Bundesregierung nichts verloren hat. Der Mann ist ein Risiko für Deutschland. Fachlich überfordert und mit einer hohen Korruptionsenergie ausgestattet, die ihn geradezu Trumpesk in Talkshows lügen und hetzen lässt.

Was soll nun also mit ihm passieren? Wird Merz ihn ins Kabinett rufen? Welches Ressort, das die CDU für sich reklamierte, könnte passen? Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium, Gesundheitsministerium, Außenministerium, Familienministerium, Digitalministerium?

Für Spahn spricht einiges: Er ist extrem bekannt, außerordentlich ehrgeizig, schleimte sich als Mitglied der vier apokalyptischen Reiter der Migration (Linnemann, Merz, Klöckner, Spahn) intensiv beim Parteichef ein, ist bestens in der rechten Medienwelt vernetzt, könnte als Schwuler für die seltene Diversität im Merz-Umfeld stehen, verfügt über gute Kontakte zur extremistischen GOP und kann auf Ministererfahrung verweisen.

[….] Jens Spahn, 44: Dass der frühere Gesundheitsminister einen wichtigen Posten bekommen muss, halten viele für klar. Das Gerücht, er würde auf den Posten des Botschafters in Washington abgeschoben, kommentierte man in seinem Umfeld eher belustigt. In der Union heißt es, Spahn wolle Fraktionschef werden. Manche Christdemokraten sind aber überzeugt, dass das ein großer Fehler von Merz wäre, weil Spahn zu ehrgeizig ist, zu sehr auf eigene Rechnung arbeiten könnte. Im Kabinett kommt nicht viel für ihn infrage – allenfalls vielleicht der Außenministerposten. Sehr unwahrscheinlich, aber als nicht komplett ausgeschlossen gilt manchen, dass Spahn komplett leer ausgeht. [….]

(SPON, 10.04.2025)

Es spricht aber auch einiges gegen Spahn. Er kommt aus NRW, das mit Merz, Scharrenbach (Schatten-Infrastrukturministerin), Laschet (Schatten-Außenminister) und Linnemann (Schatten-Wirtschaftsminister) ohnehin überrepräsentiert ist, er ist ein Mann (auch bereits überrepräsentiert) und zudem absolut nicht vertrauenswürdig. Merz müsste immer damit rechnen, von ihm ein Messer in den Rücken gerammt zu bekommen. Zudem ist der Mann chronisch unbeliebt und trüge insofern kaum dazu bei, die miesen CDU-Umfragewerte zu erhöhen.

Spahn erhöht den Druck, berücksichtigt zu werden, indem er seine Rolle als CDU-Rechtsaußen betont. Er weiß, wie viel Unmut es bei der rechten CDU-Basis gibt, die Merzens stramm rechte xenophobe und fiskalpolitisch konservative Wahlkampfrhetorik vermissen. Umso mehr versucht er sich, als AfD-affiner Posterboy zu geben, um auf dem Ticket ins Kabinett zu reiten.

[….] Im Streit um Äußerungen des Unions-Fraktionsvize Jens Spahn, der sich für einen anderen Umgang mit der AfD im Bundestag ausgesprochen hatte, hat Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh den CDU-Politiker kritisiert. "Wer Rechtsextremisten wie die AfD gleichstellt mit der demokratischen Opposition, relativiert die Gefahr für Gesellschaft und Demokratie als auch die schmerzhaften Lehren aus unserer Vergangenheit", sagte Saleh am Samstag dem rbb.

"'Nie wieder' heißt: Nie wieder Faschismus. Nie wieder Rechtsextremismus. Und diese Worte bedeuten nichts ohne die entsprechende Haltung. Und diese Haltung lässt Spahn fahrlässig vermissen", so Saleh, der auch Vorsitzender der Berliner Enquete-Kommission gegen Rassismus ist.

Seit der Bundestagswahl ist die AfD zweitstärkste Kraft hinter der Union. Spahn hatte sich dafür ausgesprochen, bei organisatorischen Fragen im Bundestag mit der AfD so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien auch - etwa bei Abläufen im Parlament oder Verfahren in der Geschäftsordnung. [….]

(RBB, 12.04.2025)

Die mit Rechtsextremisten sympathisierenden Kräfte in der CDU nehmen stark zu und werden durch die Koalition mit einer angeblich so gut verhandelnden SPD immer unzufriedener. Spahn könnte ihre Beruhigungspille werden.