In ihrem SPIEGEL-Kommentar attestierte Sara Sievert dem CDU-Doppel-Chef, er schade mit seinem AfD-Kurs nicht nur ihm selbst, sondern auch den beiden Parteien, denen er im Bundestag vorsitzt.
Eine Analyse, der ich nicht zustimme. Ja, Merz schadet in moralischer und ethischer Hinsicht der CDU, aber da ist nach Maskendeals, Parteispendenaffären, hunderten rechtsextremer Ausrutscher und demonstrativer Verweigerung konstruktiver Politik ohnehin kaum noch Fallhöhe vorhanden. Friedrich Merz hetzt inzwischen im Wochentakt braunrechts-blinkend. Der Aufschrei in liberalen Medien und linken Social-Media-Blasen erfolgt auch wie gewollt, jedes Mal zuverlässig. Aber es empören sich diejenigen, die ohnehin nicht CDU oder AfD oder CSU wählen würden.
Der xenophobe Blackrock-Millionär hingegen, generiert Medienaufmerksamkeit und sammelt demoskopische Punkte.
Bei Wahlen scheint also kein Schaden zu entstehen.
[….] Schon wieder fischt Friedrich Merz mit missverständlichen Aussagen zu Migranten am rechten Rand nach Stimmen. Damit schadet er nicht nur sich selbst, sondern der gesamten Union.
Das neue Jahr ist kaum zwei Wochen alt, da sorgt Friedrich Merz schon wieder für Aufregung. Als es am Dienstagabend in der Sendung Markus Lanz um die Ausschreitungen in der Silvesternacht geht, wettert der CDU-Chef: »Wir sprechen hier über Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben«. [….] Friedrich Merz hält die Söhne von Migranten (es geht um Grundschulkinder) also für »kleine Paschas«. Und er macht kein Geheimnis daraus, dass er vor allem auf Menschen aus dem arabischen Raum abzielt, wo, wie Merz sagt, »auch Autoritäten nicht akzeptiert werden« und »auch religiöse Gründe eine Rolle spielen«. Wirft der CDU-Vorsitzende hier Kindern mal eben pauschal vor, nicht integrationsfähig zu sein, sobald sie einen arabischen Hintergrund haben? Ob gewollt oder nur unvorsichtig formuliert: Diese Aussage ist pauschalisierend und bedient rassistische Vorurteile. [….] Der CDU-Chef führt sich selber auf wie ein beratungsresistenter Pascha innerhalb der Partei. [….] Dass es sich bei Merz´ Aussagen in der Talkshow von Markus Lanz um ein Versehen gehandelt hat, kann man kaum noch annehmen. [….] Die Lernfähigkeit ist eine wichtige politische Kernkompetenz. Wer wiederholt ins gleiche Fettnäpfchen tritt, rote Linien übertritt und mit Ressentiments von gestern auf Stimmenfang geht, so wie Merz es dieser Tage tut, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann vermutet wird, dass es Absicht ist. [….]
(Sara Sievert, SPON, 11.01.2023)
Der Sauerländer Trump schadet genau wie sein orangehäutiges Vorbild der heimischen Wirtschaft, sät Unfrieden in der Bevölkerung und heizt gewalttätige Übergriffe gegen Minderheiten an.
Aber so wird man in Talkshows geladen und vom Urnenpöbel zum Wunsch-Regierungschef erkoren.
Der permanente AfD-Sprech aus dem Mundes des Oppositionsführers birgt allerdings auch Nachteile. So entwickelt sich beispielsweise eine allgemeine Abstumpfung, die jetzt schon dazu führt, daß Fritze Merz zwischen gelangweilten Mit-Diskutanten in Talkshows ausländerfeindliche Klopfer fallen läßt, für die man ihn vor zehn Jahren noch aus dem Studio gejagt hätte.
Statt einer (verdienten) sofortigen blutigen Nase, holt sich der CDU-Führer nun aber eher Schulterzucken.
Geächtet auf politischer Bühne wird Friedrich Merz keineswegs. Zu seinem Bedauern. Denn sonst hätte er einen willkommenen Anlass, das BILD-TV-Lieblingsthema „Wokeness Wahnsinn“ aufzugreifen und gegen die „Cancel Culture“ zu wettern.
Stattdessen muss er nun immer eine Schippe drauflegen.
Das wiederum animiert, die Demokratie-indolenten Landesverbände der DDR-CDU immer freier zu drehen.
Der Thüringer CDU-Bundestagskandidat Hans-Georg Maaßen vertritt inzwischen so offen rechtsradikale antisemitische Verschwörungstheorien, daß ihn sogar der ultrakonservative C.H.Beck-Verlag rauswarf.
[….] Nach Kritik wegen politischer Äußerungen ist der Rechtswissenschaftler und Verschwörungsideologe nicht mehr Kommentator des Grundgesetzes bei dem juristischen Verlag. [….] "Hinsichtlich der Person und der öffentlichen Äußerungen von Dr. Maaßen entstand jedoch eine heftige Diskussion mit fortschreitender Polarisierung, bei der sich die unversöhnlichen Positionen verselbständigt haben."
Der frühere Verfassungsschutzpräsident Maaßen tritt heute als wütender Frühpensionär auf, er ist bekannt für extreme politische Äußerungen, umgibt sich mit Verschwörungsideologen und teilt Forderungen nach einem Covid-Impfverbot. Und bei C.H. Beck konnte er unterdessen Richterinnen und Richtern in seinem Kommentar erläutern, was höchste Gerichte zum Verfassungsrecht befinden. Er war ausgerechnet zuständig für die Grundgesetz-Artikel 16 und 16a - das ist das Grundrecht auf Asyl. [….]
In der Ost-CDU, die zu AKKs Zeiten zusammen mit dem Faschisten Bernd Höcke einen Ministerpräsidenten gewählt hatte, gibt es aber noch mehr dieser Großsprechern aus der Klärgrube. Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen sind besonders AfD-affin.
[….] "Der Ministerpräsident hat das Thema und die eigene Fraktion unterschätzt", urteilt Katja Pähle, Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten. "Es gibt eine Gruppe innerhalb der CDU, die keine Berührungsängste mit der AfD hat." Die Sozialdemokraten drohen mit einem Sonderparteitag zum Fortbestand der Koalition, sollte die CDU bei ihrem Nein bleiben. [….] Da gebe es eine pyromane Landtagsfraktion, deren Vertreter aus Überzeugung oder mindestens strategischem Eigeninteresse die Nähe zur AfD suchen, selbst wenn dafür das Heiligste zu opfern ist, der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Das klingt auch deswegen zunächst plausibel, weil die CDU in Sachsen-Anhalt mit so vielen Sonderbarkeiten aufgefallen ist, dass sich ein ganzes Vorgeschichtsbuch schreiben ließe. Es gab den Fall des CDU-Kreisvorstands Robert Möritz, dessen rechtsextreme Vergangenheit in Form eines Tattoos zutage trat. Da ist der CDU-Fraktionsvize Lars-Jörn Zimmer, der in einer "Denkschrift" das "Soziale mit dem Nationalen versöhnen" wollte. Kurz nachdem in Thüringen der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gekürt wurde, sagte Zimmer in die Kameras des ZDF, dass er eine CDU-Minderheitsregierung mit Tolerierung der AfD generell für "absolut denkbar" halte. [….]
Aber auch die braunen Brandenburger, die sich mit General Schönbohm (1998 bis 2007 Landesvorsitzender der CDU, sowie 1999 bis 2009 Landesinnenminister) den ersten Ultrarechtsaußen nach 1990 als Führer ins Nest holten, haben einige Knallchargen zu bieten.
[….] Die Brandenburger CDU-Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig hat sich [….] mit der Wortwahl [….] vergriffen. [….]
Die Wirtschaftspolitikerin hatte auf Twitter als Reaktion auf ein weitergeleitetes Zitat des Potsdamer Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber unter anderem geschrieben: »Faschismus im grünen Antlitz! Damit wird sichtbar, was diese Ökofaschisten tatsächlich wollen.« [….] Klimaforscher Schellnhuber hatte vorgeschlagen, jedem Mensch im Jahr nur drei Tonnen CO₂-Verbrauch zu gestatten – ein höherer Bedarf müsse käuflich erworben werden.
Die Grünen, in Brandenburg einer der Koalitionspartner der CDU, zeigten sich angesichts der Äußerung Ludwigs irritiert. »Prof. Schellnhubers Vorschlag mag polarisieren, aber Saskia Ludwigs geschichtsvergessene Entgleisung ist ein widerlicher Versuch, zu provozieren und am äußeren rechten Rand zu fischen, ohne an die Opfer des Faschismus zu denken«, schrieb Grünen-Landeschefin Julia Schmidt bei Twitter. [….]
Die völkischen Geister, die er rief, wird Merz nun nicht mehr los.
Zu seinem Glück und Deutschlands Pech will er das aber auch gar nicht.