Samstag, 7. Juli 2018

Migrationen


Immerhin einen Konsens gibt es wohl bei dem leidigen Thema Einwanderung.
So wie es Ende der 1950er, in den 1960ern und Anfang der 1970er gehandhabt wurde, also möglichst viele billige Arbeitskräfte für miese Jobs in der deutschen Industrie anzuheuern und zu glauben man müsse sich um gar nichts weiter kümmern, funktioniert es nicht.

Wer hätte das auch ahnen können? Da kam doch tatsächlich auch echte Menschen aus Italien und der Türkei. Das waren gar keine primitiven Roboter, die man nach Belieben ein- und absetzen konnte.
In den Jahrzehnten, die sie an deutschen Werkbänken, in deutschen Kohlegruben oder in deutschen Großküchen „schafften“, hatten sie neben ihrer Nettoarbeitszeit auch noch private Leben. Donnerschlach!
Offenbar hatten Politiker aller Parteien, Kirchen und Firmenbosse angenommen, so ein Anatolier verfalle nach neun Stunden am Fließband in Starre, könnte bedürfnislos in einem Schrank abgestellt werden bis zum nächsten Morgen.
Wer hätte gedacht, daß diese Typen auch Frauen haben, Kinder bekommen, irgendwas essen, irgendwo wohnen wollen und womöglich sogar mal krank oder gar alt werden? Da ist so ein ungelernter Arbeiter gerade mal 40 Jahre in Deutschland und dann stellt man erstaunt fest, daß der schon Wurzeln geschlagen hat und möglicherweise gar nicht mehr in die Osttürkei zurück will, nur weil der Rest seiner Familie auch in Deutschland lebt. Also sowas!

In den 1990er Jahren, als der endlose Kohl, von 1990 bis 1998 mit einer Bundesministerin namens Angela Merkel zusammen regierte, wurde mit anderen Augen auf Migranten geblickt.
Sie waren nun endlich keine bloßen billigen Arbeitskräfte ohne Rechte und Bedürfnisse mehr, sondern etwas viel besseres: CDU-Stimmvieh.
Kohl, Merkel und die CSU schickten Staatssekretär Waffenschmidt in die ehemaligen Sowjetrepubliken, um im großen Stil Einwanderer anzuwerben.
Integrationsprobleme gab es nicht, da sie am ersten Tag in Deutschland einfach den deutschen Pass erhielten und damit das Thema erledigt war. (Ich habe nach einem halben Jahrhundert immer noch keinen deutschen Pass!)

[…..] Zwischen 1950 und 2016 wanderten mehr als viereinhalb Millionen Menschen im Rahmen des (Spät-)Aussiedlerzuzugs nach Deutschland ein (4.529.758) – davon zweieinhalb Millionen seit 1990. Im Mikrozensus 2016 gaben 3,2 Millionen zugewanderte Deutsche (einschließlich zeitgleich eingereister Ehegatten und Kinder) an, mit dem Aussiedler- bzw. Spätaussiedlerstatus nach Deutschland eingereist zu sein. Die meisten (Spät-)Aussiedler kommen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (2016: 1,5 Mio.) – darunter vor allem aus Kasachstan (582.000) und aus Russland (580.000). Daneben sind Polen (642.000) und Rumänien (223.000) wichtige Herkunftsländer. [….]

Allein im Jahr 1990 holte Kohl 400.000 sogenannte „Spätaussiedler“ nach Deutschland und machte sie sofort zu Deutschen.
Insbesondere vor den Bundestagswahlen 1994 und 1998 ließen Kohl, Merkel und Weigel die Werbetrommeln schlagen.

[….] Im Vorfeld der Bundestagswahl 1994 wurden die Russlanddeutschen vom damaligen Aussiedlerbeauftragten Horst Waffenschmidt (CDU) gezielt angeworben, in die Bundesrepublik zu ziehen; eine parteipolitisch und wahlkampfstrategisch motivierte Maßnahme, die selbst von der Schwesterpartei CSU intern kritisiert wurde, laborierte man doch paradoxerweise gleichzeitig an einer Einschränkung des Asylrechts. [….]

[….] Mit einer gezielten Werbekampagne unter Hunderttausenden Aussiedlern, vor allem unter Rußland-Deutschen, will die CDU zusätzliche Stimmen gewinnen. Der CDU/CSU-Bundestagsfraktion präsentierte der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Horst Waffenschmidt, am vergangenen Dienstag eine Hochglanz-Broschüre mit "Informationen für Aussiedler" auf deutsch und russisch ("Wir sind an Ihrer Seite"). Darin verspricht die CDU den "lieben Landsleuten", sie werde dafür sorgen, "daß auch weiter Aussiedler zu uns kommen dürfen" und daß das "Tor nach Deutschland offen bleibt". [….]

Daß diese Millionen Menschen zum großen Teil kaum deutsch konnten, daß sie auch irgendwo wohnen und arbeiten mussten, interessierte keinen in der CDU/CSU/FDP-Bundesregierung bis 1998.

Gerd Schröder, der Vielgescholtene, begann die rotgrüne Bundesregierung mit einer Vielzahl richtiger und notwendiger Vorhaben.
Dazu gehörte von Anfang an die Entrümpelung des anachronistischen deutschen Blutrechts, das durch ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht ersetzt werden sollte. Außerdem setzte der Bundeskanzler die CDU-Politikerin Süßmuth ein, um mit vielen Experten ein sinnvolles Einwanderungsgesetz zu konstruieren.
Es entstand eine Vorlage, die von nahezu allen Seiten Lob erhielt. Arbeitgeber, Kirchen, Gewerkschaften, Juristen, Migrationsexperten, SPD, Grüne und Journalisten unterstützten den Plan.
Das Ergebnis ist bekannt. Die neue CDU-Generalsekretärin Angela Merkel trat gemeinsam mit Roland Koch im Januar 1999 die „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben“-Unterschriftenkampagne los und machte so massiv xenophobe Stimmung, daß das rotgrüne Hessen an die CDU fiel.
Das Zeitfenster war zu. Seitdem hatten rot und grün nie wieder eine Mehrheit im Bundesrat und Bundestag gleichzeitig. Seit nun fast 20 Jahren blockieren CDU und CSU ein modernes Staatsbürgerschafts- und Einwanderungsrecht.
Aber dafür engagieren sich die C-Parteien intensiv dafür möglichst viele Menschen in Not im Mittelmeer zu töten. Allein im Juni 2017 krepierten 629 auf See, während Deutsche alles dafür tun, Seenotrettungshelfer zu kriminalisieren.

Groteskerweise wird aber der Arbeitskräftemangel in Deutschland gerade jetzt, während alle Parteien massiv daran arbeiten jede Grenze zu schließen so gravierend, daß ausgerechnet der fremdenfeindliche Hardcore-Minister Spahn einen Weg finden muss viele neue Arbeiter (in der Altenpflege) nach Deutschland zu holen.


@BMG_Bund pic.twitter.com/wHlUooVF0g
— Jens Spahn (@jensspahn) 7. Juli 2018

Nach Jahrzehnten ist der Erkenntnisgewinn beim ultrakonservativen Spahn immer noch nicht messbar.

Altenpfleger und Krankenschwestern aus Osteuropa sind für ihn immer noch keine menschlichen Wesen mit Rechten, sondern reine Manövriermasse, die man als Billigarbeiter für die Scheiße einsetzen kann, die kein Deutscher machen will.

Deutschland scheint sich darauf geeinigt zu haben, nur noch den reinzulassen „der uns nützt!“.
Also flexible, bedürfnislos, gut ausgebildete Arbeitsmigranten ohne Familie, die man auch jederzeit mit einem Arschtritt zurück schicken kann, wenn man sie nicht mehr braucht.

Dabei ist der „Braindrain“ für südeuropäische Länder auch eine ökonomische Katastrophe. Wenn spanische Ingenieure und griechische Ärzte in Deutschland arbeiten, ersparen sich die Chefs im Norden deren Ausbildungskosten.
Die armen Länder des Südens müssen also die teure universitäre Ausbildung bezahlen und werden dann doppelt gestraft und ausgenutzt, weil ihnen anschließend die qualifizierten Kräfte fehlen.

Was es für ein menschliches und soziales Leid bedeutet nach Spahns Gutdünken Osteuropäerinnen zur Versorgung deutscher Geronten einzusetzen, spielt erst Recht keine Rolle.
Sie werden schlecht bezahlt, bekommen keine Sicherheiten und werden von der CHRISTENPARTEI CDU auch noch genötigt ihre Familien auseinanderzureißen.

[…..]  Deutschland will noch mehr Pflegekräfte aus Südosteuropa holen. Meist Frauen. Was macht das mit den Männern?
[…..] Mit seiner Familie lebt Tomšić in Štitar, einem 2000-Seelen-Dorf in Kroatien. Er ist Vater von drei Kindern. Es gibt kaum Arbeit in dieser ländlichen Region. Mit dem Holz, das er im Wald fällt, verdient der 50-Jährige nichts, es sind Gefälligkeiten unter Dorfbewohnern. Hauptverdiener der Familie ist seine Frau Maria. Im 800 Kilometer entfernten Innsbruck arbeitet sie als Pflegekraft. Für vier Wochen lebt sie bei einer alten Dame, die sie pflegt, dann steigt sie wieder in den Zug nach Hause. Drei Wochen ist sie dort, dann muss sie wieder los. So geht es seit vier Jahren. Der kroatische EU-Beitritt hat es möglich gemacht.
Die Europäische Union ist für die Menschen hier im Landesinneren abstrakt, was sie von ihr mitkriegen, sind nur die Folgen. Das alte Problem Arbeitslosigkeit vermischt sich mit dem neuen Problem Abwanderung. Die Jugend verlässt die Heimat ganz, die Älteren werden zu Pendlern. Meistens sind es die Frauen, die gehen, um in Österreich oder Deutschland alte Menschen zu pflegen. So wie Maria.
Geht es nach den Plänen von Jens Spahn, sollen in Zukunft noch mehr Pflegekräfte aus Südosteuropa nach Deutschland kommen, und zwar nicht nur aus der EU, sondern auch aus Kosovo und Albanien. Dort gebe es, so der Bundesgesundheitsminister, ein hohes Potenzial an jungen Fachkräften.
Zurück bleiben die älteren Männer. So wie Zdravko. Und jede Menge leere Häuser. Seine Schwägerin arbeitet bei der Kommune. Sie sagt: Jedes zweite Haus im Dorf steht mittlerweile leer. Läuft sie durch das Dorf, zeigt sie mit dem Finger auf die Häuser, bei denen der Rollladen für immer unten bleibt. "Österreich. Deutschland. Deutschland. Schweiz." Ihr Zeigefinger wippt in der Luft, während sie auf die Fassaden deutet. "Eigentümer verstorben. Deutschland. Deutschland." Štitar ist ein Geisterdorf. […..] Während Maria weg ist, muss Tomšić den Haushalt übernehmen. Er hat gelernt zu kochen, zu waschen, zu bügeln - nur an das Einkaufen kann er sich nicht gewöhnen. […..][…..]