Donnerstag, 20. Juni 2019

Interessantes Timing


Das ist keine Kleinigkeit, wenn deutsche Politiker von rechten Terroristen ermordet werden.

  Rechte Terroristen morden seit Jahrzehnten in Deutschland, aber da ihre Opfer immer die Schwächsten der Gesellschaft sind – Behinderte, Schwule, Flüchtlinge, Farbige – bringt das im Vergleich zum RAF-Terrorismus kaum Medienaufmerksamkeit.
Die Linksextremisten haben damals zwar weniger Menschen ermordet, dafür aber sehr Reiche und Mächtige. Da stand das ganze Land Kopf.

Der NSU konnte hingegen über Jahre zehn Menschen ermorden, ohne daß irgendein Innenminister oder Polizeichef sich veranlasst fühlte zu handeln. Und das obwohl V-Leute offensichtlich sehr nah an den Tätern dran waren.

Ich erinnere mich noch sehr gut an die allgegenwärtigen Fahndungsplakate mit den 12 Top-RAF-Terroristen. Die Bilder waren überall, hingen in den 1970ern und 1980ern auf jedem Postamt.

Rechtsextreme kommen hingegen nur schwer auf Fahndungslisten, da staatliche Stellen oft in einer Gedankenwelt des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen leben. Rechtsradikale werden von ihnen nicht als solche erkannt. Rechtsextremistische Tatmotive ignoriert und rechtspopulistische Parteien wie die AfD sogar noch kostenlos beraten.


Weniger toxische Nazis werden zwar mit Haftbefehl gesucht, aber offenbar nicht allzu intensiv.
Hunderte von ihnen laufen frei rum.

[….] Bundesweit gab es im vergangenen Herbst über 600 noch nicht vollstreckte Haftbefehle gegen Mitglieder der rechten Szene. Das teilte das Bundeskriminalamt (BKA) mit. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr mehr als 175.000 Menschen in Deutschland mit Haftbefehlen gesucht - offene Haftplätze in Gefängnissen gibt es aber kaum. […..]

Wenn konservative Politiker selbst zu Opfern rechtsextremer Taten werden – und das ist schließlich nicht neu, man erinnere sich an den Anschlag auf die Kölner Bürgermeisterin Henriette Reker am 17.10.2015 – können aber auch CDUler kaum noch schweigen.

   (…..) Vor über zwei Wochen, am 03.06.2019 wurde der bekannte CDU-Politiker und Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke erschossen. Seit einigen Tagen weiß man, daß es sich um einen rechtsextremen Mordanschlag handelte.
Wenn Politiker in Amt und Funktion von extremistischen Terroristen ermordet werden, ist das eine ganz ganz große Sache, die tout Deutschland beschäftigt. (…..)

Der ehemalige CDU-General und jetzige Staatssekretär Tauber reagierte recht deutlich auf Rechte, die Stimmungen anheizen, die zu solchen Taten führen – auch wenn es sich um Parteifreunde wie Max Otte handelt.

  […..] „Die politische Rechte kann man nicht integrieren oder einbinden“, schrieb Tauber, […..]. Die Gewaltbereitschaft von rechts nehme zu, das politische Klima habe sich verändert. „Erika Steinbach, einst eine Dame mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf Twitter“, so Tauber über seine frühere Parteikollegin. „Sie ist ebenso wie die Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes.“  

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel entgegnete: „Enthemmt ist offensichtlich Herr Tauber, der einen Mordanschlag dazu nutzt, um den politischen Mitbewerber auf tiefste Art und Weise zu diskreditieren.“ Und: „Wer gegen illegale Masseneinwanderung kämpft, ist kein Helfershelfer von Mördern. Er nimmt nur seine Rechte im demokratischen Meinungskampf wahr.“ […..]

Otte, um seine Parteimitgliedschaft fürchtend, distanzierte sich von sich selbst.
Frau Steinbach ist hingegen ohnehin schon auf den David-Berger-Zug aufgesprungen und hat das demokratische Spektrum verlassen.

Bemerkenswert ist aber wie schwer es der CDU-Führung fällt die rechtspopulistischen Abweichler in den eigenen Reihen einzufangen.
Taubers Nachfolger Ziemiak wird durchaus deutlich.

Juni 2019

Bei einer so fahrigen Parteichefin wie Kramp-Karrenbauer ist seine Autorität allerdings gering.

Der CDU-General kann die rechten CDUler des Beitrittsgebietes nicht auf Kurs bringen.

[…..] Ulrich Thomas, CDU-Fraktionsvize in Sachsen-Anhalt, hat eine neue Debatte über den Umgang seiner Partei mit der AfD ausgelöst. "Wir sollten eine Koalition jedenfalls nicht ausschließen. Stand jetzt ist sie nicht möglich - wir wissen aber nicht, wie die Lage in zwei oder fünf Jahren ist", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". In Sachsen-Anhalt wird 2021 ein neuer Landtag gewählt. Die AfD habe zwar viele radikale Politiker. Es gebe aber auch liberale Kräfte. "Wir müssen sehen, welche Strömung sich durchsetzt." […..]

Kurz nach der Ermordung eines CDU-Politikers, gegen den aus AfD-Kreisen gehetzt wurde, mahnt Ex-BuPrä Gauck zu Toleranz mit rechts.
Er ist nicht allein mit seinem AfD-Flirt. Auch das sehr aktive CDU-Mitglied Maaßen sieht es so und die Ost-Landesverbände kooperieren in den Parlamenten ohnehin schon mit den Angebräunten.



[…..][…..]  Die Partei ist zerstritten und fürchtet den Machtverlust. In drei Bundesländern - Sachsen, Brandenburg und Thüringen - stehen diesen Herbst Landtagswahlen an. Die CDU muss mit Verlusten rechnen, könnte gar hinter die AfD zurückfallen. […..] Der Stimmenverlust und die mangelnden Koalitionsoptionen bringen die Grundsatzfrage auf, wie es in der CDU nach der Ära Merkel weitergeht - und zwar vor allem, was den Umgang mit der AfD angeht.
Die zwei Fraktionsvizes im Magdeburger Landtag, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, machen sich mit einem internen Papier Luft über die verfahrene Situation. Das neunseitige Papier mit dem Titel "Denkschrift" liegt dem SPIEGEL vor.
 […..]      Angesichts der bevorstehenden Rezession müssten "Herkunft und Erhalt des Wohlstandes" wieder stärker thematisiert werden. Deshalb sei es an der CDU, das "Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen", schreiben sie. "Nationale Identität, Stolz und Heimatverbundenheit" seien die Grundlage der Gesellschaft. Man habe versäumt, die Sehnsucht nach Heimat nicht verteidigt zu haben.
    Die Flüchtlingspolitik der EU und des Bundes seien gescheitert. "Ungesteuerte Migration" habe eine "Zunahme an neuer brutaler Kriminalität" zur Folge. […..]

Der Effekt ist immer gleich: Je stärker sich die CDU an die AfD heranwanzt, desto schwächer wird die CDU und desto stärker die AfD.