Wir saßen in einer kleinen Gruppe mittags in einem Café
gegenüber des Instituts für anorganische Chemie, weil wir keine Lust hatten mit
den Massen in die Mensa zu gehen. Auf einmal klingelte Carstens Handy.
Natürlich drehten sich alle um und glotzen, weil es eins der ersten
Mobiltelefone war. Fast alle hielten das für völlig überflüssigen
Schnickschnack. Das sollte sich gar nicht erst ausbreiten und den Alltag
ruinieren.
Ich hoffte immer, Carsten würde das Ding im Spind lassen,
aber er vergaß es nie und so mußte man mit peinlichem Geklingel rechnen.
Weswegen er angerufen wurde, war uns freilich klar: Ein
Freier, der ihn zum Quicki abrief.
Ich bewunderte ihn für den offenen Umgang mit seiner Methode
das Studium zu finanzieren. Heute ist er Professor für makromolekulare Chemie
in den Niederlanden und wirkt mit Freienhäuschen und Familie wie ein Abziehbild
des Spießertums.
Damals war er ein höchstens durchschnittlich attraktiver
blonder, sehr dünner Junge, der aber stets den Schalck im Nacken hatte.
Wir hatten alle Jobs oder zumindest Nebenjobs. Während ich
aber um die zehn D-Mark in der Stunde verdiente, bekam Carsten 100 Mark für 30
Minuten; mindestens. Er brauchte nur drei bis vier dieser kurzen Dates in der
Woche, um gut über den Monat zu kommen.
Ich war sicher nicht der einzige, der ihn heimlich um das
leicht verdiente Geld beneidete, während man bei Studentenjobs für Zeitarbeitsagenturen
stumpfsinnig und sehr lange für ein paar Kröten jobben musste.
Einige Semester lang hatte ich eine Stelle als „STEP-Betreuer“
(STEP = Studieneingangsphase), das war schon quasi der Jackpot. Das dauerte
immer fünf Wochen zu Semesterbeginn Arbeit von 8.00 bis 17.00 Uhr, aber die Bezahlung
nach Stunden wurden bis zu den Semesterferien gestreckt, so daß man nach den
fünf Wochen auch ohne zu arbeiten monatlich ein paar hundert Mark bekam. Aber
die elf Stunden täglich waren durchaus mühsam, weil ich für die Sicherheit im
Labor für die Anfänger zuständig war. Das hieß die Augen überall zu haben,
während motivierte Schulabgänger beherzt Chemikalien zusammen gossen und mit
Wonne danach trachteten Büretten, Thermometer, Kühler und Pipetten so weit oben
anzufassen, daß sie unter der Hebelwirkung brachen und sich in die Hände
kreischender Erstsemester bohrten.
Während dieser fünf Wochen lag mein eigenes Studium
natürlich brach und ich geriet in enorme Zeitnot, während Carsten in Ruhe
seinen eigenen Aufgaben im Fortgeschrittenen-Labor nachgehen konnte.
Wäre ich doch nur nicht so verklemmt gewesen.
Zur Prostitution hatte ich schon immer ein entspanntes
Verhältnis, weil ich einerseits als Hamburger Jung natürlich den Anblick von
Straßenhuren gewöhnt war. Sie standen damals nicht nur auf der Reeperbahn,
sondern zum Beispiel auch an der heute todschicken durchgentrifizierten Langen
Reihe.
Noch heute bin ich davon überzeugt, daß das „älteste Gewerbe
der Welt“ nicht verbietbar ist und ärgere mich über die Kriminalisierung von
Nutten, während die über eine Million Freier in Deutschland pro Tag unbehelligt
bleiben.
Natürlich muß mit voller staatlicher Gewalt gegen
Zwangsprostitution und Kinderprostitution vorgegangen werden. Aber alles, das
auf freiwilliger Basis geschieht, geht niemand etwas an.
Ich verwende den Begriff „Prostitution“ auch weiter gefasst.
Modeln, traditionelle Ehen, Strippen, Tanzen, Schauspielern – vieles funktioniert nach dem Prinzip „Körper gegen Geld“. Wer, außer notgeilen Schwulen guckt bitte sehr Ringen?
Modeln, traditionelle Ehen, Strippen, Tanzen, Schauspielern – vieles funktioniert nach dem Prinzip „Körper gegen Geld“. Wer, außer notgeilen Schwulen guckt bitte sehr Ringen?
Noch 1997 stimmte die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion gegen
die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Sie waren der Meinung, der
Ehemann und Ernährer habe ein Recht darauf seine Frau zum Sex zu zwingen; diese
dürfe sich in der Ehe nicht verweigern. DAS nenne ich pervers. Noch heute
spricht man vom „Vollzug der Ehe“ wenn Geschlechtsverkehr gemeint ist.
(….) Verbot gemischtkonfessioneller Ehen, Frauenwahlrecht und
Homosexualität gab es ebenso wie die
legale Prügelstrafe, die Todesstrafe
und Folter noch bis ins 20., teilweise
sogar bis ins 21. Jahrhundert wird man verblüfft ausrufen.
Und mit unserer wunderbaren deutschen Verfassung durften Frauen weder ohne
Zustimmung des Mannes eine Arbeitsstelle annehmen, noch ein Konto eröffnen. Sie
durften sogar in der Ehe straflos vergewaltigt werden.
Wussten Sie, [….] dass eine Ehefrau
bis in die 50er Jahre hinein nicht ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten
durfte? Unglaublich, aus heutiger Sicht, dass wir diese Rechte erst seit ein
oder zwei Generationen besitzen. Denn für uns sind das Recht auf Arbeit sowie
das Wahlrecht mittlerweile selbstverständlich.
[….] Die Möglichkeit zu arbeiten und
selbst über das eigene Leben zu entscheiden war in der Jugend unserer Eltern
und Großeltern noch alles anderes als selbstverständlich. Großmutters Satz
"Das hätte es früher nicht gegeben!" ist in vielen Fällen leider
traurige Wahrheit.
So galt bis Ende der 50er Jahre das "Letztentscheidungsrecht" des
Ehemannes in allen Eheangelegenheiten. Und dieses Recht hatte es in
sich: Beruf, Führerschein, Kindererziehung, eigenes Geld und Konto - all das wurde
per Gesetz zu Gunsten des Mannes geregelt. So hatte der Ehemann das Recht, über
das Geld seiner Ehefrau frei zu verfügen. Und das betraf nicht nur ihr
Einkommen, sondern auch das Geld, das sie mit in die Ehe gebracht hatte. Frauen
konnten noch nicht einmal ein eigenes Konto eröffnen. Der Mann konnte sogar den
Job seiner Frau ohne deren Zustimmung kündigen.
Diesen Missständen wurde erstmals am
1. Juli 1958 begegnet, als das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und
Frau auf Grundlage des bürgerlichen Rechts in Kraft trat. Mit dem neuen Gesetz
wurden unter anderem die Vorrechte des Vaters bei der Kindererziehung
eingeschränkt. Es sollte jedoch noch bis
zum Jahr 1977 dauern, bis Frauen
ohne Einverständnis ihres Mannes erwerbstätig sein durften und es keine
gesetzlich vorgeschrieben Aufgabenteilung in der Ehe mehr gab.
[….] Frauen durften [….] bis 1958 nur dann ihren Führerschein machen,
wenn ihr Mann oder ihr Vater die Erlaubnis dazu erteilte.
(….) Auch aktuelle Koalitionspolitiker stimmten noch 1997 gegen das Verbot von Vergewaltigung in der Ehe,
weil sie offensichtlich der Ansicht waren, es wäre das natürliche Recht eines
Mannes die Frau sexuell zu penetrieren, auch wenn sie sich dagegen wehre.
25 Jahre sperrten sich CDU und CSU erfolgreich gegen die Strafbarkeit von
Ehefrauen-Vergewaltigung. Erst 17 Jahre nach einer entsprechenden UN-Konvention
folgte das deutsche Parlament.
Am 15. Mai 1997 stimmten von den
anwesenden 644 Abgeordneten 471 für den Gruppenantrag und 138 dagegen, 35
enthielten sich der Stimme.
Alle Abgeordneten der Linken, der Grünen und der SPD stimmten für Ulla
Schmidts Gruppenantrag.
Die Unions- und FDP-Politiker, die weiterhin Männer straflos sexuelle Gewalt anwenden lassen wollten
waren: (……..)
Richtigerweise konnten Rot und Grün diese Form der
Zwangsprostitution unter Strafe stellen.
Die sozialen Medien haben sich partiell zu einem echten
Problem für Zuhälter entwickelt, da sie überflüssig werden, wenn Huren und
Callboys sich selbst vermarkten können.
Ein großer Teil des Sex-Geschäftes ist in die virtuelle Welt
abgewandert. Das ist zu begrüßen, weil es die Anbieter vor Gewalt und
Krankheiten schützt.
Es liegt aber in der Natur der Sache, daß nicht alle Freier
auf den realen physischen Kontakt verzichten wollen.
Aber Corona ist ein schwerer Schlag für das Geschäft.
Unter den selbstständigen Nutten herrscht nun bittere Not.
[….] Die Sex-Branche ist vom Corona-Lockdown schwer getroffen: Seit zwei
Monaten dürfen Prostituierte wegen der Corona-Maßnahmen nicht arbeiten. Mit
einem Hygienekonzept soll sich das nun ändern.
[….] Laut des Verbands würden gerade in der Sexarbeit viele von der „Hand in
den Mund“ leben und kaum Rücklagen haben. Das sorgt dafür, dass viele
Beschäftigte schon von Armut betroffen sind. Mit dem entwickelten
Hygienekonzept fordert der Verband nun die Gleichbehandlung von Sexarbeit mit
vergleichbaren körpernahen Dienstleistungen, wie beispielsweise
nichtmedizinische Massagen. [….]
Das Internet bietet anderseits auch für Gelegenheitsprostituierte
Alternativen.
Ein Glück für alle Jungen und Schönen.
Ein Glück auch, daß ich inzwischen alt und häßlich bin und
daher nicht darüber nachdenken muss, ob „Onlyfans“ für mich als Zusatzverdienst
in coroanbedingten finanziellen Engpässen moralisch in Frage käme.
[….] Die grassierende Arbeitslosigkeit treibt immer mehr junge Frauen dazu,
Nacktbilder von sich zu verkaufen.
[….] Die Plattform Onlyfans [macht] brachliegendes
Potenzial nutzbar: Auf der Seite, die von einem ehemaligen Investmentbanker
gegründet wurde, geht es darum, eigene Nacktbilder zu verkaufen. Auf Onlyfans
kann sich jeder ein Profil einrichten, seinen Körper fotografieren und für die
Bilder einen Preis festlegen. [….] Eine
der erfolgreichsten unter ihnen sagte der amerikanischen Elle kürzlich, die
Plattform sei so etwas wie "der Bauernmarkt der Pornografie": Das
Produkt gehe vom Erzeuger direkt an den Verbraucher.
[….] Die grassierende
Arbeitslosigkeit in den USA im Zuge der Corona-Krise hat nun allerdings auch
hier Entwicklungen beschleunigt, die sich schon vorher abzeichneten. Zum einen
sind die Nutzerzahlen in die Höhe geschossen. Und zum anderen wird die Website
überschwemmt von Anfängerinnen, die den Profis die Abonnenten streitig machen.
Gerade Frauen, die ihren Lebensunterhalt bislang als Influencerinnen
bestritten haben, eröffnen nun Onlyfans-Accounts, weil sie für das Influencen
in der Regel angewiesen sind auf glitzernde Strände und Hotelfoyers, diese aber
bis auf Weiteres geschlossen sind. Zumindest das Kokettieren mit der Plattform
ist im englischsprachigen Raum zu einer Art dunkler Stilübung geworden. Als
Beyoncé die Plattform kürzlich in einem Song erwähnte, zählte das Unternehmen
einen Anstieg der Nutzerzahlen von 15 Prozent. [….]
Skeptisch bin ich allerdings, ob das
Prostitutionsprinzip, das ganz grundsätzlich natürlich auch für die Politik
gilt, im engeren körperlichen Sinne auch parteipolitisch nutzbar ist.
Die heute in den rechtsextremen Sumpf abgedriftete CDU-Frau Vera
Lengsfeld konnte damit keine Erfolge feiern.
Ihr CDU-Landesverband Berlin versuchte es diese Woche erneut
mit plumpen sex-sells Methoden.
Ihr neues Logo imitiert das der Porono-Plattform „Pornhub“.
Ob das beim Wähler zieht?
[….] Pornhub oder doch CDU-Werbung?
Die Farbe Orange und die CDU - das war schon immer eine recht
vertrackte Angelegenheit. Als sich die Bundespartei 2005 mit dieser Farbe
zierte, war die Kritik vernichtend: Altbacken wirke das und billig noch dazu.
Vor zwei Jahren wechselte die CDU Deutschlands ihre Farben wieder schleichend
zum Schwarz-Rot-Gold, vor allem, um den Rechtspopulisten die Nationalfarben
nicht zu überlassen.
[….]
Dafür schmückt sich nun seit Anfang der Woche die Berliner CDU mit dem
Orange. [….] Das neue Logo, Orange
auf Schwarz, ist Teil einer umfassenden Imagekampagne mit dem Titel
#aufgehtsberlin. "Wir erfinden uns gerade neu", sagte Wegner bei der
Präsentation. [….] Dabei sind die
Christdemokraten nun vielleicht etwas übers Ziel hinausgeschossen. Aufmerksame
Twitternutzer haben jedenfalls eine kuriose Parallele bemerkt - zum Portal von
Pornhub, einem der größeren Anbieter von Sexfilmen im Internet. Die Ähnlichkeit
ist tatsächlich frappierend: von der Farbgebung, Orange auf schwarzem Grund,
bis hin zur schnörkellosen Schrift. [….]