Mittwoch, 18. Februar 2015

Zwischen Pest und Cholera.



Die Hamburger Wirtschaft will nicht Rotgrün regiert werden.
Ich auch nicht.
Deswegen hatte die Hamburger Wirtschaft eindringlich dazu aufgerufen SPD zu wählen.
Ich auch.
So wollte die Hamburger Wirtschaft eine rote Alleinherrschaft erreichen.
Ich auch.
Jetzt ist die Hamburger Wirtschaft unzufrieden mit dem Wahlergebnis.
Ich auch.
Daher drängt die Hamburger Wirtschaft Olaf Scholz Rot-Gelb zu machen.
Ich nicht!

Angesichts der verpassten absoluten Mehrheit bei der Bürgerschaftswahl hat der Hamburger Unternehmerverband AGA Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) davor gewarnt, in einer Koalition den wirtschaftsfreundlichen Kurs zu verlassen. In einer Umfrage unter den 3500 Mitgliedsunternehmen aus dem Groß- und Außenhandel sprechen sich nur 15 Prozent für die von Scholz bevorzugte rot-grüne Regierung im Rathaus aus. 19 Prozent wünschen sich eine SPD-CDU-Koalition. Fast zwei Drittel (63 Prozent) favorisieren einen neuen Senat von SPD und FDP. Vor der Wahl hatte sich die AGA öffentlich für eine weitere Alleinregierung von Scholz ausgesprochen.

Die Bundes-SPD mit ihrem Vize-Bundesvorsitzenden Olaf Scholz möchte hoffentlich irgendwann auch mal wieder den Bundeskanzler stellen und die CDU in die Opposition schicken.
Da wäre es taktisch außerordentlich kontraproduktiv, wenn es ausgerechnet die SPD wäre, die der fast schon gestorbenen FDP zur Wiederbelebung verhilft, indem sie die inhaltsleere Lobbypartei in eine Landesregierung und damit auch wieder in den Bundesrat holt.
Das wäre gewaltige Wahlkampfmunition für Lindner und seine Hepatitisgelben.
Riskiert Scholz schuld daran zu sein, daß 2017 womöglich die FDP wieder in den Bundestag kommt, damit erneut Schwarzgelb ermöglicht und so die SPD in die Opposition schickt?

Daß Hamburg die Pin-Up-Partei Sudings wieder ins Landesparlament schickte, lag wahrlich nicht an der politischen Arbeit der FDP, sondern an einer extrem ungewöhnlichen Konstellation, in der die CDU nur verlieren konnte und massenhaft geneigte CDU-Wähler wußten sie würden ihre Stimme verschenken, wenn sie bei ihrer Partei ankreuzen. Da hatten sie mehr Hoffnung der SPD die absolute Mehrheit zu versauen, indem sie die Politleiche FDP beatmeten.
(Schön doof, denn nun gibt es vermutlich rot-grün, was ihnen noch weniger gefallen wird als SPD pur.)

Man kann sich als vernünftiger Mensch aber auch nicht Rot-Grün wünschen, weil die CDU-Liebchen bei den Grünen – Jens Kerstan, Till Steffen und Katharina Fegebank dann mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder in den Senat kommen.

So sehr ich einst ein Verfechter von Rot-Grün war und das auch im Bund (mangels Alternative) eindringlich befürworte, so kontinuierlich zunehmend bekomme ich stärkere Bauchschmerzen bei der Grünen-Performance seit dem Herbst 2013.
Der Abgang Trittins zu Gunsten der frommen Kathrin Göring-Kirchentag und dem langhaarigen Brejvik-Double Hofreiter, hat sich inzwischen klar als Katastrophe erwiesen.

Die ebenfalls im Herbst 2013 eingegangene Allianz der Hessen-Grünen mit der braunschwarzen Wiesbadener CDU offenbart die ganze Erbärmlichkeit der einstigen Öko-Partei.
Sogar das ureigenste Grünen-Thema, die Atompolitik ordnen die Hessen ihrer CDU-Liebe unter.
Einer der größten Skandale der Bundesrepublik, nämlich das über Dekaden durchgehaltene Gekungel zwischen Politik und Atomkonzernen, die alle Risiken auf die Umwelt und den Steuerzahler auslagerten (ASSE! GORLEBEN!) während sie Jahr für Jahr viele Milliarden Gewinn einstrichen, erfährt gerade seine Fortsetzung, indem das CDU-Atomministerium unter Norbert Röttgen offenbar bewußt den Atomausstieg von dem Atomlobbyisten Hennenhöfer so formulieren ließ, daß das deutsche Atomoligopol jetzt Milliardenentschädigungen verlangen kann. Vattenfall verklagt bekanntlich bereits die Bundesrepublik vor einem der dubiosen Schiedsgerichte, welche TTIP für alle Branchen einführen will.

Hennenhöfer kennt Ihr nicht? Macht nichts, erklär‘ ich Euch:

Ein bißchen hatte Röttgen im Vorfeld aber doch an der Laufzeitverlängerung der Uralt-Atomkraftwerke „mitgewirkt“ indem er Wolfgang Renneberg, Atomexperte und 2005-2009 Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Umweltministerium feuerte.
Er fand eine tolle Alternative für Renneberg.

Umweltminister Röttgen berief mit Gerald Hennenhöfer einen fanatischen Atomlobbyisten zum Chef für die Reaktorsicherheit.
Hennenhöfer war schon 1994 bis 1998 der engste Mitarbeiter einer gewissen Ministerin namens Merkel, als die warnenden Gutachten zu Atommüllendlagern so gefälscht wurden, daß die vollkommen ungeeignete Anlagen zur Freude der Atomlobby zu tickenden Zeitbomben auf Milliardenkosten des Steuerzahlers verkamen.
Merkels Nachfolger Jürgen Trittin tat das einzig Richtige - er feuerte Hennenhöfer auf der Stelle.
Merkels persönlicher Atomwahrheitsmanipulator fiel allerdings weich und wurde Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik beim Münchner Energiekonzern Viag, der im Jahr 2000 mit der Veba zum Stromriesen Eon verschmolz.
Als Anwalt verteidigte der Atommafiosi das Helmholtz-Zentrum München (Betreiberin des umstrittenen Versuchsendlagers Asse II) gegen Bürgerinitiativen.

Offensichtlich handelt es sich bei dieser Personalie auch schlicht und ergreifend um einen Witz - ich weiß gar nicht, was sich die Opposition so aufregt.

„Das ist fahrlässig und abenteuerlich”, giftete [...] Röttgens Vorgänger und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Durch die Ernennung des „Lobbyisten der Atomwirtschaft” sei die „freundliche Maske” Röttgens gefallen. Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn schimpfte: „Mit der Ernennung eines Atomlobbyisten zum Verantwortlichen für Reaktorsicherheit macht Röttgen den Bock zum Gärtner.” Tobias Münchmeyer, Atom-Experte bei Greenpeace, bezeichnete Hennenhöfer als „altbekannten Atom-Hardliner”. Ihn zum obersten Strahlenschützer zu machen sei, als „hätte man Manfred Kanther zum Integrationsbeauftragten der Bundesregierung ernannt”.

Wer aber vor drei Jahren dachte nun sei wirklich der Gipfel der Dreistheit erreicht, irrte.
Hennenhöfer wird von den Politikern, die seine Verbände mit Millionen unterstützen weiter nach oben durchgereicht.

Gerald Hennenhöfer wechselt hin und her zwischen Staat und Industrie. Nun ist der ehemalige Eon-Manager zu Europas mächtigstem Atomaufseher geworden. […] Es kommt nicht häufig vor, dass Tausende Menschen gegen einen Abteilungsleiter in einem Bundesministerium unterschreiben. Es kommt auch nicht häufig vor, dass Bundestagsabgeordnete mehr über diesen Abteilungsleiter wissen wollen und dazu einen zwölfseitigen Fragekatalog an die Regierung richten.
Dieser Abteilungsleiter heißt Gerald Hennenhöfer, ist zuständig für die Sicherheit deutscher Atomreaktoren und bekannt für seine mehrfachen Seitenwechsel: Atomaufsicht, Atomkonzern, Atomaufsicht. Jetzt überwacht er wieder jene Industrie, die ihn einst bezahlte. Die SPD-Umweltpolitikerin Ute Vogt bezeichnet ihn als „Chefverwalter der deutschen Atomlobby“.
Vor wenigen Tagen ist der 65-Jährige zum obersten Strahlenschützer der Europäischen Union geworden, oder korrekt: zum Vorsitzenden der Gruppe der Leiter der europäischen Atomaufsichtsbehörden. Am Dienstag und Mittwoch wird er zum ersten Mal eine Konferenz der Gruppe leiten.
Der Bock als Gärtner
Umweltschützer sind empört. Von einem „politisch verhängnisvollen Signal“ spricht etwa Jürgen Trittin von den Grünen. „Der Bock ist als Gärtner nicht weniger ungeeignet, wenn ganz Europa zu seinem Garten wird.“ Trittin hat eine besondere Beziehung zu Hennenhöfer: Als der Grünen-Politiker 1998 zum Umweltminister wurde, schmiss er den Abteilungsleiter raus. Mit ihm sei der Atomausstieg nicht durchsetzbar gewesen, sagt Trittin heute.
Hennenhöfer jedoch ließ sich sein Fachwissen vergolden und wechselte zum Energiekonzern Viag, der später zu Eon wurde. Als „Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik“ saß Hennenhöfer fortan auf der anderen Seite der Verhandlungen über das Ende der Atomenergienutzung.
[…] Die Initiative [Lobbycontrol] nennt Hennenhöfer in ihrem Online-Lexikon LobbyPedia. Dort steht, er „verkörpert wie kaum ein anderer in Deutschland das Prinzip Drehtür“. LobbyControl fordert eine dreijährige Auszeit für Politiker und Spitzenbeamte, die in die Wirtschaft wechseln. Dass Hennenhöfer nun auch zu Europas oberstem Atomaufseher geworden ist, stößt bei LobbyControl-Expertin Heidi Bank auf Unverständnis.

So läuft das unter der Führerschaft der Deutschen allerliebsten Kanzlerin:
Wer Geld hat und den käuflichen Dienstleister Bundesregierung bezahlen kann, bekommt auch die entsprechenden Gesetze.

Der Hennenhöferskandal ging immer weiter.


Und was machen die Grünen in Hessen, die jetzt in einer Koalition mit der CDU sitzen, die den Atomkonzernen zu Ungunsten der Steuerzahler die Gesetze formulierten?
Sie wenden sich gegen die Bundesgrünen und blockieren eine Aufklärung, um ihre geliebte konservative Roland-Koch-Bouffier-CDU zu schützen.
Das ist ihnen wichtiger als der Atomausstieg.

 „Die politischen Reaktionen auf den Skandal sprechen übrigens eine ganz eigene Sprache. Während die Grünen im Bundestag jetzt sogar über einen Untersuchungsausschuss nachdenken, wollen die Grünen in Hessen von einem Skandal nichts wissen. Klar, da sitzt man auch in der Regierung, gemeinsam mit Volker Bouffier. Was tut man nicht alles für den Machterhalt?“

Auch beim zweiten Megaskandal der schwarzbraunen Hessen-CDU („Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“) wird von den Grünen vertuscht.


Schwarz-grüne Nebelkerzen
Ein Untersuchungsausschuss in Wiesbaden soll den NSU-Skandal aufklären. Aber dafür interessieren sich die dortigen Koalitionspartner nur bedingt.
[….] Die Stimmung im Innenausschuss des Wiesbadener Landtags war geladen. Der Vorfall sei „eine Katastrophe“, warnte ein FDP-Abgeordneter. Der grüne Oppositionspolitiker Jürgen Frömmrich kofferte den Innenminister an, er werfe „größtmögliche Nebelkerzen“. Es war der Abend des 17. Juli 2006.
Drei Monate zuvor war in Kassel der Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat erschossen worden. Doch dass der hessische Verfassungsschützer Andreas T. bei diesem neunten Mord der rätselhaften Ceska-Serie am Tatort war, erfuhren die Abgeordneten erst aus der Presse. Sie fühlten sich brüskiert vom damaligen Innenminister Volker Bouffier (CDU).
[….] Es war das erste Ablenkungsmanöver des CDU-Politikers in der brisanten Affäre – und längst nicht das letzte. [….] Inzwischen ist Bouffier hessischer Ministerpräsident, in einer Koalition mit den Grünen – und natürlich kein Fan des Wiesbadener Untersuchungsausschusses zum NSU-Skandal, der nach achtmonatigen, zähen Vorarbeiten heute zum ersten Mal öffentlich verhandeln soll. Es könnte pikant werden, nicht nur für den Regierungschef, sondern auch für dessen Koalitionspartner. Die CDU kann kein Interesse daran haben, dass die unrühmliche Rolle ihres Spitzenmannes erneut diskutiert wird. Die Grünen stecken in der Klemme. Weder CDU noch Grüne haben im Landtag für den Ausschuss gestimmt – ein bundesweites Novum. Alle anderen NSU-Ausschüsse in Bund und Ländern wurden einmütig beschlossen.
[….]  Der Obmann der Linksfraktion, Hermann Schaus, spricht gar von einer „politischen Schutzbehauptung“ der Grünen für Bouffier und den Verfassungsschutz.
[….] Der Argumentation der hessischen Grünen widerspricht auch Parteifreund Hans-Christian Ströbele, der im NSU-Ausschuss des Bundestags saß. Seine Einschätzung ähnelt den Argumenten der hessischen Opposition.
[….] Bis sich der Ausschuss solchen Fragen widmet, wird es noch dauern. In der  Sitzung am Donnerstag treten zunächst Sachverständige auf. Die Opposition hat die Journalistin Andrea Röpke und den Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke benannt. Schwarz-Grün hat einen ehemaligen Verfassungsschützer geladen, der vor allem als Linksextremismus-Experte bekannt geworden ist.
Die Grünen verteidigen die Personalie. [….]

Und solche Grünen sollen mit Scholz in ihre neunte Landesregierung?
Da bekomme ich gewaltige Bauchschmerzen.
Bauschmerzen, die nur etwas weniger schlimm als die Magenkrämpfe sind, die ich bei einer FDP-Regierungsbeteiligung hätte.