Donnerstag, 10. Mai 2018

Der Dealmaker.

Die Weltsicherheitslage ist in der schlimmsten Situation seit Jahrzehnten. Schuld sind Trump und sein Minimi Netanjahu, die offensichtlich mit großer Verve gegen die Wand steuern.

Daß ihnen fast die gesamte Welt entgegensteht, stört die beiden Großmannssüchtigen nicht, da ihr Ego auf mindestens 1000 Atü aufgeblasen von innen an die Hirnschale drückt.
Bibi hat seine 200 Atomsprengköpfe und Donald seinen „very big button“.

Ich lese zum Thema Iran-Deal und der Lage im Nahen Osten derzeit viele richtige, warnende und sehr pessimistische Analysen.

Trump sei jetzt voll und ganz Trump, endlich wären alle vernünftigen Stimmen im Weißen Haus weggeräumt, keiner trüge mehr Bedenken vor, sogar Jared und Ivanka hielten die Klappe, schreibt der Spiegel.

[…..] Donald Trump sieht sich selbst auf der Erfolgsspur. Der Abschied aus dem Iran-Abkommen und die Aussicht, vielleicht schon bald einen historischen Deal mit Nordkorea abschließen zu können, beflügeln den Präsidenten. Während viele Europäer über die Alleingänge dieses Präsidenten nur den Kopf schütteln und auch in den USA etliche Bürger an seiner disruptiven Außenpolitik verzweifeln, glaubt Trump fest daran, genau das Richtige zu tun.
Ja, man könnte sogar sagen, Trump ist mit sich im Reinen. […..]

Trump stärke massiv die Hardliner in Teheran und schwäche die eher moderaten und kompromissbereiten Kräfte rund um den Präsidenten Rohani, schreibt die Süddeutsche zutreffend:

[….] Fraglich ist jedoch, ob sich Rohani im Machtkampf zu Hause durchsetzen kann. Der wurde jüngst mit zunehmender Schärfe ausgetragen. Die Hardliner würden am liebsten die Urananreicherung wieder hochfahren, das ins Ausland verlagerte Uran zurückfordern, das Abkommen für hinfällig erklären. Das würde wohl eine scharfe Eskalation nach sich ziehen, die letztlich auch einen Militärschlag der USA oder Israels wieder als Option erscheinen ließe. [….] Teheran kann aber auch die Auseinandersetzung mit den USA und deren Verbündeten Israel und Saudi-Arabien im Nahen Osten und angrenzenden Regionen verschärfen - Syrien, Irak, Libanon, Jemen, Afghanistan, Straße von Hormus lauten die Stichworte. Dies entzieht sich weitgehend der Kontrolle Rohanis. Es sind die Revolutionsgarden, die mit Billigung Khameneis dort Irans Politik bestimmen. [….]

Der drei Irren aus der US-Administration, Pompeo, Trump und Bolton, wissen ganz offensichtlich gar nicht was sie anrichten, weil sie sich nie mit der Geschichte des Nahen Ostens im Allgemein und des Irans im Besonderen beschäftigt haben.

[….] Hinter Trumps Rückzug aus dem Abkommen, der eigentlich ein Vertragsbruch ist, steht das Kalkül, dass maximale wirtschaftliche Sanktionen Iran in die Knie zwingen werden, wenn sie nicht sogar zu einem Kollaps des Regimes führen - das ist Boltons offen erklärtes Ziel. Und niemand sollte Zweifel haben, dass er bei einer Eskalation schnell bei der Hand sein wird, mit Militärschlägen zu drohen.
Diese Denkweise verkennt zutiefst, wie die Islamische Republik funktioniert. Ja, die iranische Währung, der Rial, ist im freien Fall und viele Iraner sind unzufrieden. Aber Trump spielt mit seiner Entscheidung nur den Hardlinern in Teheran in die Karten. Das Regime hat sich gut gewappnet gegen mögliche Aufstände, und die meisten Iraner wollen mit dem Blick auf die blutigen Umbrüche überall in der Region keinen Umsturz, sondern graduelle Reformen. Und schon gar nicht wollen sie von Boltons Einflüsterern bei den Volksmudschahedin regiert werden, einer obskuren Gruppe von Exil-Iranern in den USA. Wenn der Druck nicht mit einem für Iran attraktiven Angebot verbunden ist, wird Teheran darauf nicht reagieren. […..]

Und selbstverständlich ist es auch richtig, was gegenwärtig so viele schreiben, daß nämlich Europa erbärmlich versagt, indem Merkel zögerlich und zaudernd damit beschäftigt ist Macron zu bremsen, Wirtschaftsminister Altmaier und die deutschen Betriebe zähneknirschend Trumps Willen erfüllen (keine Geschäfte mehr mit dem Iran, weil die US-Wirtschaft nun mal finanzkräftiger ist), anstatt mit China, Russland und der G20 eine starke Allianz gegen Trump zu formen, so daß der Iran-Deal aufrecht erhalten werden kann und die Sanktionen letztendlich die USA selbst treffen.
Bisher sind Trumps superscharfe Sanktionen für ihn ungefährlich, weil sie für alle schwächeren Länder bedeuten: Wer mit Iran weiter Handel betreibt, darf keinen Handel mehr mit Amerika betreiben. Aus der Sicht jedes einzelnen Landes ist der Handel mit Amerika wichtiger.
Würden aber alle an einem Strang ziehen und von China über Russland bis Deutschland, England, Brasilien und Südafrika die Nationen dennoch ihren Handel mit Teheran weiterführen, könnte sich auch Trump nicht leisten mit allen diesen Nationen den Handel abzubrechen, ohne daß er eine gewaltige Wirtschaftskrise in den USA auslösen würde.
Die Bundeskanzler Schmidt und Schröder hätten so etwas als stärkste EU-Nation anstoßen können. Merkel ist aber passiv, unfähig und phlegmatisch.

[….] Deutschland muss sich endlich Trump entgegenstellen
[….] Es wird geschossen im Nahen Osten, in Iran spitzt sich die Lage zu, und die Welt fragt sich besorgt: Was wird Donald Trump als Nächstes einfallen, um die Welt zu einem noch gefährlicheren Ort zu machen? Europa, und in seiner Mitte Deutschland, sollte sich aber lieber fragen: Was wird uns als Nächstes einfallen?
Allzu lange sind die Europäer dem amerikanischen Präsidenten in einer eigenartigen Mischung aus Verachtung und Nachsicht begegnet. Haben sich zu Hause über den Anti-Politiker lustig gemacht und sind bei Bedarf nach Washington gepilgert, beflügelt von der Hoffnung, der Mann sei belehrbar. Die Europäer müssen sich damit abfinden, dass ein Besänftigungskurs nicht funktioniert. [….] Es hilft erkennbar nicht, ihm freundlich-kompetent entgegenzutreten, wie das Angela Merkel macht, oder schmeichelnd wie der französische Präsident Macron. Auch nicht devot, wie deutsche Konzernchefs zu Jahresanfang beim Weltwirtschaftstreffen in Davos. Trump kennt nur Unterwerfung, und selbst wer sich fügt, kann nicht sicher sein, wie lange ihm Gunst gewährt wird. Wer das immer noch nicht begriffen hat, der sollte auf den neuen US-Botschafter in Berlin achten.
[….] Es ist ein Anfang, dass EU-Vertreter mit Iran reden und versuchen, das Abkommen auch ohne die USA am Leben zu erhalten - aber das reicht nicht. Die Bundesregierung muss den deutschen Unternehmen, die in Iran und anderswo Geschäfte machen, öffentlich zur Seite springen und sie gegebenenfalls juristisch schützen. Fürs erste hätte Botschafter Grenell einbestellt und zurechtgewiesen werden müssen, noch ist es dafür nicht zu spät. Eine Runde mit Regierenden und Firmenchefs im Kanzleramt könnte den Schulterschluss demonstrativ besiegeln. [….]

Recht hat der SZ-Wirtschaftschef Beise, dem ich sonst nicht oft zustimme.

Den besten Text zur aktuellen Washington-Teheran-Situation verfasste der PANORAMA-Redakteur Stefan Buchen.
Auch er hat vollkommen Recht, wenn er schreibt:

[…..] Ein Hinfiebern auf den Krieg ist unübersehbar. Als wenn es davon nicht schon genug gäbe, scheinen die Vereinigten Staaten es gar nicht erwarten zu können, einen neuen, größeren Krieg im Mittleren Osten zu entfachen. [….] Bolton, nun einer der mächtigsten Männer der amerikanischen Administration, ist im Juli 2017 in Paris bei einem Treffen der exiliranischen "Volksmodschahedin" aufgetreten. Dort proklamierte er vor einigen tausend begeisterten Zuhörern das Ziel seiner Iran-Politik: "Regime Change." Wörtlich sagte Bolton: "Es gibt nur eine Lösung. Wir müssen das Regime austauschen. Wir werden noch vor 2019 gemeinsam in Teheran feiern." Als wäre der inzwischen zum Sicherheitsberater des Präsidenten aufgerückte Außenpolitiker beeindruckt von der schiitischen Zahlenmystik: Die Islamische Republik solle ihren 40. Geburtstag nicht mehr feiern, der in den Februar 2019 fiele. Die Zahl "40" hat im Schiitentum eine besondere Bedeutung. [….] Um es kurz zu sagen: Was hier passiert, ist Wahnsinn. Amerika wird von moralisch Verwahrlosten regiert. Das Schlechteste der amerikanischen Gesellschaft hat sich durch die Institutionen nach oben gespült. In der Iran-Politik zeigt es sein hässliches Gesicht. Bolton, der neue Außenminister Pompeo und Verteidigungsminister Mattis ziehen die Fäden der Iran-Politik. Trump ist nur ihr Lautsprecher nach außen. Wie immer beruht die Politik von Wahnsinnigen auf Illusionen. Die Machthaber in Washington glauben, durch neue Sanktionen die Wirtschafts- und Währungskrise im Iran so verschärfen zu können, dass die Bevölkerung sich erhebt, das Regime in einem Aufstand stürzt und die Amerikaner als Befreier feiert. [….] Angesichts der politischen Klasse, die jetzt in Washington regiert, fällt es "dem Mullah" Hassan Rohani nicht schwer, seine geistig-moralische Überlegenheit zu zeigen. [….] Es ist sehr leicht für die Machthaber der Islamischen Republik in diesen Tagen, rhetorisch Recht zu behalten. [….] Die aufdringlich lärmende Rolle der israelischen Regierung kann niemand ignorieren. Trump hat sich in seiner Ausstiegserklärung auf "die Beweise" berufen, die Premierminister Netanjahu über das iranische Atomprogramm präsentierte. Die Anti-Iran-Clique in Washington geht mit der Regierung in Jerusalem Hand in Hand. Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman posaunte vor einigen Tagen, es gebe "drei Probleme: Iran, Iran und Iran." Damit plapperte er die Worte des amerikanischen Verteidigungsministers Jim Mattis nach, der sich vor zwei Jahren genauso ausdrückte.
Ist der Wahnsinn zu stoppen? Es wird sehr schwierig. Europa ist schwach. [….] Größere Hoffnung möchte man da noch auf die israelische und die iranische Gesellschaft setzen. [….][….] [….]

Danke für die zutreffende Trump-Beschreibung, Herr Buchen.
Da sind wir ja alle verbal am Limit.


 

Eins kommt mir immer zu kurz bei allen Analysen.
Ja, Trump und Netanjahu haben keinen Plan B, sie verschlimmern die Situation dramatisch.
Aber selbst wenn Trump, Pompeo und Bolton Recht HÄTTEN und man könnte Iran so zu einem neuen „Deal“ zwingen:
Weshalb sollte irgendwer noch einen Vertrag mit den USA unterschreiben, nachdem Trump so nachdrücklich bewiesen hat, daß PACTA SUNT SERVANDA nicht mehr gilt?
Die USA halten sich bewiesenermaßen ohnehin nicht an Verträge, steigen nach Lust und Laune wieder aus, treten alle internationalen Vereinbarungen mit Füßen, erkennen internationale Regeln nicht an, führen Drohnenagriffe durch, die der UN-Sicherheitsrat verbietet, kümmern sich nicht um UN-Vorgaben, kennen den internationalen Strafgerichtshof nicht an.
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind unzuverlässig und prinzipiell nicht vertragstreu.
Trump steigt aus dem Klimaschutzabkommen von Paris aus, will das  Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta aufkündigen, warf die DACA-Garantien über Bord, killte die Gesundheits-Reform, erledigte das transpazifische Handelsabkommen TPP mit einem Dekret. Und nun zerstört er das extrem wichtige Iran-Abkommen. TTIP ist ohnehin schon tot.

Das passt zu Trumps Vorgehen als Privatmann, seit Jahrzehnten betrügt er Vertragspartner.

[….] Signal: Verträge mit den USA sind wertlos
Iran ist ein schwieriger Vertragspartner - das sehen viele Verbündete der USA so. Das Land unterstützt Terrorgruppen, treibt ein ambitioniertes Raketen-Programm voran. Das sind Probleme, die angegangen werden müssen. Trump hat aber nicht gesagt, wie das geschehen soll und warum das ohne Atom-Vertrag einfacher sein sollte. Iran hat den Vertrag über sein Atomprogramm eingehalten - Trump hat ihn gebrochen. Das ist ein hoher Preis, besonders, weil er den Vertragsparteien keine Alternative zeigen kann. Es gibt kein Konzept seiner Regierung für den Nahen Osten. Das einzige Signal ist: Unter Präsident Trump sind Verträge mit den USA nichts mehr wert. [….]
Warum sollten also Nordkorea oder Iran, aber auch Europa noch Verträge mit den USA aushandeln??
Die Mühe kann man sich sparen.
Trumpmerica hält sich ohnehin nicht dran.