Dienstag, 20. August 2019

Linke Nörgler


In den Anfangsjahren des Privatfernsehens, waren wir von der bunt-poppigen Vielfalt natürlich überwältigt.
Schließlich hatte es Jahrzehnte nur „Erstes, Zweites und Drittes“ gegeben, deren Programmschemata man genau kannte.

Über eine längere Zeit gab es den stramm konservativen Kirch-Springer Kohl-Block, der mit Sat1, Pro7 und Kabel1 auf reine Unterhaltung setzte, kaum in Informationssendungen investierte, weitgehend auch auf Nachrichten verzichtete, jedoch bei den sporadischen Magazin-Sendungen gar nicht erst versuchte neutral zu wirken, sondern sich mit Sendungen wie Mertes‘ „Zur Sache, Kanzler“ als CDU-Werbung verstand.
Kohl und Kirch waren privat und geschäftlich eng miteinander verquickt.

Dem gegenüber standen „die Bertelsmänner“, zu denen RTL, RTL2 und VOX zählten. Der alteingesessene mittelständische Gütersloher Verlag Bertelsmann mit seinem modernen, aufgeschlossenen Patriarchen Reinhard Mohn hatte in RTL, Gruner und Jahr, sowie den SPIEGEL investiert und sich damit auf der eher liberalen Schiene positioniert. Bertelsmann kannte man bis daher eher vom „Bertelsmann Buchclub“ und wußte, daß dort in der niedersächsischen Provinz eine Druckerei betrieben wurde. Mohn hatte aber den richtigen Riecher und stieg so zum international tätigen Milliardär auf.
Damals war es noch anrüchig, wenn seriöse Moderatoren der öffentlich-rechtlichen Sender zu den Privaten wechselten.
Sat1-Zampano Fred Kogel hatte großen Einfluss auf die Show-Szene, aber Günther Jauch ging doch spektakulär zu RTL und begründete es ausdrücklich damit, daß er nicht verantworten könne für die Kirchgruppe zu arbeiten, aber „mit den Bertelsmännern kann ich leben".
Der alte Reinhard Mohn engagierte sich gesellschaftlich, sorgte sich um die Zukunft, gründete eine Stiftung und rüttelte immer mehr mit modernen Ansichten seiner Studien auf.
Als der Philanthrop 2009 im Alter von 88 Jahren starb, gab es zunächst etwas unübersichtliche Verhältnisse, da er sechs Kinder aus verschiedenen Ehen hatte und das Vermögen in Stiftungen steckte.
Letztendlich bekam aber seine zweite und 20 Jahre jüngere Frau Elizabeth „Liz“ die totale finanzielle Kontrolle über alles.

Sie ist Vorsitzende der Gesellschafterversammlung und des Lenkungsausschusses der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft, übt dort das Amt der Familiensprecherin aus und ist Mitglied der Aufsichtsratsgremien von Bertelsmann. Mohn ist daneben stellvertretende Vorsitzende des Vorstands und des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung.

Witwe Liz tickt ganz anders als ihr liberaler Mann. Sie ist eine enge Freundin Merkels und Unterstützerin der CDU.
Bis auf den SPIEGEL mit seiner hochkomplizierten Eigentümerstruktur – über die Hälfte des Spiegel-Verlages gehört den Mitarbeitern – gingen alle Medien des Bertelsmann-Konzerns auf deutlich konservativeren Kurs.

Mit ihren Freundinnen Liz und Friede (Springer) hat Merkel nun anders als ihr CDU-Vorgänger-Kanzler Kohl nicht nur die Hälfte der privaten Boulevardmedien auf ihrer Seite, sondern fast alle.
Die berühmten Bertelsmann-Studien der reichen Stiftung gibt es immer noch. Sie erregen nach wie vor sehr viel Aufmerksamkeit.
Aber wenn die „Bertelsmänner“ wie zuletzt spektakulär fordern die Hälfte der deutschen Krankenhäuser zu schließen, begeistert das nicht nur den zuständigen Gesundheitsminister Spahn, sondern weckt anders als zu Reinhards Zeiten erhebliche Zweifel an der Objektivität.

[…..] Soll die Hälfte der Kliniken geschlossen werden, um so angeblich die Gesundheitsversorgung zu verbessern? Diese Forderung ist plump und falsch: Sie macht Angst
[…..]  Ökonomisierung der Medizin ist ungut. Die Medizin ist keine Wirtschaftsbranche wie jede andere. Für Kranke sind Faktoren wichtig, die in betriebswirtschaftlichen Programmen keine oder kaum eine Rolle spielen: Zeit, Geborgenheit, und (auch wenn es altmodisch klingt) Barmherzigkeit. […..]  Was zählt eigentlich mehr, wenn Krankenhäuser an der Börse notiert sind: die Bedürfnisse des Shareholders oder die des Patienten? […..] Der Münchner Pflegekritiker Claus Fussek sagt daher, Pflege und Krankheit sind eigentlich "nicht börsen- und renditefähig".
[…..]  Die Art und Weise, wie jüngst die Bertelsmann-Stiftung ihre Studie über eine Radikalreform des Krankenhauswesens in die Gesellschaft knallte, war ein ungutes Exempel. Sie war vertrauenszerstörend und angstmachend. Sie war ohne Sensibilität, ohne Empathie und ohne regionale Differenzierung. Die Studie forderte, weit mehr als die Hälfte aller Krankenhäuser zuzusperren und stattdessen auf Großkliniken zu setzen - ganz im Interesse von Giganten wie der Rhön-Klinikum AG, in deren Aufsichtsrat Liz Mohn sitzt, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung. […..]

Bertelsmann ist wahrlich keine links-liberale Stimme mehr und erfreut heute eher die stramm Neoliberalen.
So darf man auch die neueste Bertelsmann-Studie verstehen: Als Hofknicks und Warnung an die Konservativen!
Hilfe, die SPD-Minister dominieren die Groko und die die Gesetzgebung.
Für Leser meines Blog kann das keine Überraschung sein. Tagein tagaus bete ich das Mantra von den nicht nur unfähigen, sondern auch faulen Unionsministern, die außer Besitzstandswahrung und Lobbyisten-Unterwürfigkeit  gar keine eigene Agenda mehr haben.
Konservative würden nun den Namen „Spahn“ einwerfen, der sei doch so umtriebig.
Ja, in der Tat, der kündigt viel an und macht großen Wirbel.
Allerdings geht es ihm nur um Eigen-PR; wie die Gesetze umgesetzt werden ist im völlig egal. Alles, das Spahn tut, verpufft.

[….]  Nach eineinhalb Jahren im Gesundheitsministerium hat sich Spahn ein Image als Macher erarbeitet, als einer, der nicht lange fackelt und auch die schwierigen Themen anpackt. [….]  Spahn will zeigen: Er sieht die Probleme und reagiert.
Nur ob seine Vorschläge wirklich etwas verbessern, wird sich erst zeigen müssen.
Am Jahresanfang versprach Spahn 13 000 neue Stellen in der Pflege. Bis jetzt sind es erst 300.
Interessant ist, dass Spahn inhaltliche Rückschläge in der öffentlichen Debatte kaum belasten. Während sich andere Politiker im Kampf um einzelne Vorschläge verhaken, perlen Niederlagen an Spahn ab. [….]  "Ein Gesetz zu machen, ist das eine", sagt Schmidt, "die Frage, wie es umgesetzt wird, das andere." [….]  Dem ehrgeizigen Spahn dürfte das nicht so wichtig sein.   Denn dann ist er vielleicht schon weitergezogen. […..]

Die Bertelsmänner haben sich diese Effektlosigkeit der Unions-Minister genauer angesehen und die Arbeit des Groko-Kabinetts überprüft.
Das Ergebnis ist ein Desaster für die Parteichefs Söder und Kramp-Karrenbauer.

Die SPD-Seite der Groko arbeitet höchst effektiv und seriös.

[….]  Hält die Große Koalition, was sie verspricht? Weitgehend ja - zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. [….]  Demnach hat die Regierung aus Union und SPD in ihren ersten 15 Monaten zahlreiche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. 47 Prozent der Versprechen seien vollständig oder teilweise erfüllt, 14 Prozent "substanziell in Angriff genommen" worden. Das sei deutlich mehr als die - ebenfalls schwarz-rote - Vorgängerregierung zur Halbzeit geschafft hatte.
Die Autoren der Studie untersuchten 296 "echte Versprechen": Vorhaben, bei denen sich klar überprüfen lässt, ob sie umgesetzt wurden. Ihr Fazit: Die Bilanz der jetzigen Koalition sei "rekordverdächtig". Sollte die Regierung in ihrem jetzigen Tempo weiterarbeiten, könnte sie bis zum Ende der Legislaturperiode fast alle Versprechen eingelöst haben.


[….]  Von den 296 Wahlversprechen stammen der Studie zufolge 73 (etwa ein Viertel) aus dem Wahlprogramm der SPD und 32 (elf Prozent) aus denen von CDU und CSU. 46 Vorhaben (16 Prozent) finden sich in den Programmen beider Koalitionspartner wieder. [….]  Zwischen Union und SPD ist die Umsetzungsbilanz ausgeglichen: Die SPD setzte der Studie zufolge 33 der 73 Vorhaben um, die allein aus ihrem Wahlprogramm stammen (45 Prozent). Von den 32 unionsgeprägten Versprechen waren am 30. Juni, dem Stichtag der Untersuchung, 14 umgesetzt worden (44 Prozent). [….] 

Während für die CDUCSU die blamable Erkenntnis bleibt, daß ihre Minister sehr viel schlechter als die Sozen arbeiten, müssen sich Totalversager wie Andrea Nahles fragen lassen, wie zum Teufel sie es geschafft haben eine so erfolgreiche Realpolitik als völliges Desaster zu erkaufen.
Viele SPD-Mitglieder wollen „nur noch raus aus der Groko“, weil sie fest davon überzeugt sind, diese erreiche gar nichts oder setze nur neoliberale Dinge um – obwohl das diametrale Gegenteil der Fall ist.
                                                                      
Das ist ein ganz neuer Spin des Versagens der politischen Linken von 2019:
Wählerabschreckung durch Erfolg!
Enttäuschung auslösen durch Ehrlichkeit!
Die eigene Parteibasis frustrieren durch Effektivität.
Sozial Schwache vergrätzen durch Politik für sozial Schwache.

Die Groko arbeitet nicht nur gut, sondern so viel besser als ihr Ruf, daß es schon an ein Wunder grenzt demoskopisch so katastrophal dazustehen.

[…..] Die GroKo glänzt unbemerkt.
"Besser als ihr Ruf" betitelt die Bertelsmann Stiftung ihre ausführliche Auswertung der Arbeit der Großen Koalition und trifft damit den Kern der vorgestellten Forschungsergebnisse: Viele Menschen sind demnach überzeugt, dass Koalitionsversprechen oft nicht umgesetzt würden. [….]

Da setzt die Groko überwiegend und kontinuierlich ureigene SPD-Forderungen um und in den Sozi-Basisgruppen auf Facebook ziehen Jusos und Parteilinke über Scholz als „Schäuble 2.0“ her, ätzen er solle endlich in die CDU übertreten.
Die SPD müsse die Groko sofort verlassen, weil nur Unionspolitik gemacht werde.
Nichts könnte ferner der Wahrheit sein. Aber die Linken scheinen sich in einer Trump-artigen Fakenews-Blase eingenistet zu haben, in der sie nichts anderes tun, als die eigene Partei zu schädigen, indem sie über die eigenen Minister herziehen und ihnen vorwerfen die Partei zu schädigen.
Die SPD setzt zum Entsetzen der Rechten konsequent ihre Forderungen durch und anschließend sind die Linken noch entsetzter als die Rechten, weil sie fest davon überzeugt sind ihre Partei setze in der Groko nichts durch.
Kann man sich nicht ausdenken.