Montag, 23. September 2013

Und was jetzt?



Das ist echt ein fieser Weg, den ich entlang der Klärchen- und Goernestraße derzeit zwei Mal am Tag fahren muß. Dabei kreuze ich den Leinpfad und stehe dann genau vor der CDU-Zentrale mit einem gigantischen Merkelplakat vor der Tür.
Wie ein Pawlow’scher Hund zeige ich dann den Steinbrückfinger und stoße unsittliche Flüche aus.
Ich kann diese Frau einfach nicht mehr ertragen und habe schließlich alles dafür getan, um eine dritte Legislaturperiode mit ihr im Kanzleramt zu verhindern.
Endlose Stunden habe ich dafür Pamphlete getippt, mit Leuten auf der Straße diskutiert, mich in den sozialen Netzwerken gekloppt und schließlich auch Geld gespendet.
Offenbar vergeblich. 7,7 Prozentpunkte Stimmenzuwachs für die CDU/CSU sprechen eine deutliche Sprache. Das Wahlergebnis fühlt sich für mich an wie ein rostiger Dolch, der langsam in meine Brust getrieben wird, während jemand mit den Fingernägeln auf einer Wandtafel kratzt.
Das einzige, das noch abartiger erscheint, ist die Vorstellung, daß ausgerechnet mit „meinen“ Stimmen Merkel zur Kanzlerin gewählt würde. Das wäre das diametrale Gegenteil meines Wählerwillens. Das wollte ich ja genau verhindern.
Meine ganze Sympathie gilt den Sozi-Gruppen, die sich jetzt im Internet bilden, um gegen eine Große K.O.alition zu trommeln.

Wir haben die SPD nicht dafür gewählt, dass sie wieder der Steigbügelhalter für Merkel und ihre schwarze Chaostruppe wird!

"Wir orientieren uns an Inhalten. Keiner in der SPD-NRW will eine große Koalition. Mir fehlt die Fantasie, wie das klappen soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie zustande kommt."
(Norbert Römer, SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Nordrhein-Westfalen)

"Wir können doch nicht all unsere Inhalte über Bord werfen. In einer großen Koalition würde die SPD ihre Glaubwürdigkeit verlieren."
(SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach)

"Wir haben unseren Wählerinnen und Wählern und unseren Mitgliedern einen Politikwechsel versprochen. Wir wollen nicht nur einen Regierungswechsel!"
(Ralf Stegner, Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen SPD)

Mutti braucht uns nicht! Unser Land schon!!! Wir haben versucht mit Inhalten Wähler zu überzeugen, die Wähler sind von Merkel überzeugt! Wir sind in einer starken Opposition nützlicher für unser Land! Mutti darf jetzt zeigen wie viel Inhalt sie hat!!!! ABER keine SPD Füllung!

Das Problem ist allerdings, daß nach einer ARD-Umfrage RotRotGrün bei den SPD-Mitgliedern sogar noch unbeliebter ist.

Um die Spezialdemokraten trotz massiven Widerstandes der Basis ins Koalitionsbettchen zu holen, müßte Merkel schon sehr deutliche Zugeständnisse machen.
Mindestlohn, doppelte Staatsbürgerschaft und Homoadoption zum Beispiel. Oder das Ende der Herdprämie als Verlobungsgeschenk.
Aber das wäre selbst für die innerparteilich fast allmächtige Merkel schwer, da sie crazy Horst unter Kontrolle behalten muß.
2005 waren CDU und SPD noch fast gleichstark und hatten gleich viele Ministerposten. Merkel war gerade böse abgestürzt, kam also aus einer schwachen Position und traf auf Sozis, die sieben Jahre regiert hatten. (Und trotzdem hat Merkel alles dominiert.)

Aber wie soll das denn jetzt mit einer superpotenten CDU funktionieren, die eh nur mickrige drei Stimmen braucht?? In den CDU-Gremien werden Zugeständnisse an die andere Seite nicht gut ankommen.
Ich sehe für beide Varianten, schwarzgrün und schwarzrot, regelrechte Ausschlußkriterien inhaltlicher Art. Aber davon abgesehen ist eine Merkel-Koalition auch strategisch extrem wenig verlockend.

Nachdem die SPD von 2005-2009 mit Merkel koaliert hatte, verlor sie bei der anschließenden Bundestagswahl 11,2 Prozentpunkte!

Nachdem die FDP von 2009-2013 mit Merkel koaliert hatte, verlor sie bei der anschließenden Bundestagswahl 10 Prozentpunkte und wurde ganz aus dem Parlament gekickt.

Wer möchte als nächstes von der Kanzlerin ausgesaugt werden?

Sozis und Grüne schieben sich bereits gegenseitig den Schwarzen Peter zu.
Eine Kopulation mit der Gottesanbeterin Angela will bisher niemand.

Findet sich gar keine neue Mehrheit, bliebe Merkel einfach im Amt. Der ihr zugeneigte Gauck würde sicher nach ihrem Gusto Minister ernennen. Diese Variante ist also für eine an Inhalten interessierte Opposition gleichermaßen schlecht.

Es bleiben als nur zwei denkbare Auswege:

1.) Neuwahlen, bei denen sich die um eine Kanzlerschaft betrogenen Merkel-Fans vermutlich noch mehr ins Zeug legen würden. Vermutlich würde die CDU dann noch besser abschneiden, oder, noch schlimmer, Fipsis Lobbytruppe würde gleich nach ihrer Verbannung in die APO wieder in die Bundesregierung rutschen.

2.) Ein rotrotgrünes Bündnis unter Bundeskanzler Gabriel mit einer in der Opposition schmollenden Merkel.

Für mich ist das ein hochattraktives Bild.
Es sollte auch irgendwann zu solchen Bündnissen kommen. Es ist doch hochgradig absurd, daß 24 Jahre nach dem Mauerfall die Linke immer noch als die SED-Paria gelten, die nie wieder Verantwortung übernehmen dürfen, während das aktive NSdAP-Mitglied Kurt-Georg Kiesinger 21 Jahre nach 1945 CDU-Bundeskanzler wurde.
Wie dumm von SPD und Grünen, daß sie sich in diese strategische Ausschließeritis-Falle locken ließen.

Aber die Ausschlußeritis-Arie hat nun einmal stattgefunden.
Zu Recht würde die konservativ geprägte Presse vor Entsetzen aufjaulen und jedes Mal „WORTBRUCH“ schreien, wenn der SPD-Kanzler aufträte.

Leider gibt es weitere starke Argumente gegen Rot-Grün-Links.

Da ist zum einen der „Moralische“. Denn das Wahlergebnis muß angesichts eines Achtprozentsprunges der CDU/CSU auf das beste Unions-Ergebnis seit 20 Jahren als Wählerwille für eine Kanzlerin Merkel* interpretiert werden. Die Sozis verharren dagegen auf dem zweitschlechtesten Ergebnis seit dem Krieg und hätten dazu noch zwei Parteien als Partner, die beide klar Stimmen verloren haben.
Man kann also weder in SPD, noch in Grüne, noch in Linke einen Wählerauftrag zur Regierungsbildung hineininterpretieren.
Es ist das ewige Elend der zersplitterten Linken.
Hätten alle Linken und alle Piraten SPD und Grüne gewählt, stünden diese zum Beispiel bei 37% und 10%. Dann gäbe es eindeutig RotGrün und die asoziale Merkelpolitik hätte sofort ein Ende.
Außerdem sprechen die äußerst knappen Stimmenverhältnisse gegen Rot-Grün-Links. Sie hätten nur drei Stimmen Mehrheit und würden angesichts des Hasses, mit dem sie sich teilweise gegenseitig begegnen, vermutlich noch nicht einmal die Kanzlermehrheit zustande bringen und somit sofort wieder scheitern. Dann würden sie wie Heide Simonis oder Andrea Ypsilanti ausgelacht und hätten nie wieder eine Machtoption.

Außerdem kommt hinzu, daß die SPD-Argumente von der außenpolitischen Unzuverlässigkeit von Teilen der Linken nicht von der Hand zu wischen sind.
 Ich habe keine Zweifel, daß man mit der großen Mehrheit der Linken-Parlamentarier sehr vernünftig und konstruktiv arbeiten könnte.
Aber zu ihnen gehören eben auch eine Gruppe Westlinker, die beispielsweise jegliche UN-Einsätze kategorisch ausschließen, oder aber antisemitischen Hetze betreiben.
Leider gibt es diesen judenhassenden Sumpf in kleinen Teilen der Linken. Darauf kann man aber keine stabile Bundesregierung bauen.

Es geht also nichts.

Theoretische Auswege sehe ich in einer CDU-Minderheitsregierung (mit dem Riesenproblem eines Bundesrates, der 14:2 gegen Merkel stimmt) oder in einem besonders edlen Brautgeschenk Merkels an die SPD:
Seehofers Kopf.
Eine reine CDU-SPD-Koalition ohne die CSU.




*

“Der Wählerwille“ ist immer eine konstruierte Größe. Da werden Stimmen zusammengefasst, die möglicherweise gegenteiliges wollen.
Einige Sozis wollten a priori eine Große Koalition mit Merkel, andere, wie ich zum Beispiel, wollten das diametrale Gegenteil.
Es ist also Vorsicht bei der Interpretation geboten.
Was sagen denn die Zahlen?

2009 gab es eine klare Merkel-Präferenz (zumindest) bei den Wählern von CDU (11,8 Mio), CSU (2,8 Mio) und FDP (6,3 Mio). Addiert ergeben sich 20,9 Mio (Zweit-)Stimmen.

SPD (10 Mio), Linke (5,2 Mio) und Grüne (4,6 Mio) kamen zusammen auf 19,8 Mio Stimmen.


2013 bringen die im Bundestag vertretenen Parteien CDU (14,9 Mio) und CSU (3,2 Mio) zusammen nur noch 18,1 Mio Stimmen auf die Waage.

Im Bundestag gibt es in absoluten Stimmen verglichen zu 2009 also KEINEN Merkel-Bonus.
Opposition 2013: SPD (11,2 Mio) + Linke (3,8) + Grüne (3,7 Mio) = 18,7 Mio Stimmen.

Rechnet man die APO hinzu, fallen noch die 2,1 Mio FDP-Stimmen ins Gewicht, da sie eindeutig Merkel als Kanzlerin wünschten. Mit der FDP spricht „der Wählerwille“ mit 20,2 Mio (Merkel) gegen 18,7 Mio (Steinbrück) nicht eben für RotGrünLinks.
Außerdem sind da noch die 2,1 Millionen AfD-Stimmen, die ebenfalls im Zweifelsfall konservativ sind und keineswegs als „Wählerwille rotrotgrün“ interpretiert werden können.