Mittwoch, 10. April 2013

Overkill



Das nervt mich alles!
Ich bin wirklich ein Religionsfetischist und absorbiere jeden Tag Informationen über die Kirchen. Da kann ich kaum genug bekommen. Ich vermisse sogar schon Ratzi, weil er mir immer so gegenwärtig war.
Aber es interessieren mich auch ganz andere Dinge. 
Dinge, die mit Religion gar nichts zu tun haben.
Aber auch die religionslosen Dinge werden derzeit religiös aufgeladen.


Oder der Tod Thatchers.
Die Frau, die Gewerkschaften zerschlug, Millionen Menschen in Armut trieb und Initialzünderin des weltweiten Kasino-Kapitalismus war. Ohne Thatcherismus keine Reaganomics. Eine wirklich böse Frau, die der Welt viel Unheil gebracht hat.
Aber was liest man zu ihrem Tod als Erstes?
Papst Franziskus hat die verstorbene frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher in einem am Montagabend veröffentlichten Beileidstelegramm als Politikerin mit „christlichen Werten“ gewürdigt.

Diese hätten ihren Dienst für das öffentliche Wohl und für die „Förderung der Freiheit unter der Familie der Nationen“ geprägt, heißt es in dem Beileidstelegramm an den britischen Premierminister David Cameron.

Der Papst versichere die Familie der Verstorbenen sowie das ganze britische Volk seines Gebets für die ehemalige Premierministerin, so das von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone unterzeichnete Schreiben. Es handelt sich um das erste Beileidstelegramm von Papst Franziskus für einen ehemaligen verstorbenen Regierungschef.
Soweit her ist es offensichtlich nicht mit Franzis Engagements für die Armen.
Es gibt bessere Beschreibungen der Premierministerin. Ihre einzige positive Eigenschaft war, daß sie Helmut Kohl aus tiefsten Herzen verachtete.
Man kann Nachrufe jedenfalls anders und passender ausdrücken als Papst Franziskus.
„Thatcher is remembered as The Iron Lady only because she possessed completely negative traits such as persistent stubbornness and a determined refusal to listen to others.

"Every move she made was charged by negativity; she destroyed the British manufacturing industry, she hated the miners, she hated the arts, she hated the Irish Freedom Fighters and allowed them to die, she hated the English poor and did nothing at all to help them, she hated Greenpeace and environmental protectionists, she was the only European political leader who opposed a ban on the Ivory Trade, she had no wit and no warmth and even her own Cabinet booted her out. She gave the order to blow up The Belgrano even though it was outside of the Malvinas Exclusion Zone – and was sailing AWAY from the islands! When the young Argentinean boys aboard The Belgrano had suffered a most appalling and unjust death, Thatcher gave the thumbs up sign for the British press.

"Iron? No. Barbaric? Yes. She hated feminists even though it was largely due to the progression of the women’s movement that the British people allowed themselves to accept that a Prime Minister could actually be female. But because of Thatcher, there will never again be another woman in power in British politics, and rather than opening that particular door for other women, she closed it.

"Thatcher will only be fondly remembered by sentimentalists who did not suffer under her leadership, but the majority of British working people have forgotten her already, and the people of Argentina will be celebrating her death. As a matter of recorded fact, Thatcher was a terror without an atom of humanity.
Drittes Beispiel für heute ist der anschwellenden Bundestagswahlkampf, in dem sich mindestens zwei der absoluten Hauptpersonen, nämlich die SPD-Chefwahlkampfleiterin Andrea Nahles und die Grüne Spitzenkandidatin Kathrin Göring-Kirchentag mit religiotischen Verbohrtheiten überbieten.
Nahles‘ Kampa verbreitete gestern den Hauptslogan der Sozis für das Wahljahr 2013. Ausnahmsweise ohne religiöses Geseiere, aber dennoch schwerverblödetes Geschwurbel ohne Sinn und Inhalt.
„Die SPD war und ist eine „Wir“-Partei, eine Partei für das ganze Land!
Unser Motto für dieses Jahr ist: "Das Wir entscheidet."


OH MANNOMANN!
Ich bin seit über 20 Jahren Parteimitglied und wünsche mir wirklich, daß Steinbrück Kanzler wird, aber der Wahlkampf ist genauso vollständig misslungen, wie ich es von einer hoffnungslos überforderten Religions-Hörigen wie Nahles erwarte.
Habt Ihr vorm Kanzleramt einen ausgemisteten Phrasendresch-Automaten aufgesammelt, um so einen Schwachsinn wie "Das Wir entscheidet" zu produzieren?
Aber Nahles wäre nicht Nahles, wenn sie mit ihrem Hauptwahlkampfslogan nicht gleich mehrfach ins Klo gegriffen hätte.
Offenbar hat die Katholikin vor lauter Beten vergessen checken zu lassen, ob der Slogan überhaupt neu ist.
Ist er aber nicht.
"Das Wir entscheidet" ist ausgerechnet das Motto einer Leiharbeitsfirma. Dumm, dümmer, Nahles!
Mit dem gestern vorgestellten Slogan geht alles im alten Pannentakt weiter: “Das Wir entscheidet” – kein schlechter Slogan, aber dass er ausgerechnet auch von der Leiharbeitsfirma propartner genutzt wird, ist schon etwas peinlich, denn die viel kritisierten Hartz-Reformen  führten zu einem Boom dieser umstrittenen Branche.  Wie heißt es doch so schön? Erst hatte die SPD kein Glück und dann kam das Pech dazu.



Über den Grünen Wahlkampf berichtet jetzt bei der SZ gar nicht mehr die Politikredaktion, sondern der Religionsvogel Drobinski!
Göring-Kirchentag war ja bereits bezüglich der Rechte für gleichgeschlechtliche Partner ins Schwimmen geraten, als sie sich nicht voll dazu bekennen mochte, weil es in den Kirchen auch andere Meinungen dazu gäbe.
Auch die Entrechtung kirchlicher Arbeitnehmer mag sie nicht beenden. 
Offiziell ruht zwar ihr Amt als Präses der evangelischen Kirche von Deutschland, aber das religiotische Denken steckt natürlich tief in ihr drin.
Bei einer Buchvorstellung der neuesten Schmonzette des EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider und seiner Frau Anne wurde dies deutlich.
 Ein Reporter nutzte die Gelegenheit, Göring-Eckardt auf das Thema Homosexualität anzusprechen - genauer: auf einen klaren Meinungsunterschied, den es bei diesem Thema zwischen den Grünen und einigen Protestanten gibt.

Wer Therapien praktiziert, 'die das Ziel haben, die sexuelle Orientierung bei Minderjährigen zu verändern', soll nach dem Willen der Grünen-Bundestagsfraktion eine Strafe zahlen. [Göring-Kirchentag hingegen antwortete] 'Da muss immer jeder für sich entscheiden, glaube ich. Also ich würde jetzt sagen, natürlich kann man das so oder anders sehen, und würde auch immer akzeptieren, dass andere eine andere Position haben.'

Man stelle sich diesen Satz mal auf einem Grünen-Parteitag vor. [...]

Nun, vor dem nächsten Parteitag Ende April, rückt eine Gruppierung ins Blickfeld, die es Katrin Göring-Eckardt noch ein bisschen schwerer machen dürfte, ihre Rollen als engagierte Christin und Spitzenkandidatin einer in Teilen sehr kirchenkritischen Partei auszubalancieren. Der 'Arbeitskreis Säkulare Grüne' will das Wahlprogramm nicht nur mit einem Antrag zum kirchlichen Arbeitsrecht verändern. Auch einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht soll es nach dem Willen des Kreises an Schulen nicht mehr geben. Und zum staatlichen Einzug der Kirchensteuer heißt es: 'Während Mitglieder von Parteien nur selten auf die Idee kommen, ihren satzungsgemäßen Beitrag zu zahlen und wir mit gescheiterten Einzügen umgehen müssen, so kann die Kirche sich auf die Finanzämter verlassen.'

[…] Auch in ihrer Kirche ist Göring-Eckardts Doppelrolle umstritten - eine Doppelrolle, die auch über die Protestanten unerwartet gekommen ist. Aber schon bevor das Ergebnis der Urwahl feststand, mahnte ihr Stellvertreter, der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU), die Spitzenkandidatur in einer Partei vertrage sich 'nicht mit der Vertretung aller evangelischen Christen'. Das ist bis heute die Stimmung im konservativen Flügel der Synode, wo man hin- und her gerissen ist zwischen der Bewunderung für die fromme Frau, die Christenpositionen zu den Grünen bringt - und der Angst vor der Politikerin, die Grünen-Positionen zu den Christen bringen könnte.

[…] Bis zur Wahl will auch Göring-Eckardt daran nichts ändern. Die Vorstellung, sich nicht mehr zu kirchlichen Themen zu äußern, hält sie für absurd: 'Es wäre schon merkwürdig, wenn ich das jetzt nicht mehr täte - so als würde ich einen Teil meiner Persönlichkeit abschneiden.'
(Matthias Drobinski und Christoph Hickmann, SZ vom 10.04.2013)