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Freitag, 10. Mai 2019

Weshalb ich nicht die Humanisten wähle.


Als Nichteuropäer darf ich natürlich auch nicht in Deutschland wählen, aber es wäre leicht mich für eine Partei zu entscheiden.
Ich bin seit über einem Vierteljahrhundert Mitglied der SPD, will das auch bleiben, werbe dafür sie zu wählen – auch wenn sie bloß das geringste Übel sein sollte.
Nahles und Klingbeil machen es einem natürlich sehr schwer. Aber als Sozialdemokrat ist man schon gewohnheitsmäßiger Masochist, liest immer wieder fassungslos von Wähler-Abschreckungsaktionen wie dem HÖ-Move der Ministerpräsidentin Schwesig.

Käme es hart auf hart und ich hätte das Wahlrecht, käme dennoch mein Kreuz zur SPD, weil es keine bessere Alternative gibt.

Um umfassend informiert zu sein, beziehe ich die Newsletter fast aller Parteien.

In der Blase meiner sozialen Medienwelt haben aber „Die Partei“ und „Die Humanisten“ ein enormes Übergewicht; ich teile wesentlich mehr Meldungen dieser Minis als von meiner Eigenen.
Das liegt einerseits daran, daß das Online-Team der SPD unfassbar schlecht ist und es tröstet wenig, daß das für alle „Alt-Parteien“ gilt.
„Die Partei“ erregt viel mehr Aufmerksamkeit, weil sie Humor einsetzt und schnell ist; „die Humanisten“ erregen immer wieder überproportional meine Aufmerksamkeit, weil sie gerade in dem für mich ungeheuer wichtigen Thema Religion als einzige wirklich meine Meinung vertreten.

Bei der Bundestags- oder Landtagswahl würde ich wegen der 5%-Hürde niemals eine Splitterpartei wählen, weil meine Stimme damit nur verloren geht und es den latent bevorteilten Konservativen um eine Stimme leichter macht Kanzler/Ministerpräsident zu werden.

Die Piraten schafften eine kurze Zeit die 5%-Hürde zu überspringen, wären also theoretisch wählbar gewesen, aber das hanebüchene Personal und die völlig unsinnigen Forderungen schlossen aus inhaltlichen Gründen ein Kreuz bei der Partei aus. Weswegen die Grünen und die Linken nicht für mich in Frage kommen, habe ich immer wieder erklärt.

 „Die Partei“ ist Satire und daher letztendlich auch nicht als Regierungspartei denkbar.

Die seriöseste Kleinstpartei schien die Partei der Humanisten zu sein, die auch auf dem Europawahlzettel steht und wegen der fehlenden 5%-Hürde womöglich sogar einen Sitz erreichen könnte.

Unglücklicherweise haben sich die Jungs inzwischen auch ins Aus geschossen, indem sie, die Säkularen, die Aufgeklärten, die Laizisten, ausgerechnet eine der borniertesten Ideen der Römisch-katholischen Kirche kopierten.
Sie formulierten eine „Ausschlussliste“ von Vereinen/Parteien/Ideen, die eine Mitgliedschaft bei den Humanisten verbieten.
Das erinnert an eine Mischung aus „Antimodernisteneid“ und die Liste der verbotenen Bücher.

(…..)- Bis 1967 mußten alle katholischen Geistlichen den von Pius eingeführten „Antimodernisteneid“ ablegen. (Motu proprio «Sacrorum antistitum» vom 01.September 1910)

Der Antimodernisteneid ist ein bedeutendes Stück Kirchengeschichte, den auch ein gewisser Herr Joseph Ratzinger feierlich geschworen hat. Ein Eid, der ein wirkliches „Dagegen-Monument“ ist.
Nichts dürfe sich jemals ändern, jede Aufklärung sei falsch:

[…] Deshalb verwerfe ich ganz und gar die irrgläubige Erfindung einer Entwicklung der Glaubenssätze, die von einem Sinn zu einem andern übergingen, der abweiche von dem Sinn, den die Kirche einst gemeint habe. Ebenso verwerfe ich jeden Irrtum, der das göttliche, der Braut Christi übergebene Vermächtnis, das von ihr treu bewahrt werden soll, durch eine Erfindung philosophischen Denkens oder durch eine Schöpfung des menschlichen Bewußtseins ersetzen will, das durch menschliches Bemühen langsam ausgebildet wurde und sich in Zukunft in unbegrenztem Fortschritt vollenden soll.
[…] Auch verwerfe ich den Irrtum derer, die behaupten, der von der Kirche vorgelegte Glaube könne der Geschichte widerstreiten und die katholischen Glaubenssätze könnten in dem Sinn, in dem sie jetzt verstanden werden, mit den Ursprüngen der christlichen Religion, wie sie wirklich waren, nicht in Einklang gebracht werden.
Ich verurteile und verwerfe auch die Auffassung derer, die sagen, ein gebildeter Christ führe ein Doppeldasein, das Dasein des Gläubigen und das Dasein des Geschichtsforschers, als ob es dem Geschichtsforscher erlaubt wäre, festzustellen, was der Glaubenswahrheit des Gläubigen widerspricht, oder Voraussetzungen aufzustellen, aus denen sich ergibt, daß die Glaubenssätze falsch oder zweifelhaft sind, wenn man sie nur nicht direkt leugnet.
Ich verwerfe ebenso eine Weise, die Heilige Schrift zu beurteilen und zu erklären, die die Überlieferung der Kirche, die Entsprechung zum Glauben («analogia fidei») und die Normen des Apostolischen Stuhls außer Acht läßt, die sich den Erfindungen der Rationalisten anschließt und die Textkritik ebenso unerlaubt wie unvorsichtig als einzige oberste Regel anerkennt.
Auch die Auffassung derer verwerfe ich, die daran festhalten, ein Lehrer der theologischen Geschichtswissenschaften oder ein Schriftsteller auf diesem Gebiet müsse zuerst jede vorgefaßte Meinung vom übernatürlichen Ursprung der katholischen Überlieferung oder von einer Verheißung der göttlichen Hilfe zur steten Bewahrung einer jeden geoffenbarten Wahrheit ablehnen. […] Endlich bekenne ich ganz allgemein: Ich habe nichts zu schaffen mit dem Irrtum, der die Modernisten glauben läßt, die heilige Überlieferung enthalte nichts Göttliches, oder, was noch viel schlimmer ist, der sie zu einer pantheistischen Deutung der Überlieferung führt, so daß nichts mehr übrigbleibt als die nackte, einfache Tatsache, die in einer Linie steht mit den gewöhnlichen Geschehnissen der Geschichte, die Tatsache nämlich, daß Menschen durch ihre eigenen Bemühungen, durch ihre Sorgfalt und Einsicht die von Christus und seinen Aposteln begonnene Schule in den nachfolgenden Zeitabschnitten fortsetzten. So halte ich denn fest und bis zum letzten Hauch meines Lebens werde ich festhalten den Glauben der Väter an die sichere Gnadengabe der Wahrheit, die in der Nachfolge des bischöflichen Amtes seit den Aposteln ist, war und immer sein wird, so daß nicht das Glaubensgegenstand ist, was entsprechend der Kultur eines jeden Zeitabschnittes besser und passender scheinen könnte, sondern daß niemals in verschiedener Weise geglaubt, nie anders verstanden wird die absolute, unabänderliche Wahrheit, die seit Anfang von den Aposteln gepredigt wurde. Ich gelobe, daß ich das alles getreu, unversehrt und rein beobachten und unverletzt bewahren, daß ich in der Lehre oder in jeder Art von Wort und Schrift nie davon abweichen werde. So gelobe ich, so schwöre ich, so helfe mir Gott und dieses heilige Evangelium Gottes.


Starker Tobak.
Das ist der Geist, der durch den Vatikan weht. Die meisten Kurialen haben mit diesem Eid ihre geistliche Laufbahn begonnen.
Kein Wunder, daß Ratzinger im Jahr 2009 die Exkommunikation der rechten FSSPX-Hetzer aufhob und die Hitlerfreunde wieder in sein Herz schloß.

Der Ratzinger-Papst hat nicht nur zufällig seine treusten Anhänger unter der FSSPX. Sein theologisches Hauptthema, der Kampf gegen das was er „Relativismus“ nennt, ist kongruent mit dem, was sein Vorgänger vor 100 Jahren unter „Modernismus“ verstand. (….)

Die Liste der verbotenen Bücher, über 6.000 an der Zahl, die kein Mitglied der katholischen Kirche lesen durfte, existierte bis 1966.

(…..) Die berüchtigte Liste der verbotenen Bücher der Katholischen Kirche, der Index Librorum Prohibitorum und der Index librorum purgandorum, enthielten zwar üble Werke, wie zum Beispiel die der bekannten Schmutzfinken Jean-Paul Sartre, Voltaire, vier Werke von Heinrich Heine, Pierre-Jean de Béranger, Die Kritik der reinen Vernunft von Immanuel Kant, Alexandre Dumas, René Descartes, Denis Diderot.
Nicht aber Hitler „Mein Kampf“, obwohl es Papst Pius XII gründlich gelesen hatte. (….)
Es ist keine Satire-Partei, sondern es sind die angeblich so wissenschaftsorientierten „Humanisten – Rational, liberal, fortschrittlich“, die sich ein ähnliches Kompendium ausgedacht haben.


Liberal meint hier aber offensichtlich ziemlich viel FDP und weniger “freigeistlich”.
Eine lange Liste zeigt was man als Mitglied bei „Die Humanisten“ nicht sein darf – beschlossen vom Bundesvorstand am 25.07.2018.

Neben Rechtsextremisten und Religioten aller Ausprägung findet man dort auch:

[…..] ATB (Europäisch-Türkische Union)
[…..] Bekenntnis zu Sozialismus und Kommunismus
    Ablehnung des Kapitalismus, bzw. der Grundsätze der Marktwirtschaft
    Gleichsetzung des Kapitalismus mit Krieg, Hunger, Armut, Rassismus etc. d. h. durchgehende, monokausale Erklärung von Übeln durch die marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung
    Unterstellung, dass die Politik in Deutschland bzw. in anderen liberalen demokratischen Staaten grundsätzlich nur den Interessen des Kapitals dienen würde
[…..] Bewunderung oder Respektsbekundungen für sozialistischen Massenmörder, wie bspw. Che Guevara, Stalin, Mao, Fidel Castro
Das Antifa-Symbol
Ein Bekenntnis zum Marxismus, Trotzkismus, Maoismus etc. als Weltanschauung
[…..]   die gesamte Partei: Die Linke
[…..]     ihre Zeitung Solidarität […..] ihre Zeitung sozialismus.info
[…..]  ihre Parteinahe Stiftung Rosa-Luxemburg-Stiftung
[…..]     Gruppen mit dem Namensbestandteil Antifa
[…..]     Gruppen die das Antifa-Symbol oder abgeleitete Symbole als Logo führen
[…..]     PKK / YPG […..] ihre Hochschulorganisation YXK bzw. JXK
[…..]     Union der Journalisten Kurdistans (YRK) […..] Union der kurdischen Lehrer (YMK) […..] Union der Juristen Kurdistans (YHK)
[…..] Föderation der demokratischen Aleviten (FEDA) […..] Föderation der yezidischen Vereine (FKE)
[…..]     Attac  […..] Die Zeitung Junge Welt
    Die Zeitung Jungle World […..] Die Zeitung Arbeiterstimme
[…..]     Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)
[…..]     Deutscher Freidenkerverband
[…..]     Gruppen gegen Kapital und Nation
[…..] Occupy-Bewegung […..]     Nachdenkseiten […..]    
 (Die Humanisten)

Da waren aber ein paar Überzeugte gründlich am Werk im Bemühen ihre Partei wirklich klein zu halten.

Antifa, Jungle World, Attac verboten für Humanisten?

Vielen Dank, liebe Humanisten; RKK 2.0, damit erübrigt es sich darüber nachzudenken, ob man Eure Partei wählen kann.

Einigen Humanisten dämmert es offenbar, daß eine rigorose Denkverbotsliste nicht bei jedem Anhänger des evolutionären Humanismus (dazu zähle ich mich!) gut ankommt.

Sie schoben daher kurz vor der EU-Wahl in Panik eine abmildernde Erklärung hinterher.

[…..]  Die Humanisten sind keine Partei für Extremisten und Radikale, für Nationalisten und Sozialisten [Was haben SOZIALISTEN in dieser Aufzählung zu suchen? –T.], für Verschwörungstheoretiker, Rassisten, Faschisten, Sexisten oder gewaltbereite Menschen. Wer solche Einstellungen pflegt, gehört nicht in unsere Partei. Das ist unser Grundsatz und zu dem stehen wir.
[…..]  Diese [Unvereinbarkeitsliste] soll als Handreichung typische extremistische und radikale Vereinigungen u.ä. benennen, auf die es bei einem Mitgliedsantrag zu prüfen gilt. Die Aussage dieser Liste ist einzig und allein, welche Organisationen nicht zu einer Mitgliedschaft in der Partei der Humanisten passen. […..]
[…..]  schließlich nehmen wir für uns in Anspruch, rationale, faktenbasierte Politik zu betreiben. […..] Immer wieder lesen wir deshalb, wie wir bloß für Dinge wie Glyphosat, Gentechnik oder Kernkraft sein könnten, das wäre ja nicht “humanistisch” oder “links” oder “sozial”. […..] Doch absolute Rationalität und Wissenschaftlichkeit funktioniert nicht, wenn man nur das als richtig und legitim untermauern möchte, was man bereits glaubt: Man muss auch bereit sein, sich selbst und seine Vorurteile stets zu hinterfragen. […..]

Ein klassischer Fall von Verschlimmbesserung.
Bisher ärgerte ich mich als Sozialdemokrat und somit „demokratischer Sozialist“, dessen Partei über 150 Jahre Hauptvorkämpferin für humanistische Werte wider die Religiosität war über die Anmaßung der Unvereinbarkeitsliste.

Aber nun bin ich auch noch als Naturwissenschaftler, als Chemiker entsetzt.
Spätestens als ich Nuklearchemie studierte und wir selbstverständlich auch in Kernkraftwerke gingen, lernte ich, daß die hartnäckigsten Kritiker der Kernkraft aus der Wissenschaft stammen.
Es ist rational und evidenzbasiert so eine Technologie abzulehnen.
Jetzt bin ich ernsthaft wütend. Glyphosat und Kernkraft kritisiert man nicht, weil das „links“ oder „sozial“ (und somit aus Partei-Sicht falsch) ist, sondern gerade als Naturwissenschaftler.

Bitte keine Stimme für die Humanisten!

Freitag, 29. März 2019

Schlechtere Parteien


Die SPD ist cool, ganz im Ernst.
In der seit zehn Jahren existierenden Facebookgruppe „Säkulare Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten“ finde ich Gesinnungsgenossen, die genauso ticken wie ich.

Außerhalb der SPD, aber innerhalb der Social Media finden sich hingegen Menschen, die meinen, als Atheist wären die Sozialdemokraten unwählbar geworden.

Gäbe es nur dieses eine Thema und gäbe es in der SPD auch nur den Parteivorstand, könnte man in der Tat zu dem Schluss kommen.

Es gibt aber noch andere wichtige Themen und die SPD ist natürlich noch viel mehr als die zur Zeit amtierende, heillos überforderte Führung.

Aus Jahrzehntelanger Erfahrung weiß ich, daß sich niemand mit Parteiprogrammen beschäftigt. Keiner liest sie und die schärfsten Kritiker bestimmter Parteien tun das fast immer von dubiosen Bauchgefühlen getrieben, ergeben sich in Antipathien für bestimmte Parteirepräsentanten und kämen niemals auf die Idee nüchtern zu analysieren, welche Politik das Beste für das Land ist und wie diese unter den gegenwärtigen Umständen parteitaktisch am ehesten umzusetzen ist.

Vor Jahren erschreckte man noch ob des Schrammschen Begriffes „Urnenpöbel“.
Inzwischen erscheint mir das ob all der plebiszitären Geniestreiche pro Trump, Brexit, Erdoğans Verfassungsreform, Salvini und Orban eher als euphemistische Beschreibung. Wähler sind Idioten!

Die Idee des Textes, daß nämlich in Wahrheit mächtige Interessenverbände die Politik bestimmen und die Wählerschaft kaum gefragt ist, respektive aus Desinteresse stoisch das ankreuzt, das ihnen empfohlen wird, hat Schramm im Januar 2004 unnachahmlich beschrieben, ich zitiere das erneut:

"Interessensverbände machen die Politik. Die ziehen die Fäden, an denen politische Hampelmänner hängen, die uns auf der Bühne der Berliner Puppenkiste Demokratie vorspielen dürfen. Diese Politfiguren dürfen dann in den öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Christiansen und Illner ihre Sprechblasen entleeren. Und wenn bei der intellektuellen Notdurft noch was nachtröpfelt, dann können sie sich bei Beckmann und Kerner an der emotionalen Pissrinne unter das Volk mischen."

Wenn ich mich extrem über WahlERGEBNISSE oder UmfrageERGEBNISSE ärgere und denke, daß viele Wähler unzureichend nachgedacht haben, drücke ich das gerne mit der Vokabel „Urnenpöbel“ aus - wohlwissend, daß das Wort unzutreffend pauschalisiert.

Auf Facebook und Twitter kann man das aber schlecht erklären, weil es dort zu schnell und zu oberflächlich zugeht.
Und schon gar nicht darf man die Schwarmintelligenz der Wahlberechtigten in parteiaffinen Gruppen anzweifeln. Das ist ein Tabu, denn alle basieren auf dem Votum des Souveräns, buhlen um seine Stimmen. Dem schmiert man Honig ums Maul. Daher ist es eine der beliebtesten Floskeln aller Talkshow-Politiker von ganz links bis ganz rechts den Moderator mit „unterschätzen Sie die Intelligenz der Bürger nicht! Das durchschaut doch der Wähler“ Die Wähler sind viel klüger als wir denken!“ zu belehren.

Ich glaube davon kein Wort und halte das für ganz erbärmliches Einschleimen.

Wenn ich selbst allerdings gerade keine Lust habe mich beschimpfen zu lassen, erzähle ich nicht was ich von den Wählern halte, sondern stelle bei SPD-Beschimpfungen die Gegenfrage „wen würdest Du denn stattdessen wählen?“.

Da werden mir entweder säkulare Kleinstparteien (Humanisten, Piraten, Die Partei) empfohlen, die aber parteitaktisch de facto eine Stimme für RECHTS bedeuten, weil sie ohnehin an der 5%-Hürde scheitern.
Linke? Die sind tatsächlich außenpolitisch leicht irre, wie ihr Eintreten für Herrn Maduro zeigt. Nur weil Trump Maduro auch doof findet, ist Maduro nicht nett
Außerdem gibt es noch die braune Querfrontlerin Wagenknecht an der Fraktionsspitze.
Grüne? Wanzen sich immer ungenierter als Mehrheitsbeschaffer an die CDU und CSU heran (Hessen, Bayern), halten echte Extremisten (Boris Palmer) und Hardcore-Religioten (Göring-Kirchentag) in Toppositionen.

Die Piraten hatte ich zwischenzeitlich schon fast ganz vergessen. Eine meine letzten Erinnerungen waren, daß der Rüstungslobbyist und ehemalige Bundespartei-Chef Bernd Schlömer 2015 in die FDP eintrat, für die er ein Jahr später ins Berliner Abgeordnetenhaus einzog und daß der prominenteste Pirat der Fraktion, Gerwald Claus-Brunner, Ende 2016 erst auf bizarre Weise einen jungen Mann tötete, den er stalkte und sich anschließend selbst umbrachte.

Im Zuge der Urheberrechtsreform im Europaparlament (das hat man davon, wenn man nicht zur Wahl geht und die Konservativen bestimmen, liebe linke SPD-Kritiker!) erfuhr man von einer der letzten Piratinnen der Politik: Julia Reda.
Die 34-Jährige Bonnerin war zehn Jahre bei den Piraten, saß für sie im EU-Parlament und gehörte zu den schärfsten Kritikerinnen der durch die Urheberrechtsreform möglicherweise drohenden Uploadfiltern.

Sie war Piratin. Die einzige Piratin des EU-Parlaments. Nun ist sie ausgetreten und ruft in einem dramatischen Appell dazu auf alle anderen zu wählen – aber nicht die Piraten.

Reda hat sich der Grünen Fraktion angeschlossen, weil die Piraten bei der EU-Wahl 2019 den sehr übergriffigen Gilles Bordelais als Kandidat aufstellten, obwohl dieser mehrere Frauen sexuell belästigt hatte.

[…..] Reda begründete ihren Schritt mit einer unklaren Haltung der Piraten in einer besonders wichtigen Frage. Auf Listenplatz zwei der Piratenpartei stehe ein Mann, der dort nicht hingehöre. Er ist Mitarbeiter des Europäischen Parlaments, der nach Redas Angaben als Leiter ihres Büros tätig war und in Zukunft EU-Abgeordneter sein will - obwohl es Beschwerden wegen sexueller Belästigung gegen ihn gab, die von der Parlamentsverwaltung geprüft wurden.
"Der Beirat für Belästigung am Arbeitsplatz (ein interner Ausschuss in der Personalverwaltung des Europaparlaments) hat festgestellt, dass Aspekte seines Verhaltens sexuelle Belästigung darstellen. Das ist für mich absolut inakzeptabel. So jemand darf nicht gewählt werden", machte sie deutlich.
Die Piratenpartei habe nicht genügend getan, um ihn von der Wahlliste zu entfernen. Vorwürfe habe es schon im Sommer 2018 gegeben. Aber der Bundesvorstand habe den umstrittenen Kandidaten "mehr oder weniger" in Schutz genommen. Deshalb dürfe die Partei auch nicht mit ihrem Namen in den Wahlkampf ziehen. [….]



[…..] Vor ihrer Wahl ins Europäische Parlament hat die Piraten-Politikerin Julia Reda eine Erklärung unterzeichnet, zu der eine Klausel gehörte: Egal wie fähig jemand ist - wer andere diskriminiert, mobbt oder den Zusammenhalt der Gruppe gefährde, werde nicht eingestellt. Reda hat diese Regel befolgt; nachdem ihrem Büroleiter glaubhaft sexuell übergriffiges Verhalten im Parlament vorgeworfen worden war, entließ sie ihn. Weil er sich dennoch einen guten Listenplatz für die diesjährige Wahl sichern konnte, ist nun sie bei den Piraten ausgetreten.
Belästigung und Sexismus sind kein Problem der Piraten, sondern ein parlamentarisches. Das ist eindrücklich auf dem "Me Too"-Blog des EU-Parlaments dokumentiert, wo Mitarbeiterinnen regelmäßig verstörende Erfahrungen aus ihrem Arbeitsalltag in Brüssel teilen. [….]
 

Sonntag, 18. September 2016

Typisch Berlin.



Einer der Unterschiede zwischen SPD und CDU ist, daß erstere eine Menge Persönlichkeiten hervorgebracht haben, auf die man als Parteimitglied wirklich stolz sein kann.
Unglücklicherweise sind in letzter Zeit viele von den Guten gestorben. Egon Bahr, Helmut Schmidt, Jutta Limbach und Henning Voscherau.
Das sind Namen, bei denen ich tatsächlich ein Wort auspacke, welches ich so gut wie nie verwende: Vorbilder.
Haltung, Intellekt, Persönlichkeit.

Als Henning Voscherau 1997 zu meinem größten Bedauern zugunsten des weit schwächeren und langweiligeren Ortwin Rundes zurücktrat, tat er das aufgrund des schwachen SPD-Wahlergebnisses von 36,2% und verkündete kurz und knapp, damit sei seine persönliche Schmerzgrenze unterschritten.
Bei unter 40% konnte man aus seiner Sicht nicht mehr von einem Vertrauensbeweis für den Bürgermeister sprechen.

Wer hätte damals auch geahnt, daß bei der nächsten Wahl im Jahr 2001 CDU-Mann von Beust mit 26,2% Bürgermeister wurde, weil er ungeniert den rechten Spinner Schill ins Boot holte.

Heute nun errang die SPD bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl nach gegenwärtigem Auszählungsstand erbärmliche 21,6%, für die sich Bürgermeister Müller feiern lässt. „Stärkste Partei, klarer Regierungsauftrag, Wahlziel erreicht“ – so tönt es heute von SPD-Spitzenpolitikern.
Beinahe 80% der Wähler konnten sich nicht dazu durchringen den amtierenden Bürgermeister zu wählen. Bei einer Wahlbeteiligung von gut 66% entsprechen die Stimmen für Michael Müller kaum mehr als 14% aller Wahlberechtigten.
Da braucht es eine Menge Suggestionskraft sich das als „Sieg“ schönzureden.
Zum Glück für die SPD schnitt die CDU noch miserabler ab; kommt nur auf etwa 17,5% in der Hauptstadt (~11,5% aller Wahlberechtigten).
Die Umfragedaten von ARD und ZDF legen nahe, daß es in diesem Fall tatsächlich nicht an Merkel liegt. Merkel ist für CDU-Anhänger immer noch ein sehr großer Antrieb die Partei zu wählen – im Gegensatz zu Sigmar Gabriel, der potentielle SPD-Freunde eher abschreckt.
Merkels Problem in Berlin ist ein ganz Altes: Die Hauptstadt-CDU ist traditionell einer der unfähigsten Haufen aller 15 Landesverbände.
 Klaus-Rüdiger Landowsky, Christoph Stölzl, Friedbert Pflüger, Ingo Schmitt und Frank Steffel sind allesamt pures Urnengift.
Intrigant, provinziell und blöd verkörpern sie eine zutiefst korrupte alte Westberliner CDU, die habituell so gar nicht zu einer modernen Großstadt passen will.

[….] Die Berliner CDU bräuchte Persönlichkeiten an der Spitze wie die Kulturstaatsministerin im Bundeskanzleramt, Monika Grütters, Mitglied der Berliner CDU. Aber diese besonders großstädtische Frau haben die Reinecken- und Zehlendorfer der Partei immer wieder ausgebremst. Für den Altherrenclub Berliner CDU wäre das zu viel Veränderung. Wie weit die CDU mit der Haltung kommt, hat sich jetzt gezeigt. [….]

Dazu habe ich ohnehin noch eine Frage an die Berliner:
Was habt Ihr eigentlich für eigenartige Moderatoren beim RBB? Für die ARD führte Sascha Hingst durch die Wahlsendung. Er kennt aber die Spitzenpolitiker gar nicht, redet sie mit falschen Namen an oder ordnet sie falschen Partien zu und im RBB floskelte der ultragegelte Ingo Hoppe ständig von dem „ungeheuer spannenden Wahlabend“, obwohl es nun alles andere als spannend war. Es traten genau die prognostizierten Ergebnisse ein. Könnte man nicht zum Befragen der Politiker irgendwo in Berlin einen Journalisten ausgraben, der auch so ganz grob ein bißchen was von Politik versteht???

Heute muß ich von meinem üblichen Wählerbashing ein wenig abrücken und zum Politikerbashing übergehen.

Rückblick: Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre hatten die CDU-Strippenzieher Diepgen und Landowski durch Dauermauscheleien den sogenannten „Berliner Bankenskandal“ ausgelöst, der den Berliner Landeshaushalt für sehr lange Zeit ruinieren sollte.
Milliarden wurden verzockt.
Das Land Berlin mußte anschließend für 21,6 Milliarden Euro Immobilienrisiken auf sich nehmen und mehre Milliarden Kapital an die Landesbanken zuschießen.
Der neue Bürgermeister Klaus Wowereit wurde also durch die reinen CDU-Altlasten dazu gezwungen „zu sparen bis es quietscht“. In den rot-roten Jahren mit dem inzwischen leider wahnsinnig gewordenen Finanzsenator Sarrazin konnte der Haushalt aber tatsächlich einigermaßen ins Lot gebracht werden.
In den letzten Jahren boomt Berlin. Zehntausende ziehen dorthin, es gibt eine Gründerszene, Touristenansturm und sogar sinkende Arbeitslosigkeit, während der Senat Haushalte mit dreistelligen Millionenüberschüssen produziert.

Die Stadt ist attraktiv, sie wächst und Geld ist offenbar auch da.
Man könnte nun also eine politische Führung gebrauchen, die tatsächlich politisch tickt und die Stadt irgendwie gestalten will.
In Hamburg kennen wir das von unserem ehemaligen Bürgermeister Henning Voscherau, der mehrere hundert Millionen DM lockermachte, um prophylaktisch die gesamte Hamburger Kanalisation zu sanieren und Europas größtes Bauprojekt, die Hamburger Hafencity, ersann.
Hamburg sollte auf Jahrzehnte für die Zukunft gerüstet sein.
Die Berliner Landespolitiker scheinen mir eher als Gemeinderatsmitglieder in kleinen Dörfern zu taugen.
Ich kann nicht erkennen wofür Müller oder Henkel eigentlich stehen sollten.
Die FDP taucht gar als Einthemenpartei wieder auf, indem sie sich für die Weiterführung des uralten Provinzflughafens Tegel engagiert. Ein Flughafen, auf dem ich einmal 1992 landete und ihn damals schon als hoffnungslos provinziell und veraltet ansah.
Müßte man nicht als Hauptstadtpartei irgendwelche Kandidaten finden, denen es nicht ausreicht mit gerade mal etwas mehr als 20% mangels Alternative irgendwie weiterregieren zu können?
Vertreter der Linken sagten heute, die Stadt müsse endlich nicht mehr bloß verwaltet, sondern auch regiert werden. Schön wäre es, wenn sie wenigstens gut verwaltet worden wäre.
Aber LAGESO und Ämterchaos haben gezeigt, daß die Landes-GroKo schon mit der Verwaltung völlig überfordert ist.
Mario Czaja, CDU-Sozialsenator und vermutlich größter Versager Berlins, vermehrt sich nun aber quasi auch noch, indem sein jüngerer Bruder Sebastian Czaja als Berliner FDP-Chef nun ebenfalls ins Parlament einzieht.

Berlin versinkt planlos im Boom
Die Hauptstadt erlebt einen faszinierenden Aufschwung. Doch genau daran scheitert die Berliner Politik, denn einen Zukunftsplan für die Stadt gibt es nicht.
[….] Die vielen Gäste sind dabei nur der kleinere Teil der Herausforderung. Zehntausende ziehen Jahr für Jahr nach Berlin. Es geht auf die Vier-Millionen-Einwohner-Grenze zu. Wo einst billige Wohnungen leicht zu finden waren, sind heute selbst die teuren Mangelware. Dieser Anstieg wäre schon für eine organisch gewachsene Stadt schwer zu organisieren. Berlin aber lebt mit einer verfallenen Infrastruktur.
Zu so einem Wochenende von Berliner Art gehört auch, dass Eltern Klassenräume in einen zumutbaren Zustand versetzten. Die maroden Schulen stehen genauso für die andere Seite Berlins wie die notorisch überforderten Bürgerämter. Berlin boomt und kommt sich selbst dabei nicht mehr hinterher. Reflexhaft wird die Stadt deshalb von Spöttern zum verwaltungstechnischen Katastrophengebiet erklärt. [….] Im Vordergrund stehen Ängste und Sorgen - und das Bemühen der Regierenden, die Leute zu beruhigen, dass alles nicht so schlimm werde, wenn man sie nur wieder wählt. Symptomatisch ist der Wahlkampf von Regierungschef Michael Müller, dem es nur noch darum zu gehen scheint, das Rote Rathaus nach 27 Jahren im Senat für die SPD zu halten. Im Wahlkampf beginnt jeder seiner Slogans mit dem Versprechen: "Berlin bleibt . . .". Das ist grotesk in einer Stadt, die sich dramatisch verändert und verändern muss. [….]

Bei solch verzagten provinziellen Berliner Spitzenpolitikern, fällt es xenophoben Hetzern wie Andreas Scheuer, der wieder einmal als AfD-Wahlhelfer Stimmung macht, leicht die Ängste der muffigen Spießbürger Berlins weiter anzufachen.

[….] CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat mit einer abschätzigen Bemerkung über abgelehnte Asylbewerber aus Afrika Kirchen- und Oppositionsvertreter gegen sich aufgebracht.
Beim Regensburger Presseclub am Donnerstag sprach Scheuer zum Thema Flüchtlinge in Deutschland. Zuerst echauffierte sich der CSU-Sprecher über angebliche "Asylurlauber". Er meinte anerkannte Flüchtlinge, die von Deutschland aus in ihre alte Heimat reisen, aus der sie zuvor geflohen waren. Sie sollten "gleich dort bleiben, wo sie hergekommen sind".
Eine Recherche der "Welt am Sonntag" hatte ergeben, dass es vereinzelt solche Fälle gibt, Zahlen liegen nicht vor. Scheuer sagte dennoch, es werde "von ganzen Gruppen berichtet, die herumreisen".
Im weiteren Verlauf folgte der Satz, der nun für viel Empörung sorgt: "Das Schlimmste", sagte Scheuer, "ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier - als Wirtschaftsflüchtling. Den kriegen wir nie wieder los." […..]

Ich nehme an, die CSU hat inzwischen die Dankesschreiben der Berliner AfD-Vorsitzenden Beatrix Schießbefehl von Storch erhalten.

Klar, ich hätte in Berlin auch Michael Müller gewählt.
Aber wirklich nur, weil er das kleinste Übel ist.

PS:
Daß die Piraten mit 1,x% aus dem Parlament flogen, kann man nach der sinnlosen Null-Performance der letzten fünf Jahre nur als folgerichtig bezeichnen.
2017 werden die Deppen auch aus den verbliebenen Landtagen getilgt.