Montag, 12. Juli 2021

Fromme an der Spitze

Angela Merkel gilt als fromm, weil ihr Vater Horst Kasner Pfarrer war.  Als Vikar an der Epiphanienkirche im feinen Hamburg-Winterhude heiratete er die Lehrerin Herlind Jentzsch und wurde offensichtlich ein immer frommerer Pfaff.

Einer, der noch 1954 aus dem säkularen westdeutschen Hamburg in das DDR-Dorf Quitzow bei Perleberg ging; offenbar vom missionarischen Eifer getrieben, die sozialistischen Ost-Schäfchen zu guten Christen zu machen. Klein Angela und ihre Mutter blieben noch einige Wochen in der piekfeinen Eppendorfer Isestraße, bis sie dem frommen Horst in den Sozialismus folgten.

Nach gängiger Lesart sind DDR-Christen als bockige Minderheit in der atheistischen Mehrheitsgesellschaft ganz besonders gläubig. Die Hardcore-Christen Wolfgang Thierse und Kathrin Göring-Kirchentag scheinen die These zu bestätigen.

Angela Merkel betonte als ewige Vorsitzende der größten christlichen Partei Deutschlands natürlich auch ihre christlichen Überzeugungen.

Aber eigentlich haben wir keine Ahnung, ob Merkel ein so tiefgläubiger Mensch wie Schavan und Nahles ist und den ganzen Tag voller Entzücken mit feuchtem Höschen an den lieben Herrn Jesus denkt.

Es hat etwas von Sippenhaft, vorauszusetzen, daß sie ähnlich fromm wie ihr Vater sein müsste. Die Wahl ihres Studiums spricht nicht dafür. Glaubensferner als Physik geht es nicht.   Wir wissen aber, daß Merkel einen ausgeprägten Machtinstinkt hat und dafür ist es in einem strukturkonservativen Land wie Deutschland, in dem nun einmal die meisten CDU wählen, sinnvoll neben dem Ministerjob eine Parteilaufbahn in jener CDU anzustreben. Wenn man keine störenden moralischen oder sozialen Ansichten hat, ist das machttaktisch sinnvoll und in dem Fall sagt man natürlich nicht laut, daß einem die Religion nichts bedeutet.

Die nächste CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen darf man getrost zu den Katholiban zählen. Sie ist tief verwoben in das katholische Brauchtum, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Botschafterin der Hardcore-Christen von der Stiftung pro missio.  Im Falle AKK strahlen ihre aus dem Katholizismus übernommenen menschenfeindlichen Überzeugungen immer wieder auf ihre Politik aus. Sie diskriminiert offen und wiederholend Schwule, Lesben oder Transgender.

[……] Ein Blick auf ihre religionspolitische Haltung zeigt aber, dass die gläubige Katholikin eine christliche Hardlinerin ist, die das Rad der Geschichte zurückdrehen möchte.  Die 56-jährige Annegret Kramp-Karrenbauer ist bekannt für ihren leidenschaftlichen Einsatz im Dienste der Religion. Sie ist nicht nur Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), sondern demonstriert immer wieder ihre Frömmigkeit, wenn es um politische Inhalte geht.  So ist es noch nicht lange her, als Kramp-Karrenbauer sich gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare aussprach, da diese zu einer Zulässigkeit von Inzest und Polygamie führen könne. Einen Grund zur Entschuldigung wollte sie auch nach heftigen Reaktionen nicht sehen. Vielmehr bekräftigte sie ihr christliches Eheverständnis erst kürzlich bei der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" und im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin.   Ihre Aussage reihte sich in eine lange Liste religiöser Peinlichkeiten ein: Kurz nach dem Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" sprach sie sich etwa gegen eine Streichung des sogenannten "Blasphemie-Paragraphen" (§ 166 StGB) aus. Denn dieser verdeutliche, dass Religion und die damit verbundenen Gefühle der Menschen ein schützenswertes Rechtsgut seien.  Ebenso entschieden positionierte sie sich gegen die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (§ 219a StGB) und verteidigte die selbsternannten "Lebensschützer" von Durchblick e. V., die regelmäßg Plastik-Embryonen versenden, um Abtreibungen anzuprangern. Verständnis für Kritik an der geschmacklosen Aktion hatte Kramp-Karrenbauer nicht. Im Gegenteil: "In einer Gesellschaft läuft einiges schief, wenn sich die Öffentlichkeit nicht mit 1.278 Abtreibungen allein im Saarland beschäftigt, sondern über eine Kampagne zum Thema aufregt", meinte die damalige saarländische Familienministerin gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur idea.  Als Retterin des christlichen Abendlandes inszenierte sich Kramp-Karrenbauer auch, indem sie sich gegen eine Entscheidung des Saarbrücker Amtsgerichts wandte, Kreuze aus den Sitzungssälen entfernen zu lassen: "Das Kreuz verdeutlicht, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist", so Kramp-Karrenbauer laut Saarländischem Rundfunk. Die NS-Justiz habe gezeigt, was es bedeute, wenn sich der Mensch zum absoluten Richter mache. "Deswegen hat es für mich keinen Sinn, das Kreuz generell aus Gerichtssälen zu verbannen".  Durch die Initiative von Kramp-Karrenbauer wurde zudem der Reformationstag in vielen Bundesländern zum Feiertag erklärt. Als saarländische Ministerpräsidentin nahm sie unter anderem an einem "Fest zu Ehren Martin Luthers" teil. [….]

(hpd, 10.12.2018)

Armin Laschet ist sogar noch extremer als Kramp-Karrenbauer. Monsignore Heribert August, 74, begleitet seit 30 Jahren jeden Schritt des CDU-Vorsitzenden.

[…..] Armin Laschet ist auf eine katholische Grundschule gegangen, danach auf das Bischöfliche Pius-Gymnasium. Er hat in seiner Gemeinde Jugendarbeit gemacht, war Messdiener und sang im Kirchenchor. Als Jugendlicher überlegte Laschet kurz, Priester zu werden, entschied sich dann aber dafür, Jura zu studieren. Während des Studiums in München und Bonn war er Mitglied in katholischen Verbindungen. 1991 wurde er Chefredakteur der Kirchenzeitung in Aachen, später Geschäftsführer des katholischen Einhard-Verlags. Bis 2016 war Laschet Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken. [….]

(Spiegel, 20.06.2021)

Für einen wie Laschet sind Homoehe und Transgender-Menschen bis heute einfach bähbäh.

Er ist nicht nur überzeugter Katholik, der sich fortwährend mit Priestern bespricht und sich schützend vor die schlimmsten Kinderfi**er-Bischöfe stellt, sondern pflegt Kontakte  zum ultra-ultrakonservativen Opus Die; jenem berüchtigten geheimen Folter-Orden innerhalb der RKK.   Sein Mastermind und engster Vertrauter, der radikal homophobe Staatssekretär Liminski gehört zum Opus Dei. Aber auch die Familie, in die er einheiratete, ist berüchtigt für ihre Verbindungen zum dunklen Geheimorden.

[…..]  Der deutsche Theologe Peter Hertel beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Opus Dei. »Schleichende Übernahme« heißt eines seiner Bücher über die Organisation. Ziel des Opus, schreibt Hertel, sei ein autoritärer, uniformer und schlagkräftiger Katholizismus – durch »Besetzung zentraler kirchlicher Schaltstellen und Kapitalansammlung«. […..]  Eng verbunden mit dem Opus Dei ist auch der Jugendklub »Linie 15« in Bonn – ein Klub nur für Jungen, gegründet von Eltern, die laut Selbstbeschreibung »eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für ihre Söhne mit einer tiefen christlichen Prägung« suchen. Liminski ging hier in seiner Jugend regelmäßig hin. Als 20-Jähriger baute er die »Generation Benedikt« mit auf, ein Jugendnetzwerk, benannt nach dem konservativen, 2013 emeritierten Papst.  Im Jahr 2009 trat Liminski als Redner beim Kongress »Freude am Glauben« des Forums Deutscher Katholiken auf. Er stand auf einer Bühne unter einem Bild des Papstes und schimpfte auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, deren Schriften »nicht mehr aufklärerisch, sondern eher pornografisch« seien. Er sprach von »sexueller Orientierung als Instrument vermeintlicher Selbstbestimmung«. Und er bedauerte, dass aus Schulen, Gerichten und öffentlichen Gebäuden Kreuze entfernt würden. […..]   Kurt Malangré, der Bruder von Laschets Schwiegervater, saß einst für die CDU im Europaparlament, war Oberbürgermeister in Aachen und das erste Opus-Mitglied in Deutschland. Sein Bruder Heinz Malangré, Laschets Schwiegervater, war Miteigentümer der Kirchenzeitung, für die Laschet einst als Chefredakteur arbeitete. […..]  (Spiegel, 20.06.2021)

Laschet ist keineswegs nur privat Katholik.

In der Pandemie gefährdete er massiv Menschenleben, indem er sich hartnäckig für die hochriskanten Kirchenöffnungen einsetzte.

Als Ministerpräsident trachtet er danach, die menschenrechtsfeindlichen Opus-Dei-Fanatiker mit Posten zu versorgen.

[…..] Unter den fünf Organisationen, die von der Politik neu in den Rundfunk entsendet wurden, ist der Verband kinderreicher Familien Deutschland. Er soll auf Initiative der CDU-Fraktion, der auch Ministerpräsident Armin Laschet angehört, zu seinem Sitz im WDR-Gremium gekommen sein.  Die Lobbyvereinigung setzt sich für Toleranz und Anerkennung von Großfamilien ein. Das klingt zunächst harmlos und ehrenwert, allerdings agieren im Hintergrund des Verbands offenbar Personen mit erzkonservativen, fragwürdigen Positionen. Es sind Ansichten, die jenseits des Wegs von »Maß und Mitte« liegen, den Unions-Kanzlerkandidat Laschet im Bundestagswahlkampf gern propagiert.  Den Verband kinderreicher Familien e.V. gibt es seit 2011, der Sitz der Geschäftsstelle ist in Mönchengladbach. Laut eigener Auskunft hat er 6000 Mitglieder. Es gehe darum, Menschen Mut zu machen, drei und mehr Kinder zu bekommen, heißt es vonseiten des Verbands.[…..] In den vergangenen Jahren trafen sich Verbandsvertreter mit dem NRW-Familienminister und Vizeministerpräsidenten Joachim Stamp (FDP) und mit Nathanael Liminski (CDU), dem Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf. […..] Teil des Beratergremiums ist Manfred Spieker. Der Sozialwissenschaftler ist Mitglied bei Opus Dei, jener erzkonservativen Organisation katholischer Laien und Priester, die der Mythos eines Geheimbunds umgibt. Spieker war einst auch CDU-Mitglied, er trat 2017 aus, als die Große Koalition mit Stimmen der Union die Ehe für alle beschloss.  Homosexualität bezeichnete er damals als »lebensfeindlich«. Die kirchliche Segnung homosexueller Paare, sagt er, schade der Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Zusammen mit AfD-Politikerinnen und AfD-Politikern trat Spieker schon bei den sogenannten »Demos für Alle« auf, deren Veranstalter gegen die Rechte sexueller Minderheiten mobil machen.  Auch Herwig Birg, ein emeritierter Bevölkerungswissenschaftler, gehört zum Verbandsbeirat. Den Fachkräftemangel solle Deutschland durch eine »Steigerung der Geburtenrate« und nicht »durch Zuwanderungen aus dem Ausland« bekämpfen, forderte er 2019 in einem Interview mit der Stiftung für Familienwerte. […..] 2015 trat Birg beim AfD-Bundesparteitag auf. Manche seiner Thesen tauchten in AfD-Pressemitteilungen auf. […..] Der Verband kinderreicher Familien hat im Rundfunkrat nur einen Sitz, sein Einfluss in dem Gremium dürfte begrenzt sein. Dennoch stellt sich die Frage: Warum unterstützt die CDU eine Organisation, in der Homophobie und antimoderne Denkmuster verbreitet zu sein scheinen? […..]

(SPON, 12.07.2021)