Eine
Kernthese, die sich durch diesen Blog zieht, ist mein konsequentes Eintreten
für die repräsentative Demokratie und somit meine Ablehnung direkter „Volksentscheidungen“.
Plebiszitäre
Elemente münden letztendlich in der Diktatur der Inkompetenz.
Es ist
viel sinnvoller Entscheidungen den „Profis“ in den Parlamenten zu überlassen.
Menschen, die sich rund um die Uhr mit der Thematik beschäftigten und nicht aus
Launen heraus etwas ablehnen oder favorisieren.
Der
Einfluss von Laien ist immer höchst problematisch.
Natürlich
besteht die Gefahr, daß Profis sich zu sehr von der Realität entfernen und
daher von Zeit zu Zeit „geerdet“ werden müssen.
Das ist
der Grundgedanke von Schöffen bei Gericht. Der Richter, der rund um die Uhr mit
Kriminellen zu tun hat, soll mit Menschen aus dem Volk diskutieren, bevor „im
Namen des Volkes“ entschieden wird.
Gut
gemeint, aber meistens führt es dazu, daß die Laien viel härter urteilen
wollen, weil sie von den Angeklagten abgestoßen sind und sich weniger um
Verhältnismäßigkeit sorgen.
Vollkommen
absurd ist das angelsächsische Geschworenensystem, wo es oft weniger um
Wahrheit und Schuld geht, sondern darum wie sympathisch der Angeklagte wirkt.
Wird
eine häßliche, unfreundliche schwarze Frau von einem gutaussehenden weißen Mann
vergewaltigt, wird der Täter fast immer freigesprochen.
Wenn ein grobschlächtiger Schwarzer ein nettes weißes Mädchen vergewaltigt haben soll, wird er fast immer verurteilt. Daß es sich um das gleiche Verbrechen handelt, zählt nicht.
Wenn ein grobschlächtiger Schwarzer ein nettes weißes Mädchen vergewaltigt haben soll, wird er fast immer verurteilt. Daß es sich um das gleiche Verbrechen handelt, zählt nicht.
Vollkommene
Gerechtigkeit kann es nie geben, aber der Staat kann das Justizwesen möglichst
objektivieren, um wenigstens der Gerechtigkeit näher zu kommen.
Wichtige
Schritte dieses Prozesses waren die Abschaffung der Selbstjustiz und der
Lynchjustiz. Es ist richtig die Opfer eines Verbrechens nicht an der
Urteilsfindung zu beteiligen, da sie nun einmal a priori subjektiv sind.
Überlasst
die Justiz den Profis.
Sehr
richtig und wichtig ist auch die Trennung von legislativer, exekutiver und
judikativer Gewalt.
Politiker
sollen sich nicht in Urteile einmischen.
Das
Paradebeispiel für die Urteilsunfähigkeit „des Volkes“ ist der Shitstorm, der
sich über die Edathy-Richter ergießt.
Hunderttausende
haben eine Bundestagspetition gegen das Urteil unterschrieben. Eine Petition,
die von Doofheit und Rechtschreibfehlern strotzt
und natürlich nicht beachtet, daß der Bundestag gar nicht in Strafverfahren
eingreifen darf.
Daß
selbstverständlich diese Paarhunderttausend Menschen genauso wenig wie ich
wissen, was sich Sebastian Edathy im Internet für Jungsbilder angesehen hat,
spielt für ihre Meinungsfreudigkeit ohnehin keine Rolle. Wozu nach Faktenlage und
realer Schuld urteilen, wenn man subjektiv nach Gefühl und Hörensagen verdammen
kann?
Vor
Gericht waren doch offensichtlich keinerlei Beweise für illegale
Kinderpornographie gefunden worden. Die Kriminalisten konnten zwar gelöschte Dateien
wieder sichtbar machen, aber dabei handelte es sich im Material, das zum
Zeitpunkt, als es runtergeladen wurde, legal war.
Das
BILD- und FACEBOOK-Volk stört sich nicht an Fakten, sondern argumentiert
ernsthaft; jemand, der sich solche Bilder besorge, konsumiere sicher auch
härteres Zeug.
Kann sein.
Kann aber auch nicht sein.
Vor
Gericht gilt aber IN DUBIO PRO REO – man kann für nichts verurteilt werden, das
nicht zu beweisen ist. Simple as that.
Zudem
echauffiert sich das Pack über die geringe Summe von € 5.000, die Herr Edathy
zahlen mußte.
€ 5.000
sind zu wenig?
Kann sein.
Kann aber auch nicht sein.
Ich kann
das nicht beurteilen.
Ich weiß
aber, daß € 5.000 Euro zufällig auch genau die Maximalsumme ist, die die RKK an
Kinder zahlt, die von ihren Priestern über Jahre geschlagen und sexuell
missbraucht wurden.
Wenn man
das als Maßstab nimmt, also das komplette Zerstören einer Menschenseele und das
physische anale Vergewaltigen eines Kindes, scheint mir Edathy sogar extrem
hart bestraft zu sein, wenn er dieselbe Summe für das bloße Ansehen von nicht
sexuellen Photos bezahlt.
Zudem sind
die vielen Katholischen Geistlichen, die Kinder gefickt haben bis heute von der
lieben RKK insofern geschützt, daß ihre Identitäten nicht bekannt gegeben
werden. Auch in dieser Hinsicht ist Edathy viel schlimmer dran – er ist
öffentlich für immer erledigt in Deutschland und wird niemals irgendwo einen
Job bekommen.
Es heißt
jetzt wieder Lynchjustiz – Verhältnismäßigkeit brauchen wir nicht.
Ein ganz
übles Bild gibt auch der Kinderschutzbund ab, der populistisch die € 5.000 Edathys
abgelehnt hat.
Dabei
werden Geldstrafen IMMER an gemeinnützige Vereine bezahlt. Es liegt in der
Natur der Sache, daß diese Strafen von Kriminellen stammen und der
Kinderschutzbund nimmt diese auch sonst immer an – auch von viel schlimmeren
Tätern. Aber in diesem Fall geht es auch den Profischützern um reinen
Populismus.
Der Ex-Abgeordnete
Sebastian Edathy sollte 5000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen. Der Verein
lehnte empört ab - dabei nimmt er in vergleichbaren Fällen das Geld an.
[….]
Die Kinderschützer hatten sich geweigert, Geld
von Sebastian Edathy anzunehmen. 5000 Euro sollte der ehemalige
SPD-Bundestagsabgeordnete überweisen, weil er Bilder nackter Jungen besessen
hatte. Im Gegenzug stellte das Landgericht Verden den Prozess ein. "Ein
fatales Signal", wetterte Schmidt. Es handele sich offenkundig um einen
"Freikauf".
[….]
Das hat die Wut noch gesteigert, mehr als
180.000 Menschen unterzeichneten im Netz eine "Petition" gegen den
Gerichtsbeschluss. Die Entscheidung des Kinderschutzbunds bekam immensen
Zuspruch. Ganz nach dem Motto: Endlich zeigt dem mal einer die Grenzen auf.
Schmidt hat diese
Stimmung genau erfasst - und genutzt.
Allein: In
vergleichbaren Fällen hat der Kinderschutzbund ohne viel Aufhebens Zahlungen
angenommen. Es sei "gängige Praxis", dass Richter Geldauflagen in
Kinderporno-Verfahren "auch für den Kinderschutzbund vorsehen", sagt
Christian Friehoff, Vorsitzender des Richterbunds Nordrhein-Westfalen (NRW).
"Gerade die
Geldauflagen aus Kinderpornografie-Verfahren gehen oft an Kinder- und
Jugendschutzstellen", sagt auch Rechtsanwalt Steffen Lindberg aus
Mannheim. Diese ließen sich sehr häufig selbst auf Listen setzen, um im Fall
von Zahlungen bedacht zu werden.
In den vergangenen
zehn Jahren führte Lindberg mehr als hundert Kinderporno-Verfahren. Ihm sei
kein Fall bekannt, in dem das Geld eines Beschuldigten abgelehnt worden sei.
Das Vorgehen des Kinderschutzbunds in der medienwirksamen Causa Edathy sei
"Heuchelei".
[….]
Für den Kinderschutzbund sind Bußgelder
aus Gerichtsverfahren eine große Einnahmequelle, sie ermöglichen seine wichtige
Arbeit. In den Jahren 2011 bis 2013 nahm der Verein nach Angaben der
Recherche-Organisation "Correctiv" insgesamt mindestens 5,5 Millionen
Euro auf diesem Wege ein. [….]
Unerträglich
sind auch all die Besserwisser, die nun, a posteriori, schon immer gewußt haben
wollen, daß Edathy irgendwie verdächtig war.
Ich kann
gar nicht mehr zählen wie oft ich inzwischen in dem Zusammenhang „ich konnte
den ja noch nie leiden“ gehört habe.
Das ist
ein typisches Beispiel für die subjektive Selbsttäuschung des Plebs.
Nur zu
Erinnerung; die sogenannte Edathy-Affäre begann quasi während der
Koalitionsverhandlungen Ende 2013, als über Ministerposten spekuliert wurde.
Damals
hatte sich Edathy im NSU-Untersuchungsausschuss einen so phantastischen Ruf
erarbeitet, daß die Hauptstadtjournalisten fest mit seinem Eintritt ins
Kabinett rechneten. DESWEGEN hatte damals auch Minister Friedrich –
rechtswidrig – geplaudert; weil auch er ahnte, daß die SPD ihren
Starparlamentarier mindestens zum Staatsekretär machen würde.
Ich
lasse mir schon seit es Phoenix gibt keine Bundestagsdebatte entgehen und ganz
zweifellos war Edathy einer der besten Redner.
15 Jahre
vorbildliche Parlamentsarbeit lieferte der nun Geächtete ab.
Zudem hat er sich als NSU-Aufklärer eindeutig
Meriten erworben. Er hat nahezu im Alleingang das bewirkt was wir überhaupt
über die NSU wissen, weil schwarzgelb damals nur mauerte.
Er saß
außerdem im Rechts- und Innenausschuss und war da die prägende Gestalt in der
Frage des Rechtsextremismus. Er war es, der sich fabelhaft für ein moderneres
Staatsbürgerschaftsrecht einsetze.
Die ZEIT
schrieb vor einem Jahr:
"Edathy hatte
sich Ansehen erworben, weil er den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur
Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) über zwei Jahre lang
mit kalter Brillanz und beherrschter Leidenschaft führte. Der NSU-Ausschuss war
ein Triumph des Parlamentarismus und Sebastian Edathys Meisterstück. Mit einer
Dringlichkeit, deren Gründe die Öffentlichkeit jetzt erst erahnt, verfolgte er
sein Ziel: Er wollte aller Welt zeigen, dass die deutsche Gesellschaft ein
schmutziges Geheimnis hat."
Sich
jetzt, 2015, nachdem man das mit den Schmuddel-Bildern weiß, unter die Polit-Enthirnten
zu begeben und auch Edathys parlamentarische Leistungen zu negieren, zeigt
einmal mehr wieso Laien sich nicht für Gerechtigkeit eignen.
[….]
Das
Verfahren gegen Sebastian Edathy wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Der Angeklagte ist weder schuldig noch unschuldig. Ist Edathy jetzt ein freier
Mann? Nein. Der Politiker, dem man den Besitz kinder- und jugendpornografischer
Schriften vorgeworfen hat, ist erledigt.
[….]
Das Netz kocht. Mehr als 180.000 Menschen
hatten bis Donnerstagmittag eine "Petition" gegen den Gerichtsbeschluss
unterzeichnet. Beim Thema Pädophilie äußert sich das ungesunde Volksempfinden.
Die mangelnde Barmherzigkeit, die man dem Täter vorwirft, die zeigt man selber.
[….]
Tatsache ist, dass Sebastian Edathy
keineswegs - wie es in der Netz-Petition heißt - "nur weil er Politiker
ist mit einer Geldauflage von 5000 Euro freigesprochen" wurde. Er wurde
gar nicht freigesprochen, weil es kein Urteil gab. Der Paragraf 153a der
Strafprozessordnung ist ja eine sonderbare Sache. Verdacht hin oder her, wenn
die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils gilt und es zu keinem
Urteil kommt - warum soll ein Angeklagter dann überhaupt Geld zahlen?
[….]
Tatsache ist auch, dass die Einstellung
eines Verfahrens gegen Geldauflage mehr als üblich ist. Etwa 260.000-mal wird
dieses Rechtsinstrument in Deutschland im Jahr eingesetzt.
[….]
Aber um solche Feinheiten kümmert sich
der interessierte Laie nicht. Stern.de hat dem Schauspieler Til Schweiger in
der Sache Edathy einen Kommentarplatz zur Verfügung gestellt. Schweiger befasst
sich seit längerer Zeit unter anderem mit dem Kampf gegen Kinderpornografie.
Jetzt prügelt er auf Edathy ein: "Wie kalt er in den vergangenen Monaten
agiert hat", "Ich finde das alles: erbärmlich. Schrecklich. Herr
Edathy, Ihr larmoyantes Verhalten ist zum Kotzen." [….] Was Schweiger und all die anderen Netzpöbler
bei Facebook und Co. nicht verstehen und nicht verstehen wollen: Zwischen dem
Recht und dem eigenen Rechtsempfinden kann es einen Unterschied geben. Zum
Glück.
Der Jurist und
Journalist Thomas Darnstädt hat im SPIEGEL geschrieben: "Es hat keine
moralische Bedeutung, sondern ist allein Ausdruck juristischer
Professionalität, wenn das Gericht im Fall Edathy zu dem Ergebnis kommt, die
Anklage sei vergleichsweise belanglos." [….]