Journalisten bereiten sich natürlich vor. Es gibt tragische Großereignisse, die auf jeden Fall eintreffen werden. Für alle hochbetagten Superpromis liegen schon vorgeschriebene Nachrufe in den Schubladen der Redaktionen.
Kein US-Korrespondent muss erst lange nachdenken, wenn wieder einmal ein paar Dutzend Kinder von einem mit einer AR15 bewaffneten jungen Killer niedergemetzelt werden. Der Täter ist fast immer weiß, religiös, männlich, jung, liebt Trump und wurde von den republikanischen Waffengesetzen begünstigt.
Meine mass-shooting-Datei quillt schon über mit drastischen Memes, die bei jedem dieser Massenmorde die sozialen Medien fluten.
[….] Ein bewaffneter 18-Jähriger hat nach offiziellen Angaben in einer Grundschule im US-Bundesstaat Texas mindestens 19 Kinder erschossen. Auch zwei Erwachsene starben. Der Schütze selbst sei ebenfalls getötet worden, offenbar durch Polizisten am Tatort, sagte Gouverneur Greg Abbott in einer ersten Stellungnahme. Er sprach von einer schrecklichen und unbegreiflichen Tat, die sich in der Kleinstadt Uvalde im Süden von Texas ereignet habe. [….]
Das Leid, die Verzweiflung und Trauer der Hinterbliebenen sind echt. Das Verständnis des rechtsradikalen, menschenfeindlichen Gouverneurs ist es nicht.
Abbott hat just erst dafür gesorgt, daß 18-Jährige mit AR15 versorgt werden.
Die Bewohner von Uvalde stimmten mehrheitlich für einen total waffenfanatischen Kongress-Abgeordneten.
Die Texaner wählten den womöglich moralisch verkommensten Waffen-Narren überhaupt zu ihrem US-Senator.
Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sich snobistisch-intellektuell über simplifizierende Memes erheben. Die haben ihre Berechtigung in der heutigen Kommunikationswelt, in der kaum noch einer mehr als eine Minute Zeit für einen Text aufwendet.
Memes fügen extreme Emotionen mit Fakten zusammen und sind daher in einer von Oberflächlichkeit geprägten Social-Media-Welt der Emoticons, sogar recht gehaltvoll.
Einen politischen Einfluss haben sie offenkundig aber nicht, da selbst die stärksten Memes kaum die eigene Bubble durchdringen können.
Mit mir ist eine Hälfte der US-Amerikaner schon seit Dekaden von schärferen Waffengesetzen überzeugt, aber offenkundig bringen auch noch so viele in Schulen abgeknallte Kinder, TrumpliKKKan-Wähler nicht dazu, demokratisch zu wählen.
A posteriori wundere ich mich über mich selbst, aber immerhin noch beim
Massaker an der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland am 14. Februar 2018, als 17 Menschen getötet und 15 schwer verletzt wurden, hatte ich zuletzt Hoffnungen, die Waffengesetze könnten sich doch ändern. Die Parkland Survivors um die höchst beeindruckenden Emma González, Alex Wind, Cameron Kasky und David Miles Hogg schufen mit den Bewegungen Never Again MSD oder March for Our Lives so kraftvolle Kampagnen, daß es schwerfiel, nicht an einen Erfolg zu glauben.
Was für ein Irrtum.
Das Morden geht munter weiter und ausgerechnet die verschwörungstheoretische Faschistin Marjorie Taylor Greene, die damals damit berühmt wurde, David Hogg zu stalken, ist nun weltberühmte US-Abgeordnete.
Jürgen Schmieder, L.A.-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung berichtet von seinen Erfahrungen bei Trumps „Truth Social“:
[….] Die erste Person, die einem auf der Plattform folgt, keine fünf Sekunden nach der Anmeldung: Marjorie Taylor Greene, republikanische Abgeordnete aus dem US-Bundesstaat Georgia und einige Kilometer rechts vom Begriff "konservativ" angesiedelt. Sie ist Trump-Jüngerin und QAnon-Verschwörungsideologin. Ihr Wahlslogan lautete: "100 Prozent für Schusswaffen, gegen Abtreibungen und für Trump". Ihr erster Truth-Eintrag lautet nun: "Joe Biden ist nicht Präsident, sondern Donald Trump." [….]
state Assemblywoman Michele Fiore (R-Las Vegas) |
Thomas Massie of Kentucky |
Ein anderer Superstar des US-Kongresses wurde die manisch lügende, kriminelle Lauren Boebert, die mit ihren bis an die Zähne bewaffneten Kindern prahlt.
Solche Typen werden mit Mehrheit als Volksvertreter gewählt und sie passen zu ihrem Volk.
Die USA, das Volk sind nicht pauschal moralisch verantwortlich für blutrünstige, amoralische Hetzer wie Boebert, Cruz, Hawley, Jim Jordan, Mo Brooks, Paul Gosar, Matt Gaetz, Andrew Clyde, Marjorie Taylor Greene, Madison Cawthorn, Scott Perry oder Louie Gohmert.
Wenn sie aber stoisch, nach Hunderten Mass-Shootings jedes Jahr, diese Waffenfanatiker immer wieder mit Mehrheit wählen, muss man nicht nur seine Hoffnung auf Besserung begraben, sondern sollte versuchen, sich das Mitleid abzugewöhnen.
[…] Diesem Land ist nicht zu helfen. […] Amerika scheint sich mit den sich ständig wiederholenden Gewaltorgien abgefunden zu haben. Es ist ein beispielloses zivilisatorisches Scheitern. [….]
Es hat keinen Sinn anzuprangern, zu klagen, zu appellieren, aufzuklären.
Die Republikaner opfern offensichtlich gern jedes Jahr tausende Kinder, Myriaden Menschen auf dem Altar der Waffenlobby. Die Wähler wollen nach allen Umfragen eben diese Republikaner im Herbst zur stärksten Kraft in House und Senat machen.
Es tut mir Leid für die friedlichen Amerikaner, aber es bleibt Euch nur übrig es mir gleichzutun und aus dem Kack-Land auszuwandern.
[….] Die Szenen sind einem längst vertraut, wie ein Horrorfilm, den man schon viel zu oft gesehen hat. [….] Der jüngste Tatort: eine Grundschule in Uvalde, einem Ort im stillen Westen von Texas mit rund 25.000 Einwohnern, fast drei Viertel davon Latinos. Mindestens 19 Kinder und eine Lehrerin hat ein Mann dort am Dienstag erschossen. Die Bluttat schockiert, doch sie überrascht kaum. Im Land der politisch tolerierten Massaker sind selbst junge Schülerinnen und Schüler längst nicht mehr sicher. [….] »Schon wieder«, sagt Joe Biden, als er sich am späten Abend im Weißen Haus vor die TV-Kameras stellt.
[….] Der erzkonservative Republikaner [Gouverneur Greg Abbott] spricht monoton von einer »sinnlosen Tat«, einer »furchtbaren Tragödie, die im Staat Texas nicht geduldet werden kann«. Doch nicht mal ein Jahr zuvor hat Abbott ein neues Gesetz unterzeichnet, das das Tragen von Schusswaffen in Texas erleichtert – ohne Waffenschein, ohne jegliches Training. Dieses Gesetz, warnte die demokratische Kongressabgeordnete Veronica Escobar damals, »wird zu mehr Gewalt und Verlust führen«. Sie sollte recht behalten. [….] Am Donnerstag wäre an der Robb Elementary School das Schuljahr zu Ende gegangen, die Abschlussfeiern wurden nun gecancelt. Am selben Tag beginnt zufälligerweise auch die Jahresversammlung und Waffenmesse der US-Waffenlobby NRA – im texanischen Houston. Unter den Hauptrednern: Senator Cruz und Gouverneur Abbott. […]